David Lynch: The Art Life (2016)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Lynch in his own words

Bereits vor seinem Durchbruch in Hollywood hatte Regisseur David Lynch eine Karriere als Maler begonnen, bis einige Experimentalfilme ihm eine andere Chance eröffneten. David Lynch: The Art Life lässt Lynch nun selbst erzählen: Über die frühen Jahre seiner Karriere, über seine Kindheit und seine Leidenschaft für die bildende Kunst, die er trotz der Prominenz als Filmemacher nie abgelegt hat.

Der Film lässt ausschließlich Lynch selbst zu Wort kommen, zeigt verschiedene seiner Werke, Ausschnitte früher Filme und beobachtet ihn im Atelier bei der Arbeit. Lynch erzählt, in anekdotischen Schleifen ausholend, die Geschichte und Geschichten seines Aufwachsens bis zu dem Punkt, an dem er in Los Angeles als Regisseur Fuß fassen konnte. Die Schwierigkeit eines Dokumentarfilms, der einen profilierten Regisseur und fesselnden Erzähler wie Lynch auf diese Weise porträtiert, ist die Herausbildung einer eigenen Stimme. So zeigt etwa Corinna Beltz mit ihrem durchaus ähnlichen Film über Peter Handke (Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte, 2016), wie bedeutend es ist, dass der Film nicht von seinem eigenen dokumentarischen Subjekt übernommen wird. Innerhalb dieses Spektrums stellt The Art Life das Gegenbeispiel dar.

Wo es Corinna Beltz gelingt, den Schriftsteller Handke im Gespräch immer wieder zu überraschen und seine eigene Mythenbildung zu durchbrechen, um zum Menschen hinter der Figur zu gelangen, scheint es ganz so, als würde The Art Life eben dies um jeden Preis vermeiden wollen. So entstehen zwei Möglichkeiten, sich dem Film zu nähern — von denen keine so recht dazu beiträgt, dessen grundlegendes Problem der Abwesenheit einer eigenen Stimme aufzuheben.

Zunächst kann man sich den Geschichten hingeben, die der begnadete Erzähler Lynch aus seinen Erinnerungen wachruft und mit dunklen Farben ausstaffiert — immer illustriert von passenden Werken aus seinem künstlerischen Schaffen und düster-unzugänglichen Synthesizer-Klängen. Entscheidet man sich für diesen Zugang zum Film, so bleibt allerdings wohl allenfalls eine mäßig interessante Reise von Lynch zu Lynch über Lynch durch Lynch mit Lynchs Werken. Selbst überzeugte Fans (und ich zähle mich unumwunden dazu!) werden dabei den sich immer ähnlichen Erzählungen schnell überdrüssig. Der Film verrät nichts über Lynch, was einen Blick in dessen Wikipedia-Artikel übersteigen würde — stattdessen darf man den Meister bei der Weiterbildung seines eigenen Mythos beobachten. Genau hier müsste der Film eine eigene Perspektive finden, die er derjenigen entgegenstellt, die Lynch selbst ausstellt.

Dies führt zum zweiten möglichen Zugang, der bereits nach wenigen Minuten des Films aufkommenden Frage, was das Ziel der Regisseure mit diesem Crowdfunding-Projekt gewesen sein könnte? Darauf scheint es nämlich in The Art Life keine Antwort zu geben. Wie könnte es auch? Der Film verkommt als Dokumentarfilm jenseits aller Eigenständigkeit zu einem reinen Vehikel für David Lynch als lebendem und lebendigem Gesamtkunstwerk. Und dabei geht es nicht einmal darum, ob dieser Künstler diese Art der Selbstinszenierung nicht verdient hätte oder ob sie ihm nicht angemessen wäre. Ganz unabhängig davon ist sie zunächst einmal dem Dokumentarfilm The Art Life nicht angemessen — dieser verliert nämlich jede dokumentarische Qualität, jede Möglichkeit der Kritik und schließlich jedes eigene Denken. Solches müsste er als Film über David Lynch aber entwickeln, um zum Menschen hinter dem Künstler vorzudringen, um als Film etwas zu offenbaren, das die Figur Lynch nicht erzählen kann.
 

David Lynch: The Art Life (2016)

Bereits vor seinem Durchbruch in Hollywood hatte Regisseur David Lynch eine Karriere als Maler begonnen, bis einige Experimentalfilme ihm eine andere Chance eröffneten. „David Lynch: The Art Life“ lässt Lynch nun selbst erzählen: Über die frühen Jahre seiner Karriere, über seine Kindheit und seine Leidenschaft für die bildende Kunst, die er trotz der Prominenz als Filmemacher nie abgelegt hat.

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