Der Biber

Eine Filmkritik von Sebastian Wotschke

Die tragikomische Spaltung des Geistes

Der Fall des einstigen Superstars Mel Gibson ist in seiner Intensität kaum mit anderen Abstürzen anderer Großmimen zu vergleichen. Konnte der Schauspieler und Regisseur noch vor einigen Jahren nur mit der Erwähnung seines Namens unzählige Millionen an den Kinokassen einspielen, wendet sich das Publikum heute von dem skandalträchtigen „Mad Mel“ konsequent ab. So etwa bei seinem ersten Comebackversuch Auftrag Rache, der seine Entstehungskosten bei der Kinoauswertung nicht wieder einspielen konnte. Frühere Kollegen kehren ihm den Rücken zu und können gar nicht oft genug in der Öffentlichkeit preisgeben, mit Gibson nicht zusammenarbeiten zu wollen. Da ist es hilfreich gute Freunde wie Jodie Foster zu haben, die ihn aus seinem tiefen Loch herauszieht und mit der Hauptrolle ihres neuen Films Der Biber die Chance gibt zu zeigen, dass mehr in Mel Gibson steckt, als ein aggressiver und konservativer Trunkenbold.
Walter Black (Mel Gibson) sollte eigentlich überglücklich sein. Er ist Ehemann und Vater zweier Söhne, sowie der Leiter einer erfolgreichen Spielzeugfirma. Doch Walter leidet an schweren Depressionen. Keine Therapie, keine Medikamente, und auch nicht seine liebevolle Ehefrau Meredith (Jodie Foster) können ihm helfen. Doch plötzlich, nach einem gescheiterten Selbstmordversuch, spricht eine Biber-Handpuppe zu ihm und versucht, seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Die Puppe für sich sprechen lassend, findet er erneut Gefallen an seinem Beruf und auch mit der Familie, die zunächst skeptisch auf ihn und den Biber reagiert, verbringt er wieder wunderschöne Stunden. Doch je stärker der Biber eine eigene Persönlichkeit entwickelt, desto mehr verliert Walter seine eigene und eine absehbare Katastrophe scheint unausweichlich…

War das Debüt-Drehbuch des Autors Kyle Killen zunächst sehr umworben worden, hatte es der fertige Film deutlich schwerer, und wurde immer wieder verschoben und schon im Vorfeld auf Grund Mel Gibsons Eskapaden von allen Seiten verrissen. Von der Premiere beim South by Southwest Film Festival bat man Gibson daher auch lieber Abstand zu nehmen. Doch das Publikum zeigte sich Berichten zufolge begeistert über seine Darstellung. Gibson, für seine verschmitzten Lausbubenrollen bekannt, schafft es, die nötige Komik in seine Rolle zu bringen, ohne ins Alberne abzudriften, was bei einem Spiel mit einer Biber-Handpuppe wahrlich kein leichtes Unterfangen ist. Doch Der Biber ist keine reine Komödie, wie man sie anhand des Inhalts vielleicht von Filmemachern vom Schlag der Farrelly-Brüder erwarten würde. Ohne Blödeleien bleibt der Film realitätsnah und bodenständig und veranschaulicht den Zuschauer die Psyche eines zerrissenen Mannes. Der Humor ist leise und nur in der ersten Filmhälfte wirklich präsent. Dann folgt das, was der Schauspieler Mel Gibson selbst nur allzu gut kennt – der gnadenlose Absturz.

Zu perfekt schafft es der Protagonist mit Hilfe des Bibers mit dem Leben wieder eins zu sein, so dass eine kommende Katastrophe unabdingbar scheint. Bedrückend sind die Szenen, wenn Walter Black nicht mehr in der Lage ist, ohne den Biber mit seiner Umwelt zu interagieren. Als Zuschauer leidet man regelrecht mit ihm, was vor allem an Gibsons bewegender Darstellung des Mannes liegt.

