Feriado. Erste Liebe

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

The World Turned Upside Down

Die Welt steht kopf – ganz wörtlich: Zu Beginn des Films Feriado. Erste Liebe zeigen Diego Araujo und seine Kamerafrau Magela Crosignani die ecuadorianische Hauptstadt Quito gewissermaßen aus der „Kopfstandperspektive“. Später stellt sich heraus, dass es sich dabei um den Blickwinkel des 16-jährigen Juan Pablo (Juan Manuel Arregui) handelt, der gern seinen Kopf vom Hausdach herabhängen lässt, um seine Umgebung zu betrachten.
Die Coming-of-Age-Story des introvertierten Juan Pablo – genannt „Juampi“ – ist im Jahre 1999 angesiedelt, in welchem es in Ecuador zur Bankenkrise kam. Da die Familie des Teenagers zur weißen Upper Class des Landes gehört, muss sie zwar nicht – wie viele andere – ein Leben in völliger Armut fürchten, sieht sich aber in einen Skandal verwickelt, der ihr das gesellschaftliche Ansehen zu rauben droht.

Den adoleszenten Protagonisten tangiert das Chaos auf dem Anwesen seines Onkels Jorge (Peki Andino) und seiner Tante Victoria (Cristina Morrison) indes kaum. Wie jedes Jahr verbringt er die Ferien eher widerwillig hier im Kreise der Verwandtschaft; er leidet unter der Drangsalierung durch seine beiden Cousins sowie unter der Oberflächlichkeit der Erwachsenen. Gedanklich ist Juan Pablo weit, weit weg von allem – bis die Begegnung mit dem jungen Indio Juano (Diego Andrés Paredes) zu einer Art Erweckungserlebnis für ihn wird. Denn als er Juano zur Flucht vom (unbefugt betretenen) Grundstück seiner Familie verhilft, freundet er sich mit diesem an – und entwickelt bald noch innigere Gefühle für ihn.

Gewiss ist das, was der Writer-Director Araujo in Feriado. Erste Liebe erzählt, nicht neu. Die Entwicklungsgeschichte des juvenilen Helden wirkt dennoch äußerst frisch, weil es hier gar nicht um das große Drama einer epochalen Liebe und somit eine queere, südamerikanische Version von Romeo und Julia geht, sondern um eine diffuse, erstmals verspürte Faszination und Verliebtheit. Statt zugespitzter „bleeding heart“-Momente gibt es einen leichten Taumel der Gefühle, statt Kitsch und Romantik gibt es Pommes mit Majo.

Hinzu kommt, dass die Figuren für sich einzunehmen wissen. Juan Pablo ist kein „angry young man“, der die Konfusion seiner Empfindungen destruktiv ausagiert; seine Rebellion äußert sich vielmehr gerade darin, die erschreckende Rohheit seines Umfeldes abzulehnen. Seinen Schmerz legt er in düstere Gedichte – in „krasses Zeug“, wie Juano befindet. Letzterer verhält sich deutlich weniger zurückhaltend: Er ist ein impulsiver Metal-Fan mit schwarzer Lederjacke – und ein reizvolles Gegenüber des in sich gekehrten Juan Pablo. Eine dritte interessante Figur ist die Freundin von Juan Pablos Cousine: Die lebhafte La Flaca (Manuela Merchán) – ein irgendwie liebenswerter Ich-Mensch – sorgt für den nötigen „young and fun“-Faktor und wird, erstaunlicherweise, zu einer wichtigen Person für den Protagonisten. Die drei Jungschauspieler lassen in ihren Interpretationen Talent und Hingabe erkennen und tragen maßgeblich dazu bei, dass Feriado. Erste Liebe zu einem feinfühlig präsentierten Stück Adoleszenzkino über persönliche Reifung und stilles Aufbegehren wird.

Feriado. Erste Liebe

Die Welt steht kopf – ganz wörtlich: Zu Beginn des Films „Feriado. Erste Liebe“ zeigen Diego Araujo und seine Kamerafrau Magela Crosignani die ecuadorianische Hauptstadt Quito gewissermaßen aus der „Kopfstandperspektive“. Später stellt sich heraus, dass es sich dabei um den Blickwinkel des 16-jährigen Juan Pablo (Juan Manuel Arregui) handelt, der gern seinen Kopf vom Hausdach herabhängen lässt, um seine Umgebung zu betrachten.
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