El SÉPTIMO SENTIDO - I am a dancer. Von der Kunst zu leben (2017)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Immer auf der Suche nach Inspiration

Drei junge Tänzerinnen aus Spanien stehen im Zentrum dieses Dokumentarfilms von Silke Abendschein. Die Filmemacherin interessiert sich nicht nur für ihre künstlerische Arbeit, sondern auch für ihre Lebensumstände. Geradlinige, sichere Karrieren gibt es im Kunstsektor so gut wie nie und die drei Porträtierten müssen viel Idealismus aufbringen, um ihrer Tanzleidenschaft beruflich nachzugehen. Ständig sind die Choreografin Avatâra Ayuso, die sich bereits einen Namen in der internationalen Tanzszene gemacht hat, und die Tänzerin und Performerin Alejandra Bano auf der Suche nach neuen Projekten oder nach Geldgebern für ihre kreativen Vorhaben. Das Leben von Projekt zu Projekt ist anstrengend, unstet, verlangt die ständige Bereitschaft, zu reisen. Avatâra zog nach London, gründete 2008 die Tanzgruppe AVA Dance, wurde Associated Artist des Europäischen Zentrums der Künste Hellerau in Dresden. Alejandra, eine ehemalige Schülerin Avatâras, lebt ebenfalls in London und hangelt sich von einem kurzfristigen Auftrag zum nächsten.

Abendscheins Film handelt also auch von Migration und internationaler Vernetzung im Kunstsektor, von der Neugier junger Tänzerinnen auf Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen und Disziplinen. Alejandra und Avatâra ist der Hunger nach Erfahrungen und Entdeckungen gemeinsam. Alejandra, die mit anderen Künstlern in einem Haus lebt, würde gerne, wenn sie die Zeit hätte, auch Musikinstrumente spielen lernen, Unterricht in Flamenco und Bauchtanz nehmen. Avatâra, die mit Tanzprojekten schon die halbe Welt bereist hat, sagt von sich, dass sie die Kulturschocks liebe, die sie in fernen Ländern erfährt.

„In Spanien hat man nicht die Erwartung, vom Tanzen leben zu können“, sagt Eugenia Morales. Dennoch entschied sich die ausgebildete Architektin nach drei Jahren in diesem Beruf, Ballettlehrerin zu werden. Sie betreibt die Ballettschule Sa Nau Dansa in Barcelona und unterrichtet dort unter anderem Schulkinder, denen sie sogar eigenhändig die Kostüme für die Shows näht. Aber ihre Räume werden auch gerne von Tänzern genutzt, die von ihrer Kunst nicht leben können und deshalb erst nach der Arbeit in ihrem Brotjob zum Proben kommen. Auch Eugenia muss ab und zu hinaus in die Welt und anderen Künstlern begegnen. Plötzlich steht sie im Film als Lichtdesignerin auf einer Londoner Bühne, auf der Avatâras neue Show aufgeführt werden soll. Sie brauche diesen Wechsel bei der Arbeit, sagt Eugenia, und sei es nur für ein paar Tage im Jahr.

Diese modernen Frauen begreifen Tanzkunst als kulturellen Dialog mit der globalen Gesellschaft. Immer nur abgeschottet von äußeren Einflüssen im Übungsraum zu trainieren und zu proben, wäre für ihre Kreativität tödlich. Abendschein spiegelt diese Vielfalt von Einflüssen und Impressionen, denen sich die Frauen bewusst aussetzen, auch gestalterisch. Unvermittelt werden die Schauplätze zwischen London, Dresden oder Barcelona gewechselt, ist die Kamera bei verschiedenartigen Proben und Aufführungen zugegen. Oft erzählen die drei Tänzerinnen aus dem Off über ihren Werdegang, ihre Wünsche an die Zukunft, ihre Lebensphilosophie. Viele Szenen sind kurz und diese Schnittintensität korrespondiert mit Avatâras und Alejandras Gefühl, ständig auf dem Sprung zu sein. Die knappen Statements anderer Kreativer im Tanzsektor verstärken den ungeordneten Eindruck, den die Dramaturgie erzeugt, eher noch.

Die Tänze und Performances selbst zeugen von stilistischer Vielfalt, allerdings lassen die eingestreuten Ausschnitte mehr als flüchtige Eindrücke nicht zu. Oft loten die TänzerInnen ihre Positionen zueinander auf engstem Raum aus, ihre Körper bilden dynamische Knäuel und demonstrieren plastisch die Intensität und den experimentellen Charakter zwischenmenschlicher Auseinandersetzung. Die Energie dieser Künstlerinnen, die ganz und gar in der Gegenwart leben und ihrer – wohl mit dem titelgebenden siebten Sinn gemeinten — Intuition folgen, lässt staunen. Der Film allerdings hätte etwas weniger Hektik gut vertragen und sich von Zeit zu Zeit länger auf ein Thema, beispielsweise die Entwicklung eines Projekts, einlassen können.
 

El SÉPTIMO SENTIDO - I am a dancer. Von der Kunst zu leben (2017)

Drei junge Tänzerinnen aus Spanien stehen im Zentrum dieses Dokumentarfilms von Silke Abendschein. Die Filmemacherin interessiert sich nicht nur für ihre künstlerische Arbeit, sondern auch für ihre Lebensumstände. Geradlinige, sichere Karrieren gibt es im Kunstsektor so gut wie nie und die drei Porträtierten müssen viel Idealismus aufbringen, um ihrer Tanzleidenschaft beruflich nachzugehen.

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