Die Poesie des Unendlichen

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Mathematik kann emotional sein

Manche Namen der Weltgeschichte kennt jeder, viele andere sind der Vergessenheit anheimgefallen – zumindest größtenteils. In ihrem jeweiligen Feld sind diese Namen aber Titanen. Männer wie Srinivasa Ramanujan, der sich Mathematik selbst beibrachte, aber ein solches Genie in seinem Bereich war, dass manche gar meinen, er wäre einer der wenigen Menschen gewesen, die in der Lage waren, die Struktur des Seins selbst zu entziffern. „Der Mann, der die Unendlichkeit kannte“ – so die wörtliche Übersetzung des Titels – wird dieser Einschätzung gerecht, der deutsche Titel Die Poesie des Unendlichen ist aber noch weit prägnanter.
Indien im Jahr 1913: In der britischen Kolonie arbeitet der 25-jährige Srinivasa (Dev Patel) als Büroangestellter. Doch seine Begabung liegt woanders: Er ist ein mathematisches Genie, dem jedoch alle Wege versperrt werden. Deshalb wendet er sich an den britischen Mathematikprofessor G.H. Hardy (Jeremy Irons), der Srinivasa als ein Talent mit unkonventionellen Ideen erkennt und den jungen Mann allen Widerständen zum Trotz nach Cambridge bringt. Srinivasa lässt alles hinter sich, um seiner Leidenschaft für Zahlen zu folgen. Er entwickelt Theorien zu Formeln, die die Mathematik verändern und noch heute nachwirken. Aber der weitaus größere Kampf steht ihm bevor – der um Anerkennung.

Srinivasa Ramanujan entwickelte Thesen, die auf seiner Intuition beruhten. Er hatte oftmals keine Beweise, keine Pfade, die zu seiner Erkenntnis führten – etwas, bei dem ihn sein Mentor G.H. Hardy, ein nicht minder zurückgezogen lebender Mann, des Öfteren herausforderte. Das sind mitunter die stärksten Momente dieses Films, der ein wenig an The Imitation Game erinnert. Nicht nur, weil es in beiden Fällen um mathematische Genies geht, sondern auch, weil die Arbeit beider Männer – Alan Turing auf der einen, Srinivasa Ramanujan auf der anderen Seite – auch heute noch alles durchdringt. Der moderne Computer wäre ohne sie nicht denkbar.

Es ist ein faszinierendes, zutiefst befriedigendes Werk, das emotional in jeder Beziehung punkten kann. Es leidet letztlich nur darunter, dass sich die Geschichte mehr auf die Widerstände konzentriert, mit denen sich das Mathematik-Genie auseinandersetzen musste – seien es die Fernbeziehung zu seiner Frau oder die offen rassistischen Widerstände, denen er sich in Cambridge ausgesetzt sah. Gerade letzteres wirkt in der Konzentration fast schon etwas aufgesetzt, obwohl man im Grunde keinen Zweifel daran hegt, dass die weiße Oberschicht des stocksteifen Englands einem indischen Mann aus den Kolonien so begegnet ist. Dennoch wäre es beeindruckender gewesen, wenn der Film Ramanujans Talent in den Mittelpunkt stellt – auch wenn er damit riskiert hätte, einen Teil des Publikums zu verlieren.

So bleibt Die Poesie des Unendlichen eine packende, filmische Biographie, die einem Mann den Tribut zollt, den man ihm im Leben zu oft verwehrt hat.

Die Poesie des Unendlichen

Manche Namen der Weltgeschichte kennt jeder, viele andere sind der Vergessenheit anheimgefallen – zumindest größtenteils. In ihrem jeweiligen Feld sind diese Namen aber Titanen. Männer wie Srinivasa Ramanujan, der sich Mathematik selbst beibrachte, aber ein solches Genie in seinem Bereich war, dass manche gar meinen, er wäre einer der wenigen Menschen gewesen, die in der Lage waren, die Struktur des Seins selbst zu entziffern.
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