Der andere Liebhaber (2017)

Einblicke, Spiegelungen und Dopplungen

Es gibt Filme, die durchaus dazu führen können, dass vertraute Begriffe fortan in einem neuen Kontext erscheinen. François Ozons neues Werk L’amant double (deutscher Titel: Der andere Liebhaber) ist so ein Fall, denn was der Regisseur zu Beginn seines Films als erstes Bild präsentiert, könnte die Assoziationskette von Filmkritikern bei dem terminus technicus „Opening Shot“ künftig in eine andere Richtung verschieben: Die Kamera zoomt zurück aus einer durch ein gynäkologisches Instrument gespreizten Vagina und wagt dann noch einen kühnen Schnitt auf ein Auge, bevor sich die Geschichte entfaltet.

Chloé (Marine Vacth) ist eine junge Frau, die seit längerem unter rätselhaften Leibschmerzen leidet. Weil alle Untersuchungen, auch die zu Beginn des Films, keinerlei Ergebnisse bringen, wird ihr angeraten, doch mal zu einem Psychologen zu gehen, da die Ursachen möglicherweise nicht-körperlicher Natur seien. Also sucht sie Paul Meyer (Jérémie Renier) auf. Nach einigen Sitzungen geht es ihr besser, weil sie sich zum ersten Mal verstanden und weniger einsam fühlt, und sie beginnt, mit dem Psychologen zu flirten. Auch Meyer entwickelt Gefühle für seine Patientin, ist aber professionell genug, die Behandlung abzubrechen und stattdessen eine Beziehung mit Chloé einzugehen. Da die Symptome nunmehr kaum mehr auftreten, steht einer glücklichen gemeinsamen Zukunft nichts mehr im Weg, sollte man meinen. Dann aber entdeckt Chloé beim Verräumen der persönlichen Sachen einen annullierten Ausweis ihres Partners, auf dem ein anderer Name steht. Und nun ist sie es in einer Umkehrung der ursprünglichen therapeutischen Situation, die unbedingt hinter die Gründe für seinen Namenswechsel kommen möchte. Der versucht, die ganze Angelegenheit herunterzuspielen, doch Chloé lässt nicht locker und findet schließlich durch einen Zufall heraus, dass Paul einen Zwillingsbruder hat, den er so sehr aus seinem Leben verdrängt hat, dass er dessen Existenz schlichtweg negiert. Und mehr noch: Auch der Bruder praktiziert als Psychologe, gleichwohl mit einem ganz anderen Charisma und einem differierenden therapeutischen Instrumentarium ausgestattet. Fasziniert vom arrogant-herablassenden Auftreten von Louis beginnt Chloé Therapiesitzungen bei ihm, ohne zu enthüllen, dass sie das Verbindungsglied zu Louis’ Bruder ist. Und schnell wird aus der therapeutischen Beziehung eine leidenschaftliche sexuelle Affäre. die schließlich alles ins Rollen bringt …

L’amant double ist ein raffinierter erotisch-psychologischer Thriller, der sich trotz seiner eindeutigen Verortung in der Gegenwart anfühlt, als sei er in Wirklich viel älter. Das mag gewiss an den sichtbaren Vorbildern Ozons liegen, die der Regisseur lustvoll zitiert, aber niemals plump plagiiert. Unwillkürlich kommt einem Hitchcock in den Sinn, aber auch französische Thriller der 1980er und 1990er Jahre und vor allem zwei weitere Referenzen, die ein Kollege treffend auf den Punkt brachte: „Als sei David Cronenbergs Dead Ringer (Die Unzertrennlichen) von Brian De Palma inszeniert worden“. Ozon beherrscht das Spiel mit Spiegelungen und Doppelungen nahezu perfekt und scheut auch nicht davor zurück, immer wieder campy und sexy zu sein. Eine Mischung, die dem französischen Psychologenverband wohl weniger gefallen dürfte als dem Publikum.

Der andere Liebhaber (2017)

Es gibt Filme, die durchaus dazu führen können, dass vertraute Begriffe fortan in einem neuen Kontext erscheinen. François Ozons neues Werk „L’amant double“ (deutscher Titel: „Der andere Liebhaber“) ist so ein Fall, denn was der Regisseur zu Beginn seines Films als erstes Bild präsentiert, könnte die Assoziationskette von Filmkritikern bei dem terminus technicus „Opening Shot“ künftig in eine andere Richtung verschieben:

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Meinungen

Dirk · 25.01.2018

Alles schön und gut, aber wenn der von seiner Arroganz geblendete „Bruder“ übergriffig wird, um dem doofen Weibchen zu zeigen, was sie wirklich will (natürlich Sex mit der Schöpfungskrone) - und das trotz veritabler Gegenwehr - dann frage ich mich schon, wad der Film mir damit sagen will. Das ist nicht geil, sondern einfach nur misogyn oder zumindest nichts weiter als ein zweifelhafter Wunschtraum. Was an sexueller Übergriifkeit pointiert gepaart mit dummen Sprüchen wie „Beim nächten Mal hast Du (gefälligst) einen Orgasmus“ erotisch sein soll, weiss ich nicht.

Danke für diesen Film, der die Wichtigkeit der „metoo“-Debatte einmal mehr zeigt.

Die zweite Hälfte des Films blieb mir aber verborgen. Daher kann ich nicht beurteilen, ob der Rest so platt und klischeehaft war, wie der erste Teil.