Gefühlt Mitte Zwanzig (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Munterer Generationenaustausch

Viele seiner Filme spielen in seiner Heimatstadt New York. Und oft handeln sie von Figuren, die mit sich und ihrer Umwelt hadern. Verwundern muss es vor diesem Hintergrund nicht, dass der Autorenfilmer Noah Baumbach bisweilen als neuer Woody Allen gehandelt wird. Als legitimer Nachfolger des Kino-Altmeisters, der sich in den 1970er Jahren auf dem Gebiet präzise beobachteter Großstadtgeschichten mit intellektuellem Anspruch hervorgetan hat. Nachdem Baumbach in seinem letzten Film Frances Ha eine junge Tänzerin auf Identitätssuche schickte, lässt er in Gefühlt Mitte Zwanzig zwei Paare aus unterschiedlichen Generationen aufeinandertreffen. Herausgekommen ist eine Tragikomödie, die unser heutiges Sozialleben ironisch kommentiert, sich leider aber auch auf einige Klischeebilder stützt.

Die Mittvierziger Josh (Ben Stiller) und Cornelia Srebnick (Naomi Watts) sind seit langem verheiratet, leben in Brooklyn und haben nach einigen Fehlversuchen beschlossen, dass sie keine Kinder brauchen, um glücklich zu sein. Die beiden führen eine solide Ehe, die dennoch etwas frischen Wind vertragen könnte, da sie vor allem von Alltagsroutinen lebt. Als Josh, der Dokumentarfilme dreht und eine Dozententätigkeit innehat, nach einem Vortrag von den Mittzwanzigern Jamie (Adam Driver) und Darby (Amanda Seyfried) angesprochen wird, lässt der Umschwung nicht lange auf sich warten. Rasch entwickelt sich zwischen dem jungen Hipster-Pärchen und den Srebnicks eine Freundschaft, die vor allem Letztere beflügelt. Jamie und Darby sprühen nur so vor Tatendrang, testen alles aus und umgeben sich mit vielen alten Dingen statt neumodischem Schnickschnack. Josh, der seit Jahren an einer anspruchsvollen Dokumentation herumdoktert, freut sich über neue Impulse und fühlt sich geehrt, als Jamie ihn bittet, bei einem seiner Filmprojekte mitzuwirken. Je mehr Zeit die beiden Paare miteinander verbringen, umso deutlicher wird allerdings, wie unterschiedlich ihre Einstellungen letztlich sind.

Einmal wieder jung sein, sich austoben und keine Herausforderung scheuen – vielen Menschen geht es irgendwann in ihrem Leben sicher so wie Josh und Cornelia, die plötzlich spüren, dass sie den Anschluss an die nachwachsenden Generationen verlieren. Baumbach nutzt dieses Dilemma, um zwei grundverschiedene Welten aufeinanderprallen zu lassen, und zieht aus der Gegenüberstellung eine Reihe absurd-komischer Momente, wobei es seinem Drehbuch nicht immer gelingt, die grenzenlose Anziehung der Mittzwanziger glaubhaft zu vermitteln. Warum insbesondere Josh den Einfällen und Anregungen Jamies bedingungslos erliegt, ist nicht ganz verständlich, da die Geschwätzigkeit und die ostentative Lässigkeit des jungen Mannes manchmal enervierend sind. Dennoch nimmt der erfahrene Regisseur, der in einer künstlerischen Krise steckt, recht bald einen Image-Wandel vor. Plötzlich fährt er wieder Fahrrad und trägt einen dämlich aussehenden Hipster-Hut.

