Halt auf freier Strecke

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Diese schmerzhafte Zeit des Abschieds

Die Nachricht trifft den Mann (Milan Peschel) und die Frau (Steffi Kühnert) vollkommen unvorbereitet. Mit Worten, die immer wieder ausweichen, die stottern, die nach den richtigen Ausdrücken für das eigentlich Unaussprechbare ringen, teilt ihnen der Arzt die Diagnose mit, die einem Todesurteil gleichkommt: Frank, so der Name des Mannes, leidet unter einem Gehirntumor der ganz und gar bösartigen Art. Und aufgrund seiner Lokalisation kann der Tumor nicht operativ, sondern nur mittels Bestrahlung und Chemotherapie behandelt werden. Dennoch, so die Auskunft des Arztes, liegt die mutmaßliche Lebenserwartung Franks nur bei einigen Monaten. Und auf die Frage Simones, wie man das denn den beiden gemeinsamen Kindern beibringen solle, reagiert der Arzt genauso hilflos. Was soll er auch sagen?
Und so bleiben sie allein mit ihrem Elend, mit all ihrer Hilflosigkeit, ihrem Schmerz und mit Franks sich zunehmend verschlechterndem Zustand. Die Kinder müssen mit ansehen, wie der Vater zerfällt, wie sich seine Persönlichkeit verändert, wie die Eltern des Paares dem Auseinanderbrechen der Familie machtlos gegenüber stehen. Bis die Zeit des Abschieds kommt…

Andreas Dresen neuer Film Halt auf freier Strecke ist harte Kost. Schonungslos beschreibt er das mühsame Sterben eines Mannes, der doch eigentlich noch eine lange Wegstrecke vor sich hat. Doch wie der Filmtitel es bereits vorwegnimmt, muss sich die Familie damit abfinden, dass ihnen diese Zeit nicht mehr bleibt. Vom ersten Moment an packt einen dieser Film, bleibt bis auf einige Ausflüge ins Absurde (so etwa wenn Franks Gehirntumor als Gast in der Harald Schmid Show auftritt und vom Zustand des Patienten berichtet) stets von beinahe dokumentarischer Qualität und glasklarer Unbarmherzigkeit, die emotional berührt und dafür sorgt, dass man diesen unglaublichen kraftvollen, ehrlichen und niederschmetternden Film mit einem dicken Kloß im Hals verlässt – nicht komplett niedergedrückt, aber mit einem sehr schweren Herzen. Dennoch: Wer diesen Film aushält, sollte ihn auf gar keinen Fall verpassen. Und wer im Kino keine Gelegenheit dazu hatte, der kann, nein, der sollte dies nun auf DVD nachholen.

Halt auf freier Strecke

Die Nachricht trifft den Mann (Milan Peschel) und die Frau (Steffi Kühnert) vollkommen unvorbereitet. Mit Worten, die immer wieder ausweichen, die stottern, die nach den richtigen Ausdrücken für das eigentlich Unaussprechbare ringen, teilt ihnen der Arzt die Diagnose mit, die einem Todesurteil gleichkommt: Frank, so der Name des Mannes, leidet unter einem Gehirntumor der ganz und gar bösartigen Art.
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Meinungen

abraxas · 02.12.2011

Der Film zeigt die letzten Monate eines Familienvaters in seiner Familie, der aufgrund eines Tumors nur noch kurze Zeit zu leben hat. Das Hauptaugenmerk wird auf das Leiden und die Hilflosigkeit mit dieser Diagnose und dem Tod umzugehen gelenkt. Die Thematik wird in ihrer ganzen Härte gezeigt.

Leider bietet der Film überhaupt keine Ansätze mit dieser Situation umzugehen. Stattdessen wird das ganze Leiden und die Unfähigkeit des Umgangs mit dem Tod gezeigt. Schade. Das hätte man sich ersparen können. Diesen völlig uninspirierten Film muss man nicht sehen. Wie grausam und hart das Leben sein kann, weiß jeder der solche Situationen schon mal miterlebt hat. Das Wichtige dabei, nämlich, dass jemand mit sich ins Reine kommt und eine Möglichkeit findet mit dem Tod umzugehen und sich darauf vorzubereiten, wurde in diesem Film vollkommen vergessen. Und so bleibt es ein trostloser und deprimierender Stoff, ohne Anspruch. Wenn eine Geschichte für sich selber sprechen soll, muss es eine gute Geschichte sein. Wenn es keine gute Geschichte ist, kommt so ein Film dabei heraus, bei dem der langsame und sinnlose Tod eines Menschen 90 Minuten auf einer Leinwand gezeigt wird.

ksinbln · 29.11.2011

Der Film ist etwas ganz Besonderes. Von der ersten Minute an zog er mich in seinen Bann. Und das obwohl (oder gar gerade wegen?) der eigentlich ganz realistischen Darstellung. Nichts wird überzogen, nichts wird mit kitschiger Schmalzmusik übergossen, niemand ist "der Böse" oder das "arme Krebsopfer". Und dennoch packt einen der Film.

Ein Beispiel, wie perfekt dieser Film gelungen ist:

Gleich am Anfang, nachdem die tödliche Diagnose vom Arzt gegeben wurde und gut eine halbe Minute nur Schweigen herrscht und eine starre Kameraeinstellung auf die fast reglosen Gesichter des Mannes und seiner Frau zu sehen ist, in der erst am Schluss eine kleine Träne auf der Wange der Frau zu sehen ist: Diese halbe Minute wirkt nicht quälend wie normalerweise in solchen Filmen, sondern ist voller Spannung, weil der Zuschauer voll involviert ist und so Zeit hat, dieselbe Situation selbst zu erleben.

