Dreiviertelmond

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Taxi zum Neuanfang

Es ist schön zu sehen, wie sich Schauspieler, die eigentlich schon die Rente einreichen könnten, neu erfinden. In Kirschblüten — Hanami von Doris Dörrie spielte Elmar Wepper auf beeindruckende Weise gegen sein Serien-Image an. Nun setzt er seiner späten Karriere als Charakterdarsteller ein neues Glanzlicht auf – als knorriger Taxifahrer in einer schwungvollen Tragikomödie über eine ungewöhnliche Freundschaft.
Anders als in Kirschblüten — Hanami zeigt sich der jüngere Bruder von Fritz Wepper erst einmal nicht von seiner sanften Seite. Sein Taxifahrer Hartmut Mackowiak ist auf den ersten Blick ein harter Hund der fränkischen Sorte: wortkarg, unfreundlich, verbittert, latent aggressiv und ziemlich ausländerfeindlich. Ausgerechnet er, der nach 30 Jahren Ehe von seiner Frau verlassen wird, hat plötzlich die sechsjährige Türkin Hayat (Mercan Türkoglu) an der Backe. Das Mädchen spricht kaum ein Wort Deutsch und klammert sich an den einzigen Menschen, der ihr helfen kann, nachdem ihre Mutter auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet und die Oma ins Koma gefallen ist. Natürlich will Hartmut die Kleine mit allen Mitteln loswerden. Doch dabei hat er weder mit dem fremden Sturkopf noch mit seiner eigenen Empfindsamkeit gerechnet.

Gewiss lauern in einer solchen Story jede Menge Kitschfallen. Regisseur Christian Zübert (Lammbock) umgeht sie mit einer paradoxen Mischung aus Überzeichnung und Genauigkeit. Immer nah am Klischee, überzeugen die Charaktere durch ihre Realitätsnähe. Zübert und seine Ehefrau Ipek, die für die Idee des Films mitverantwortlich zeichnet, kennen die Kulturen, die hier aufeinanderprallen, sehr gut. Schließlich wuchs der Regisseur und Drehbuchautor im fränkischen Würzburg auf (der Film spielt in Nürnberg) und seine Frau stammt aus der Türkei. Zum realistischen Hintergrund der schwungvoll und komödiantisch erzählten Geschichte zählt außerdem, dass sie aktuelle gesellschaftliche Veränderungen aufgreift. Noch vor Kurzem wäre es wohl undenkbar gewesen, dass eine türkische Mutter ihr Kind allein erzieht. Und die deutsche Kriegsgeneration wäre wohl nicht auf die Idee gekommen, sich nach 30 Ehejahren noch zu trennen.

Auch Hartmut findet diese Vorstellung so absurd wie das ganze andere neumodische Zeugs, angefangen bei Bio-Kost, Schuh-Cafés oder Tai Chi, das bei ihm „Ho Chi Minh“ heißt. Aber Dreiviertelmond macht sich nicht lustig über den aus der Zeit Gefallenen, auch wenn die detailgenaue Ausstattung eine Menge entlarvender Gegenstände bereithält. Etwa wenn sich im Kofferraum des Taxis eine akkurat angebrachte Küchenrolle zeigt, allzeit griffbereit für jedwede Verunreinigung der blitzblank gewienerten Ledersitze. So etwas registriert die Kamera mit einem Blick, der zugleich respektvoll bleibt und die Chance zur Veränderung irgendwie ahnen lässt.

Die ergreift Elmar Weppers Figur dann auch, mit einer Weichheit und Verletzlichkeit, die an den Rudi aus den Kirschblüten erinnert. Dennoch wiederholt sich Wepper nicht. Das eigentlich Neue und Faszinierende an seinem Hartmut sind die extremen Widersprüche, die der Hauptdarsteller mühelos in ein und derselben Figur unterbringt. Und die Glaubwürdigkeit, mit der er eine Wandlung verkörpert, die an eine komplette Neuerfindung grenzt. Das ist vielleicht nicht realistisch. Aber schön.

Dreiviertelmond

Es ist schön zu sehen, wie sich Schauspieler, die eigentlich schon die Rente einreichen könnten, neu erfinden. In „Kirschblüten — Hanami“ von Doris Dörrie spielte Elmar Wepper auf beeindruckende Weise gegen sein Serien-Image an. Nun setzt er seiner späten Karriere als Charakterdarsteller ein neues Glanzlicht auf – als knorriger Taxifahrer in einer schwungvollen Tragikomödie über eine ungewöhnliche Freundschaft.
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Meinungen

Olaf Mertens · 25.11.2011

"[...]auch wenn die detailgenaue Ausstattung eine Menge entlarvender Gegenstände bereithält. Etwa wenn sich im Kofferraum des Taxis eine akkurat angebrachte Küchenrolle zeigt, allzeit griffbereit für jedwede Verunreinigung der blitzblank gewienerten Ledersitze. "
Ich möchte den Autor dieser Filmkritik (in der ich ansonsten alles unterschreiben würde) gerne mal erleben, wenn er seinen Hintern auf eine Taxirückbank und in die Reste des Döners vom Fahrgast vor ihm schwingt...
Wenn diese Küchenrolle etwas "entlarvt", dann die Tatsache, dass der Mann seinen Taxiberuf ordentlich ausführt.

Claudia · 05.11.2011

Super schöner, kurzweiliger Film. Nichts für Menschen die auf Action und Blutvergießen stehen - sondern für Menschen, die in der realen Welt leben. So etwas könnte wirklich passieren. Schön, dass der Film so viel "Echtes" rüber bringt.

Gerda F. · 04.11.2011

Ein wunderschöner Film - zum "immer wieder Anschauen".

Helga L. · 02.11.2011

Wunderbar und berührend! Mit Tiefgang,aber auch mit Humor und Situationskomik.Die beiden Hauptrollen spitzenmäßig besetzt.
Sehr empfehlenswert!

dick meijer · 31.10.2011

toll tolll tollll tollllllll !!!!!!!!!!! so ein film muste öfter kommen, und nicht immer die ballerei !!! OK?

Ina · 28.10.2011

Sehr schöner Film, mnanchmal sehr traurig, aber auch oft zum Brüllen komisch.
Elmar Wepper und das kleine Mädchen waren toll in ihren Rollen.

Movidora · 23.10.2011

Superfilm! Schön,dass ein deutscher Film zu diesem Thema uns ins Kino bringt.