Die Erfindung der Liebe

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Unwägbarkeiten des Lebens, Sterbens und Filmemachens

Maria Kwiatkowsky verstarb im Juli 2011 im Alter von 26 Jahren. Sie steckte mitten in den Dreharbeiten zum Film Die Erfindung der Liebe, den Regisseurin Lola Randl (Die Libelle und das Nashorn) jetzt auf sehr raffinierte, kluge und witzige Weise vollendet hat.

Zu Anfang sprechen die Schauspieler über den tragischen Tod der Hauptdarstellerin, wie sie davon erfahren haben, dass und warum die Dreharbeiten abgebrochen werden mussten, sie drücken ihre Trauer aus um die Kollegin und den Film. Der dann weitergeht, mit der Beerdigung einer Schauspielerin, ein gefühlsintensiver Moment – während ein völlig dilettantischer Musikant zu albernen Keyboard-Akkorden mit dünner Stimme schräg und schief singt. Das bestimmt den Ton des Filmes: Der einerseits Hommage ist an eine hoffnungsvolle, vielfach ausgezeichnete Jungschauspielerin, und andererseits albernes Film-im-Film-Spiel; der einerseits die Geschichte des ursprünglich geplanten Filmes erzählt, andererseits von dem Loch, in dem der Film steckte, drittens aber auch und vor allem von den Eitelkeiten, den Lächerlichkeiten und den Unwägbarkeiten des Filmemachens.

Denn Maria Kwiatkowsky, wie sie in diesem Film vorkommt, ist eine fiktive Person. Die Schauspieler, die in diesem Film vorkommen, sind fiktive Personen. Sie alle spielen in einem fiktiven Film mit namens Die Erfindung der Liebe, inszeniert von einer fiktiven Regisseurin. Der Tod, der Drehabbruch, die Trauer werden ins Fiktionale verschoben, werden aufgenommen in die Erzählung, bis die innerfiktionalen Grenzen sich verschieben, auflösen, bis Film, Film-im-Film und realer Film ineinander übergehen.

Das ist eine, und nicht die schlechteste, Möglichkeit, damit umzugehen, dass ein Film wegen des Todes eines Beteiligten abgebrochen werden muss: Nicht nachdrehen, nicht herausschneiden, sondern: weitermachen. Immer weiterdrehen, mit größtmöglicher Selbstreflexion und Selbstironie.

Die fiktive Kwiatkowsky bei den fiktiven Dreharbeiten wird durch die fiktive Praktikantin ersetzt, die nicht spielen kann, aber immerhin ihren Text auswendig kennt. Die Regisseurin hat was mit dem Hauptdarsteller, der Drehbuchautor dreht durch, weil er umschreiben muss, die Darsteller reagieren von genervt bis gleichgültig. Die Geschichte soll von einem jungen Pärchen handeln, arm, aber agil, das eine reiche, todkranke Firmeninhaberin um ihr Vermögen bringen will – sie, die ursprünglich von Kwiatkowsky gespielt wurde, hat die Idee, dass er (Bastian Trost) die Millionärin (Sunnyi Melles), dazu bringen soll, sich in ihn zu verlieben. Hindernisse sind deren Eltern (Mario Adorf und Irm Herrmann) sowie ihr Arzt, der in sie verknallt ist (Samuel Finzi). Während der Gärtner reichlich unbeteiligt zuschaut.
Nun wurde leider kaum etwas von der Liebesgeschichte Kwiatkowsky-Trost gedreht; nur die Handlung im Millionärshaus war im Kasten beim realen Abbruch. Weshalb nach dem fiktiven Abbruch noch eine Menge Romantik nachgeschoben wird, zwischen der Praktikantin und Bastian Trost – und zwar sowohl, was die von ihnen gespielten Figuren angeht, als auch sie selbst, in ihrer fiktiven Gestalt. Denn die Liebeleien im Filmteam nehmen enorme Formen an, und das ist ein gefundenes Fressen für den Drehbuchautor (Sebastian Weber). Der seinerseits die Regisseurin (Mira Partecke) umschwärmt; und da er auch sich selbst in das Drehbuch hineinschreibt, kann er sich ein paar romantische Szenen gönnen…

Kompliziert? Beim Sehen gar nicht. Vielmehr hochkomisch, die Verwicklungen und Verdrehungen zwischen fiktiver Realität und fiktiver Fiktion, vermengt natürlich immer mit der tatsächlichen Wirklichkeit der verstorbenen Darstellerin, mit der Die Erfindung der Liebe umzugehen hat.

Tatsächlich reiht sich der Film ein in die deutschen Werke der letzten Jahre, die das Filmemachen im Blick haben, von Andreas Dresens Whisky mit Wodka bis Aron Lehmanns Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel, um wiederum einen neuen Drall, einen neuen Touch reinzubringen. Einen spezifischen selbstbezogenen Humor auch, der den Film zu einem besonderen Vergnügen macht. So dass gegen Ende eine lange Film im Film-Sequenz, die sehr viel vom ursprünglichen Material verwendet und wenig Verdrehung und Verschwurbelung mit den filminternen Realitätsebenen, tatsächlich etwas langatmig erscheint. Bis dann doch wieder alles drunter und drüber geht.
 

Die Erfindung der Liebe

Maria Kwiatkowsky verstarb im Juli 2011 im Alter von 26 Jahren. Sie steckte mitten in den Dreharbeiten zum Film „Die Erfindung der Liebe“, den Regisseurin Lola Randl („Die Libelle und das Nashorn“) jetzt auf sehr raffinierte, kluge und witzige Weise vollendet hat.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Jan · 08.04.2014

Wirklich ein toller Film!