Die Spaltung der Persönlichkeit ist im Kinoein sehr beliebtes Thema voller überraschender Wendungen und unzähliger dramaturgischer Möglichkeiten — ob als Psycho-Thriller wie in Fight Club, oder komödiantisch wie in dem ähnlich gelagerten Mein Freund Harvey. Doch driftet Der Biber nie ins Surreale ab. Die Inszenierung ist kühl und bodenständig. Losgelöst ist der Biber nur in sehr wenigen Nahaufnahmen zu sehen. Der Film bleibt ein Familiendrama und bewegt sich damit innerhalb eines Genres, mit dem sich Jodie Foster auf Grund ihrer ersten beiden Filme Das Wunderkind Tate und Familienfest und andere Schwierigkeiten bestens auskennt. 15 Jahre hat Foster gewartet, bis sie wieder Regie führt, einen besseren Stoff hätte sie sich dafür kaum aussuchen können. Die weibliche Hauptrolle übernahm sie gleich mit und schafft es gleichberechtigt neben Gibson den Film zu tragen. Die Chemie zwischen den beiden, welche sich bei ihren gemeinsamen Dreharbeiten zu Maverick kennen lernten, stimmt zu jeder Minute.

In einem Nebenplot wird die angehende Romanze zwischen Walters älterem Sohn Porter (Anton Yelchin), der nichts von seinem Vater hält, und der Cheerleaderin Norah (Jennifer Lawrence) behandelt. Auch wenn die beiden Jungschauspieler (Lawrence konnte durch ihre Oscar-Nominierung für Winter’s Bone auf sich aufmerksam machen) in ihren Rollen überzeugen, dürfte einigen Zuschauern die Geschichte etwas zu viel Zeit in Anspruch nehmen und die Verbindungen zum Hauptstrang an manchen Stellen auch zu konstruiert wirken. Vielleicht hat man sich mit der Mischung aus Drama, Komödie, Coming-of-Age-Film (Nebenplot) und sogar einem Hauch Thriller an manchen Stellen etwas zu viel vorgenommen. Auch dürfte es Diskussionsbedarf geben, ob die zum Ende hin präsentierte Lösung des Konflikts nicht zu extrem ist. Alles in allem aber ist Der Biber eine sehr unterhaltsame und emotionale Achterbahnfahrt, mit leiser Komik, bewegender Tragik und vor allem (endlich wieder) einem überzeugend agierenden Mel Gibson.

Der Biber

Der Fall des einstigen Superstars Mel Gibson ist in seiner Intensität kaum mit anderen Abstürzen anderer Großmimen zu vergleichen. Konnte der Schauspieler und Regisseur noch vor einigen Jahren nur mit der Erwähnung seines Namens unzählige Millionen an den Kinokassen einspielen, wendet sich das Publikum heute von dem skandalträchtigen „Mad Mel“ konsequent ab.
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Meinungen

indian summer · 13.06.2011

Also Mel Gibson spielt hier tatsächlich großartig, für mich oscar-würdig! :-)
Die Psychostudie eines Depressiven und seiner Angehörigen, die ja auch an den Auswirkungen seiner Krankheit zu tragen und zu leiden haben ist Jodie Foster als Regisseurin sehr gut gelungen. Die "Lösung" kommt auch überraschend, wäre vorher zumindest nicht darauf gekommen. Gut, der Plot mit dem Sohn und seiner Romanze an der Schule nimmt schon einen großen Platz ein, aber ist ok.
Alles in allem ein empfehlenswerter Film, wobei ich FSK: 6 doch zu niedrig halte, also mit 6 - 8 jährigen Kindern würde ich jetzt nicht in den Film gehen, der ist dann doch zu heftig und anspruchsvoll für kleinere Kinder.

Danijel · 10.06.2011

Jasmin zeigt mit ihrem Kommentar, dass sie viel über das Leben und die Menschen weiß. Bravo Jasmin!

Mel Gibson wird doch nur fertig gemacht- und das wissen wir doch alle - weil er nicht ins vorgefasste Denkmuster passt: Ein Star, reich und gutaussehend, der tatsächlich an Gott glaubt. Schlimmer noch: Er ist praktizierender Katholik. Das verzeiht man ihm nicht! Ich sage, dass Gibson ein ganz Großer ist!

Jasmin · 05.06.2011

Was ist schlimm daran, wenn ein Superstar abstürzt? Auch Stars sind nur Menschen. Abgestürzte Menschen sind mir lieber als die perfekt agierenden Stars, die eine Fassade aufrecht halten, die man ihnen nicht abnimmt. Perfektion ist gruselig, und ich frage mich ständig, wann bei denen der Aussetzer kommt oder Krebs ausbricht. Mel Gibson ist mir nach seinem Absturz jetzt erst richtig sympathisch geworden. Es sind die Schwächen, die uns menschlich machen.

frank · 31.05.2011

Mel Gibson als "konservativ" zu bezeichnen, ist m E mehr als verharmlosend.