Die fantastische Welt von Oz

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Ein Märchen über Schein und Sein

Die Geschichte des geheimnisvollen Zauberers von Oz verzaubert Kinder seit über hundert Jahren und wurde von Victor Fleming 1939 bereits in ein filmisches Meisterwerk übersetzt. Mit Die fantastische Welt von Oz präsentiert Sam Raimi keinen lauwarmen Aufguss derselben Story, sondern beantwortet die bislang ungeklärte Frage, wie der Hochstapler Oz eigentlich König eines ganzen Fantasiereiches werden konnte.
Oscar Diggs (James Franco) ist nicht nur ein durchschnittlich begabter Zirkusmagier, sondern vor allem ein Frauenheld. Aufrichtigkeit ist nicht unbedingt seine Stärke und das Ziel, einmal ein ganz Großer zu werden, hat stets oberste Priorität, der Freundschaften und gar Liebesbeziehungen zum Opfer fallen. Doch Oscars Leben ändert sich schlagartig, als er durch einen Wirbelsturm in das ferne Land Oz gelangt und für die Erfüllung einer Prophezeiung gehalten wird. In Anbetracht der attraktiven Hexen (Mila Kunis, Rachel Weisz, Michelle Williams), die sich um ihn scharen, und der in Aussicht gestellten Reichtümer, behält Oscar es zunächst für sich, dass er gar keine magischen Kräfte besitzt. Doch nach und nach begreift er, dass ganz Oz in großer Gefahr ist. Kann der durchtriebene Hochstapler ein besserer Mensch werden und das Land hinter dem Regenbogen von den bösen Hexen befreien?

Sam Raimis Films beginnt im 4:3 Format und dem Ursprung des rechteckig erscheinenden Bildausschnitts entsprechend in schwarz-weiß. So richtig mag es dem Film jedoch nicht gelingen, den Zuschauer in die Anfänge des Kinos zurückzuversetzen. Spätestens wenn ein Feuerkünstler Flammen über den Rand des Frames hinaus ins Publikum speit, wird klar, dass Raimi seine Anspielung bewusst unglaubwürdig inszeniert. Damit wird nicht nur das Thema der „Imitation“ auf stilistischer Ebene eingeführt, sondern auch ein wunderbarer Kontrast zu den bunt schillernden Cinemascope-Bildern geschaffen, die mit Oscars Ankunft in Oz das Anfangsformat ablösen. Aber auch Oz wirkt zu keinem Zeitpunkt wie ein „echter“ Ort. Die Kulissen bleiben als solche anhaltend erkennbar, dem Zuschauer wird die filmische Illusion permanent vor Augen geführt. So entsteht auch ein starker Bezug zu dem gänzlich ohne Computeranimationen inszenierten Der Zauberer von Oz aus dem Jahr 1939, dessen Kulissen für unsere heutigen Sehgewohnheiten ebenfalls wenig überzeugend wirken. Selbstverständlich kommen in der Neuauflage der Geschichte einzelne Elemente aus dem PC – so zum Beispiel der fliegende Affe Finley (im Original gesprochen von Zach Braff) oder das Porzellanmädchen. Die Hintergründe jedoch sind nicht nur durch den Green Screen, sondern zu großen Teilen auch durch aufwendig gestaltete Setbauten entstanden.

Auch auf der inhaltlichen Ebene geht es um Imitation. Oscar Diggs spielt den Magier in der realen Welt ebenso wie im Fantasiereich von Oz. Er ist purer Schein, auch abseits der Bühne. Seine Triebfeder ist eine egoistische Sehnsucht nach immer größerem Ruhm, weshalb ihm das Amt des Königs gerade recht kommt. Dass damit auch Verantwortung verbunden ist, blendet Oscar zunächst aus. Doch auch die anderen Figuren spielen im Grunde lediglich Rollen, manche mehr, manche weniger offensichtlich. Denn bis auf den Zauberer selbst finden sich in Die fantastische Welt von Oz statt differenzierter Charaktere vor allem Typen. Die gute Hexe Glinda (Michelle Williams) ist in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit ebenso einseitig wie die böse Hexe Evanora (Rachel Weisz). Und auch die Charakterentwicklung von Oz und der zunächst gutmütigen und schließlich diabolischen Hexe Theodora (Mila Kunis) wirken sehr konstruiert. Gleichzeitig ist Die fantastische Welt von Oz aber auch kein klassisches Märchen, in dem sich diese formalhaften Figuren verschmerzen ließen, sondern auf Grund seiner erwachsenen Hauptfigur eher ein Film für ein älteres Publikum. Die Figuren sind aber auch dann zu eindimensional, James Franco in seiner Rolle viel zu unsympathisch, um zur Identifikation einzuladen.

