Eine Liebe von Swann

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Tag, der das ganze Leben enthält

Der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff, Experte für gelungene Literaturverfilmungen, hat mit Eine Liebe von Swann / Un amour de Swann eine heftige Geschichte um den klassischen Stoff der Eifersucht und Liebe in Szene gesetzt. Die literarische Vorlage des französischen Schriftstellers Marcel Proust stellt eine in sich abgeschlossene Erzählung als integrierten Exkurs seines aus sieben Bänden bestehenden Hauptwerks Auf der Suche nach der verlorenen Zeit / À la recherche du temps perdu dar, das in seiner Opulenz und eigenartigen Erzählstruktur als eines der bemerkenswertesten Werke des 20. Jahrhunderts gilt.
Der Kunstliebhaber und Dandy Charles Swann (Jeremy Irons), der sich in der gehobenen Pariser Gesellschaft bewegt, verschwendet auf Verhältnisse zu weiblichen Wesen offensichtlich wenig Emotionalität, was sich auch zunächst nicht ändert, als er sich der aparten, schillernden und amourös orientierten Odette de Crécy (Ornella Muti) nähert und aus einer Laune heraus eine Verabredung mit ihr trifft. Es scheint, als nehme er sie als Wesen, als Frau und als verheißungsvolle Verführung seiner Sinne nur spöttisch wahr, unangenehm berührt: Gar körperlich zuwider sei sie ihm anfangs gewesen, notiert er im melancholischen Rückblick in sein Schreibheft, als sei dies eine Warnung vor dem unentrinnbaren Abgrund gewesen, in den er sich schließlich sehenden Auges begibt. Denn die anfängliche Abneigung entwickelt sich zu einer rasenden Passion, die um jeden Preis absolut besitzen will, was allenfalls temporär zu haben ist. Doch es ist keine verrückte Liebe der gewöhnlichen Art, die ihn so sehr an diese leichtlebige Frau bindet, sondern geradezu eine artifizielle, abhängige und ambivalente Anbetung, die alle Territorien seines Daseins beherrscht und aus der es letztlich kein gelungenes Entrinnen mehr geben kann.

Die Zeitspanne, die Eine Liebe von Swann erzählt, umfasst nur einen einzigen Tag, und doch bannt sie das existentielle Tosen eines ganzen Lebens vor dem Szenario der Komplexität der distinguierten französischen Adelsgesellschaft. Noch ist das Ende des 19. Jahrhunderts nicht in Sicht, doch es droht und lockt gleichermaßen aus der Ferne, als wäre es mit einer der permanent präsenten Kutschen erreichbar, die eine fortlaufende, externe Bewegung repräsentieren, während sich das Innenleben zunehmend erstarrt ereignet, unbeweglich in Gefangenheit, Pathos und Selbstaufgabe. Und diese ebenso atmosphärischen wie verzweifelten Emotionen fängt der Licht-Magier unter den Kameramännern, der vor zwei Jahren verstorbene Schwede Sven Nykvist, mit einer Gelassenheit ein, als hätte er tatsächlich ein ganzes Leben lang Zeit, um die unauslotbaren Qualen sowie das verhängnisvoll leichte Amüsement desselben in den Minen seiner Protagonisten aufzuspüren.

Prachtvolle Kostüme und eine sorgfältige, hinreißende Ausstattung – beide Kategorien wurden 1985 mit dem César ausgezeichnet – bilden einen blendenden Kontrast zur inneren Zerrissenheit des Dandys, der möglicherweise stärker an sich selbst krankt als an der einseitigen, stilisierten Vernarrtheit in eine mitunter grausam unabhängige Frauenfigur, für welche dieser signifikante Tag mit einem unbestimmten Lächeln zu Ende geht. Es sind die psychologisch-literarischen Details und die geschlossenen, extremen Charaktere – Alain Delon brilliert als Baron de Charlus und Anne Bennent als unbarmherzige Chloe –, die Eine Liebe von Swann trotz des beinahe waghalsigen Unterfangens, einen einzigen Tag aus dem Monumentalwerk des 20. Jahrhunderts schlechthin zu verfilmen, einen gelungenen Film entstehen lassen, der allerdings insgesamt doch recht fragmentarisch anmutet und eher isolierte Stimmungen transportiert als eine konsistente Geschichte – diese aber beeindrucken, und zwar ebenso zwiespältig wie die Empfindungen der verlorenen Männergestalt, für die Jeremy Irons offenbar genau die passenden, leidenden Blicke besitzt, die so viel versprechen, dass es geradezu unerträglich ist.

Eine Liebe von Swann

Der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff, Experte für gelungene Literaturverfilmungen, hat mit Eine Liebe von Swann / Un amour de Swann eine heftige Geschichte um den klassischen Stoff der Eifersucht und Liebe in Szene gesetzt.
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