HalloHallo

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zurück ins Leben

Eine Frau in dunkelrotem Jogginganzug geht in einer verschneiten Landschaft energisch eine Treppe hinauf, die sie zu einer kleinen Skisprungschanze führt. Sie bleibt oben stehen, schreit – und rutscht ab. Diese ersten Bilder von HalloHallo deuten auf eine Komödie hin, immerhin landet die Frau im Schnee und liegt dort mit auseinandergestreckten Armen und Beinen, als würde sie einen Schneeengel machen wollen. Doch anstatt sich zu bewegen, blickt Disa (Maria Sid) zur Seite und sieht eine Feldmaus. Und in ihrem Blick liegt so viel Traurigkeit, dass man nicht über sie oder ihr Missgeschick lacht, sondern sich einfach nur fragt, wer diese Frau ist, die so energisch und zugleich so traurig sein kann.
Es ist vor allem diese Hauptfigur, die Maria Bloms HalloHallo sehenswert und berührend macht. Disa ist eine Frau, die sich an die Regeln gehalten hat, und doch ist sie einsam und fühlt sich als Verliererin. Seit der Trennung von ihrem Mann, die einst vorübergehend, nun vermutlich endgültig ist, wohnt sie mit ihren Töchtern in einer kleinen Wohnung und arbeitet nachts als Krankenpflegerin in einem Krankenhaus. Sie ist nett, hilfsbereit, unsicher und unglücklich. Das aggressive Verhalten der Patientin Mary (Karin Ekström) nimmt sie wie die Bevormundungen ihrer Mutter (Gunilla Nyroos) hin, weiterhin hofft sie auf eine Wiederannäherung mit ihrem Mann (Calle Jacobsson), der längst mit seiner neuen Freundin Camilla (Isabelle von Saenger) glücklich ist. In ihrer Passivität steckt sehr viel Unsicherheit – und in den Szenen mit ihrem Mann zeigt sich, dass sie anscheinend nur bei ihm sie selbst sein konnte und ihn daher so sehr vermisst. Zugleich steckt in ihr eine große Wut – wie in den Kampfszenen beim Verteidigungskurs sehr deutlich wird –, aber dann beginnt sie im Verlauf des Films, zunehmend Kontrolle über ihr Privat- und Berufsleben zu übernehmen. Sie schließt Bekanntschaften, zeigt sich solidarisch und mutig.

Sicherlich erfolgt Disas Entwicklung auf vorherzusehenden Bahnen, auch sind weder Bildsprache noch Inszenierung innovativ. Aber Disa ist eine lebensechte Figur, und sie wird von Maria Sid mit sehr viel Liebenswürdigkeit gespielt. Eigentlich ist Disa – wie Maria Blom in einem Regiestatement selbst sagt – nicht schön, nicht stark und nicht interessant genug, um eine Hauptfigur zu sein. Aber genau das macht sie besonders. Sie lässt sich nicht zu absurd-komischen Einlagen hinreißen oder läuft ihrem Mann peinlich hinterher. Vielmehr hofft sie im Stillen; und als es zu einem Ausbruch kommt, erscheint er notwendig, damit sie weitermachen kann. Dadurch vollziehen sich ihre Veränderungen im Kleinen, gibt es keine großen dramatischen oder komödiantischen Ereignisse oder Wendungen. Sie sind schlichtweg nicht möglich, denn Disa kann nicht einfach die Bergwerksstadt Falun verlassen und zurück nach Stockholm gehen, wie sie es sich wünscht. Schließlich hat sie zwei Kinder, die sie weder zurücklassen noch vom Vater trennen will. Daher geht es in HalloHallo nicht darum, sein wahres Ich oder seine Bestimmung, sondern vielmehr ein wenig Zufriedenheit und Glück zu finden. An einer Stelle fragt Disa, woher sie wissen solle, wer sie sei und wann sie glücklich gewesen sei. Eine Antwort findet sie schließlich darin, dass sie einfach tut, was sie für richtig hält. Damit verkauft man keine Ratgeber und Selbstfindungsseminare, entdeckt aber neue Seiten an sich.

Wie Maria Bloms Debüt Zurück nach Dalarna ist auch HalloHallo ein Film über durchschnittliche Menschen mit einem durchschnittlichen Leben. Und in dieser Durchschnittlichkeit vermittelt er so viel Energie und Freude, dass es völlig verständlich ist, weshalb er 2014 sowohl beim Filmfest Hamburg als auch den Nordischen Filmtagen in Lübeck den Publikumspreis gewonnen hat. Denn dieser Film geht zu Herzen – im allerbesten Sinn!

HalloHallo

Eine Frau in dunkelrotem Jogginganzug geht in einer verschneiten Landschaft energisch eine Treppe hinauf, die sie zu einer kleinen Skisprungschanze führt. Sie bleibt oben stehen, schreit – und rutscht ab. Diese ersten Bilder von „HalloHallo“ deuten auf eine Komödie hin, immerhin landet die Frau im Schnee und liegt dort mit auseinandergestreckten Armen und Beinen, als würde sie einen Schneeengel machen wollen.
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Meinungen

Valeska Hanel · 24.11.2015

wunderschöner Film!