Spannend sind vor allem die Augenblicke, in denen Baumbach den Einfluss technischer Errungenschaften auf den Paaralltag beleuchtet und mit einem Augenzwinkern unterstreicht, wie häufig echte Kommunikation von ihnen untergraben wird. Gleichzeitig kontrastiert Gefühlt Mitte Zwanzig zwei entgegengesetzte künstlerische Arbeitspraktiken. Während Josh als Filmemacher alter Schule unbedingte Authentizität anstrebt, lebt Jamie die postmodernen Träume aus und bedient sich in seinem Schaffen wahllos fremder Ideen und Erzeugnisse. Eine Haltung, die über kurz oder lang zum Bruch zwischen beiden führen muss, was dramaturgisch allerdings etwas ungelenk auf den Weg gebracht wird. Der große Bogen will nicht ganz gelingen, und das Finale bedient sich zu sehr eingeschliffener Hollywood-Muster, weshalb der raue Charme früherer Baumbach-Werke etwas verloren geht.

Obwohl nicht alle Pointen richtig zünden, hält die Komödie einige sehr witzige Einfälle bereit. Etwa wenn Josh bei einem Arztbesuch partout nicht einsehen will, dass er langsam in ein kritisches Alter kommt. Oder im Gespräch mit einem potenziellen Investor für seinen unfertigen Film, in dem die beiden Männer konsequent aneinander vorbeireden. Recht amüsant ist auch der Nebenstrang rund um ein befreundetes Ehepaar der Srebnicks, das gerade erst ein Kind bekommen hat und nun von nichts anderem mehr sprechen kann. Wenngleich Baumbach hier das Helikopter-Elterntum offen ausstellt, begeht er nicht den Fehler, die Freunde rundum zu verteufeln, sondern bringt auch für sie Verständnis auf. Erschreckend plakativ und bemüht komisch wirkt die Sequenz, in der sich Josh und Cornelia vom jungen Hipster-Pärchen zu einer schamanischen Sitzung überreden lassen. Statt skurriler Einfälle herrschen an dieser Stelle billige Zoten und drogengeschwängerte Eskapaden vor, die es keinesfalls gebraucht hätte.

Am Ende kann Baumbachs Generationenkomödie auch deshalb nicht vollends überzeugen, weil sie ihre weiblichen Hauptfiguren weniger ernst nimmt als die männlichen Pendants. Cornelia soll als Filmproduzentin tätig sein, hat aber nie etwas Gewichtiges zu ihrer Arbeit oder dem Schaffen ihres Mannes zu sagen. Und Darby wirkt wie ein naives, kleines Mädchen, das Jamie nach der Pfeife tanzt. Etwas mehr Feingefühl, und der Film hätte die heutigen Paarverhältnisse noch besser getroffen.
 

Gefühlt Mitte Zwanzig (2014)

Viele seiner Filme spielen in seiner Heimatstadt New York. Und oft handeln sie von Figuren, die mit sich und ihrer Umwelt hadern. Verwundern muss es vor diesem Hintergrund nicht, dass der Autorenfilmer Noah Baumbach bisweilen als neuer Woody Allen gehandelt wird. Als legitimer Nachfolger des Kino-Altmeisters, der sich in den 1970er Jahren auf dem Gebiet präzise beobachteter Großstadtgeschichten mit intellektuellem Anspruch hervorgetan hat.

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Meinungen

Hartmut T. · 03.08.2015

Hab ich einen anderen Film gesehen als Herr Diekhaus? Sicher: Wem "Frances Ha" gefallen hat, könnte auch an "Gefühlt ..." Gefallen finden. Allerdings: Ich kenne niemanden, dem "Frances Ha" gefallen hat, und ich kenne etliche, die ihn gesehen haben. Man kann Baumbach mit Allen vergleichen, so wie man schlechte mit guter Literatur vergleichen kann. Aber für mich ist Baumbach meilenweit von Allen entfernt und wird ihn wahrscheinlich nie erreichen. Kurz und gut: "Frances Ha" und "Gefühlt ..." gehören zu der Handvoll der langweiligsten Filme, die ich in den letzten fünf Jahren gesehen habe. Und was an "Gefühlt ..." tragisch oder komisch sein soll, erschließt sich mir auch nicht.