Cobain: Montage of Heck

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Berührendes und zorniges Dokument eines Lebens

Sein Gehirn hätte niemals still gestanden, sagt Kurt Cobains Schwester ganz am Anfang von Brett Morgens bemerkenswertem Film Cobain: Montage of Heck. Anfangs habe sie ihn darum beneidet, aber bald sei ihr klar geworden, was es für ihn bedeutet habe. Und auch der Zuschauer bekommt dank dieses Dokumentarfilms einen Eindruck, wie Kurt Cobain die Welt wahrgenommen haben könnte. Dazu trägt vor allem bei, dass Brett Morgen nur sehr wenige Interviewaussagen, talking heads und Voice-over Narration verwendet, sondern vor allem mithilfe von existierenden Bildern, Kurt Cobains Tagebuchaufzeichnungen und Songtexten seinem Leben von innen heraus nachspürt. Das ist in den besten Momenten ebenso aufschlussreich wie berührend.
In der Struktur folgt Cobain: Montage of Heck chronologisch dem Leben Kurt Cobains. Seine Mutter erzählt von ihrer ersten Ehe, ihrem Vernarrtsein in ihren Sohn, das bereits im Schulkindalter in Überforderung umschlägt. Nach der Scheidung von ihrem Mann kann sie den kleinen Kurt kaum noch bändigen. Der zieht dann zu seinem Vater, wird zu seinen Großeltern und Onkels geschickt, doch niemand hält es lange mit ihm aus. Aus dieser Zeit, so mutmaßen seine Schwester und Stiefmutter, stammt das Gefühl, dass er abgelehnt würde, das er zeitlebens nicht mehr verlor. Seine Tagebuchaufzeichnungen zeugen von seiner Wut, sie werden von Morgen in einer sehr schönen Animationssequenz auf die Leinwand gebracht und dadurch zu einem berührenden und zornigen Dokument des Lebens eines jungen Mannes. Außerdem wird der Film dadurch zu einem direkten, unmittelbaren Erlebnis, das durch die häufig verwendete Musik von Kurt Cobain resp. Nirvana noch verstärkt wird. Durch die Montage von Songs, Bildern und Texten, Cobains Zeichnungen und visualisierten Notizen kreiert Morgen einen subjektiven, persönlichen Blickwinkel und nähert sich dem Menschen Cobain weit mehr als der öffentlichen Person.

So ist Cobain: Montage of Heck auch kein bandgeschichtlicher Film über Nirvana. Dave Grohl ist nur in Archivaufnahmen zu sehen, Kris Novoselic kommt selten zu Wort — und erinnert schon durch sein heutiges Aussehen daran, wie viel Zeit seit damals vergangen ist. Auch die Entstehung der Band wird nur kurz angerissen. Sogar „Smells Like Teen Spirit“ ist im Film nur in einer Chorversion zu hören. Stattdessen konzentriert sich Morgen auf den überraschenden Erfolg der Band, der für den Zuschauer fast ebenso plötzlich kommt wie für die Musiker. Gerade noch lebte Cobain vom Geld seiner damaligen Freundin, schon ist er auf dem Cover des Rolling Stone Magazine. Doch auch in diesem beruflich erfolgreichen Teil des Lebens von Kurt Cobains bleibt Brett Morgen dem Menschen verhaftet. Es gibt nur wenige Aufnahmen von Auftritten, stattdessen sind Kurt und Courtney Love in ihrem Apartment zu sehen. Diese Privatbilder liefern ein intimes Porträt dieses Paares, über das es so viele Legenden und Meinungen gibt, zugleich sind Kurt Cobains wachsende Paranoia und die Folgen seiner Drogensucht zu erkennen. Es wird anstrengend, ihm zuzusehen, diesem langsamen Zuschlittern auf den Abgrund beizuwohnen, der sich nicht dramatisch, sondern innerhalb dieses Lebens vollzieht. Jeder weiß wie es enden wird — und am Schluss dieses eindrucksvollen Dokumentarfilms steht ein Schnitt auf ein schwarzes Bild, auf dem lediglich steht, dass sich Kurt Cobain das Leben nahm. Niemand wird mehr gefragt, was er hinterlassen habe. Denn Cobain — Montage of Heck ist eine Biographie, die sich dem Leben nicht von außen, sondern von innen nähert.

Cobain: Montage of Heck

Sein Gehirn hätte niemals still gestanden, sagt Kurt Cobains Schwester ganz am Anfang von Brett Morgens bemerkenswertem Film „Cobain: Montage of Heck“. Anfangs habe sie ihn darum beneidet, aber bald sei ihr klar geworden, was es für ihn bedeutet habe. Und auch der Zuschauer bekommt dank dieses Dokumentarfilms einen Eindruck, wie Kurt Cobain die Welt wahrgenommen haben könnte.
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