Elser - Er hätte die Welt verändert

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein sehr deutscher Film

Es ist typisch für die Erinnerungskultur an den Nationalsozialismus, dass ein Mann wie der Hitler-Attentäter Johann Georg Elser im Gegensatz zu den Verschwörern des 20. Juli 1944 lange Zeit keine offiziellen Ehrungen erhielt. Noch in den 1990er Jahren beklagte sich Rolf Hochhuth, dass zwar dessen Heimatdorf nach ihm eine Straße benannt habe, sonst aber keine einzige Stadt.
Filmisch setzt die Aufarbeitung des Vermächtnisses auch nur unwesentlich früher ein. Klaus Maria Brandauer machte 1989 mit Elser — Einer aus Deutschland den Anfang — und es ist bezeichnend, dass die überfälligen Ehrungen für den politisch eher links stehenden Schreiner von der Schwäbischen Alb erst mit dem Fall der Mauer kamen. Oliver Hirschbiegels Drama Elser — Er hätte die Welt verändert erlebte seine Premiere im Wettbewerb der Berlinale 2015, wo der Film außer Konkurrenz gezeigt wurde.

Anders als Brandauer zeichnen Hirschbiegel und seine beiden Drehbuchautoren Fred und Léonie-Claire Breinersdorfer die historischen Fakten weitestgehend korrekt nach und verzichten auf offensichtliche Fiktionen: Ausgehend von den Attentatsvorbereitungen im Bürgerbräukeller, der anschließenden Flucht und Festnahme an der Schweizer Grenze und der misslungenen Explosion (Hitler hatte das Gebäude 13 Minuten vor der Detonation verlassen — und 13 Minutes ist auch der internationale Titel des Films) erzählt der Film von Elsers Heranwachsen in schwierigen Verhältnissen auf der Schwäbischen Alb, der schleichenden Politisierung und Radikalisierung, aber auch von seiner Liebe zu der verheirateten Elsa (Katharina Schüttler). Durchbrochen wird diese mehr oder minder chronologisch erzählte Entwicklung von den äußerst brutalen Verhören, denen Elser unterzogen wird, weil niemand so recht an seine Beteuerungen glauben mag, er sei ein Einzeltäter. Während der Chef der Kripo des Reichssicherheitshauptamtes Arthur Nebe (Burghart Klaussner) den Aussagen Elsers glaubt und versucht, ihn vor der Folter zu bewahren, entpuppt sich vor allem der Gestapo-Chef Heinrich Müller (Johann von Bülow) als Sadist und Folterknecht, dem jedes Mittel recht ist. Und so entsteht ein Dreikampf um die Wahrheit, bei dem Elser keine Chance hat.

Am Ende aber wird einer der beiden Folterknechte noch vor Georg Elser sterben, denn Elser wird als Sonderhäftling des Führers bis kurz vor Ende des Weltkrieges verschont und erst in den letzten Tagen vor dem Zusammenbruch auf Befehl von ganz oben exekutiert.

Elser ist in gewisser Weise ein geradezu archetypisch konstruierter deutscher Film: Das historische Sujet und die Fixierung auf die Zeit zwischen 1933 und 1945, eine größtenteils gut agierende Darstellerriege und eine überaus konventionelle Inszenierung, die ein gewisses Schielen nach Hollywood-Standards nicht verbergen kann, machen aus dem Film ein nicht immer überzeugendes, aber stellenweise packendes Werk, das sich vor allem an ein eher älteres Zielpublikum richtet. Ob dieses allerdings die teilweise recht drastischen Folterszenen goutieren wird, steht auf einem anderen Blatt. Dass der Film wiederum nur in sehr wenigen Szenen wirkliches Kinoformat gewinnt, gehört hingegen ja fast schon zu den Kennzeichen deutscher Filme — vor allem dann, wenn sie über historische Sujets erzählen.

Dass bei einer dann doch recht stattlichen Laufzeit von fast zwei Stunden die psychologische Entwicklung Elsers vom überzeugten Pazifisten zum Attentäter allerdings nicht schlüssig und fast nur aus den persönlichen Lebensumständen abgeleitet wird, enttäuscht bei aller Sorgfalt der historischen Rekonstruktion des Falles doch ein wenig, auch wenn vor allem Christian Friedel als Elser und Burghart Klaussner die gefällig-konventionelle Inszenierung zumindest teilweise vergessen lassen.

Elser - Er hätte die Welt verändert

Es ist typisch für die Erinnerungskultur an den Nationalsozialismus, dass ein Mann wie der Hitler-Attentäter Johann Georg Elser im Gegensatz zu den Verschwörern des 20. Juli 1944 lange Zeit keine offiziellen Ehrungen erhielt. Noch in den 1990er Jahren beklagte sich Rolf Hochhuth, dass zwar dessen Heimatdorf nach ihm eine Straße benannt habe, sonst aber keine einzige Stadt.
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