@Filmverleih
Warum diese nervige, irreführende Klamaukwerbung für diesen Film?
Wenn ich keine Kinojahreskarte hätte, so hätte ich mir den Film aufgrund der Filmwerbung ganz bestimmt nicht angeschaut!

@Lorbas:
Schauen Sie sich den Film ruhig an. Er ist ganz anders als die Kinowerbung, die Sie so genervt hat.

@Markus vom Hamburger Sommer:

Das Lied im Abspann ist laut Shazam (ich habe extra für Sie den Song "getaggt" :-) ):

von "Gisbert zu Knyphausen" und heißt "Sommertag".

Bei Youtube werden Sie fündig :-)

henne63 · 24.11.2011

Der Film hat mich zutiefst berührt, zumal ich dieselbe Situation derzeit im engsten Familienkreis durchmache, es ist wie Folter!
Der Film hat mir aber auch viel Zuversicht gegeben, die Angst vor dem eigenen Sterben ist ein bisschen kleiner geworden, wenn auch nicht ganz weg.
Zu meiner Beerdigung werde ich eine andere Musik wählen, aber das steht auf einem ganz anderen Blatt…
Der Film sollte am Abschluss der Schule für alle auf dem Lehrplan stehen, vieles im späteren Leben wird man danach gelassener sehen, wenn man denn die Botschaft versteht.
Insgesamt ein „Meisterwerk“, sehr empfehlenswert, 5 Sterne auf jeden Fall.
P.S.: Ich werde meine Mutter nicht ins Hospiz geben, das ist die Quintessenz des Filmes für mich, großer Dank an alle Mitwirkenden!

kim · 21.11.2011

Einer der sehr guten Andreas Dresen Filme.
Beschrieben wird ohne zu dramatisieren oder zu romantisieren (Es gibt ein besseres Leben im Jenseits, Krankheit als Chance etc. pp), was es für den Betreffenden und sein Umfeld bedeutet an einer tödlichen Krankheit zu leiden und einige Zeit noch als Behinderter gepflegt werden zu müssen. Gezeigt wird dies nüchtern, aber auch stets humanistisch.
Kaum vorstellbar, dass dies ein Spielfilm ist. Man fühlt sich wie in einer Dokumentation so gut sind die SchauspielerInnen, die Regie und das Drehbuch.

Erinnert von Stil an Nachtgestalten, den ich für den besten Andreas Dresen Film halte.

Wenn das Thema weiter interessiert: "Seelenvögel", auch sehr gut, aber etwas kitschiger, obwohl es eine Dokumentation ist.

G.Müller · 17.11.2011

hervorragend, wie der Regisseur und alle anderen Mitwirkenden das Thema Sterben nachvollziehbar, alltagstauglich und auch für sensible Charaktere verkraftbar filmisch umgesetzt haben.
Auch ein sehr gutes Beispiel, wie gut Spielfilm, mit dokumentarischen Elementen durchsetzt, funktionieren kann.
Glückwunsch, Andreas Dresen und Crew.
Ich hoffe auf eine gute Resonanz und viel Publikum. Dieser Film hätte es sehr verdient.
G. Müller.

Lorbas · 30.10.2011

Unabhängig vom Thema des Films - das mir wegen wegen einer Kollegin nahegeht - finde ich die Art und Weise, den Film zu bewerben, so afdringlich, dass ich mir ihn schon deshalb nicht ansehen werde.
Man muss Kinobesucher nicht in einer Vorstellung dreimal nacheinander mit Werbung für den selben Film belästigen, sei es eine Komödie oder ein Krebsdrama.

Mark vom Hamburger Sommer · 02.10.2011

Im Abspann des Films - gestern gesehen beim FILMFEST HAMBURG 2011 - gibt es einen Song. Wie heißt der und von wem ist er?

Burkhard · 19.05.2011

Ich habe den Film noch nicht gesehen und wollte mich nur hier informieren, aber das unter diesem Film (anscheinend über einen inoperablen Hirntumor) ein Werbebanner ist der für Schönheitschirurgie als Wohlfühlchirurgie ist der Hammer.

Stefan Kranz · 17.05.2011

Die Realität, die in dem Film versucht wird dem Betrachter nahe zu bringen ist noch weitaus grausamer - wir haben 1:1 das gleiche mit unserem Sohn erdulden müssen, der
auch innerhalb kurzer Zeit an einem Glioblastom mit 35 Jahren verstorben ist, Frau und 2 Kinder hinterläßt sowie uns als Eltern und seine Schwester - das alles ist Ende 2009 passiert, d.h. wir haben das Weihnachtsfest in der Klinik verbracht - es waren auch die letzten Stunden mit ihm.
Es war die Hölle.
Trotzdem halte ich es für angebracht, uns klar zu werden, daß der Tod zum Leben gehört, so wie die Geburt - letztere ist der Anfang, der Tod das Ende; wir haben nur verlernt, in der Zivilisation damit umzugehen.
Wenn einer geht, geht er uns nur voraus - wir kommen später nach.
Vor allem muß man trauern können und den Schmerz herauslassen, um nicht selbst krank zu werden.