Die Künstlichkeit auf stilistischer, dramaturgischer und inhaltlicher Ebene erschwert es, zu der Geschichte und ihren Figuren in Beziehung zu treten. Vermutlich ist Die fantastische Welt von Oz aber kein Film, von dem der Zuschauer mit allen Sinnen aufgesaugt werden soll, sondern der vielmehr einen kritischen Prozess in Gang setzen möchte. Das Drehbuch von Lisa Addario und Joe Syracuse entbehrt ganz und gar die heile Welt Moral des Kinderbuchs von Lyman Frank Baum. Oscar Diggs Charakterwende ist zu unglaubwürdig, zu konstruiert, um als Botschaft vom Glauben an das Gute gewertet zu werden. Indem der Film sich permanent selbst unterläuft, wirkt er stellenweise gar wie seine eigene Karikatur.

Fans des Mainstream-Kinos könnten die Ecken und Kanten des Konzepts irritieren, auch wenn das gelungene Spiel mit der 3D-Technik durchaus zur Unterhaltung beiträgt. Wer Die fantastische Welt von Oz jedoch nicht nur konsumieren, sondern auch durchdenken möchte, entdeckt unter Umständen eine Geschichte über den Unterschied zwischen Schein und Sein, die sogar eine auf das Kino bezogene Metaebene darstellen könnte. Ob ein solcher Subtext einen guten Film ausmacht, ist freilich eine andere Frage.

Die fantastische Welt von Oz

Die Geschichte des geheimnisvollen Zauberers von Oz verzaubert Kinder seit über hundert Jahren und wurde von Victor Fleming 1939 bereits in ein filmisches Meisterwerk übersetzt. Mit „Die fantastische Welt von Oz“ präsentiert Sam Raimi keinen lauwarmen Aufguss derselben Story, sondern beantwortet auch die bislang ungeklärte Frage, wie der Hochstapler Oz eigentlich König eines ganzen Fantasiereiches werden konnte.
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Meinungen

Michael Singer · 29.03.2013

Sie sollten weiterhin ihre Literatur kritisieren, aber keine Filme von denen sie nichts verstehen. Blödes Geschwafel. Der Film ist von technischer Seite her einer der aufwendigsten Digitalfilm Produktionen aller Zeiten. Das zeigt sich an der Detailverliebtheit in jedem einzelnen Bild. Alleine das macht ihn sehenswert. Inhaltlich ist es so, dass ein einfacher Hochstapler seine wahre Berufung und Aufgabe in der Welt, in seiner grössten Schwäche erkennt. Nämlich zu täuschen, zu betrügen und eine Show abzuliefern die die Menschen mitreisst. Das ist wahrlich eine Botschaft mit tiefem Sinn. Jeder von uns hat eine grosse Schwäche. Manche müssen erst einmal richtig scheitern um den Mut zu haben, sich selbst zu entdecken und mit neuer Kraft und Erkenntnis aus der Tiefe empor zu steigen. Tatsächlich ist Oscar in der "richtigen Welt" auf allen Ebenen gescheitert. Nicht nur dass er nicht zaubern kann, er macht auch noch andere Menschen ziemlich unglücklich mit einer Begabung, die ihm eigentlich am Herzen liegen würde. In Oz bekommt er dann eine riesengrosse Chance, die er aber nicht erkennen kann, weil ihm das Selbstbewusstsein fehlt, mit seinem geliebten Kunsthandwerk etwas besonderes bewirken zu können. Ist es nicht so manchem von uns auch einmal so ergangen? Davon handelt der Film. Und damit hat der Film Tiefgang. Dieser Tiefgang macht diesen Film zusätzlich einzigartig. Dass der Film keine Identifikationsgrundlage bietet, ist Blödsinn. Der Unterhaltungswert kommt ausserdem nicht zu kurz. Ein Film der Generationen übergreifend für Stimmung sorgen dürfte.

Laura · 25.03.2013

Ich habe den Film zwar noch nicht gesehen, klingt aber sehr spanndend. Guck ihn mir Morgen an.! :)