Black Brown White

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Willkommen in Europa!

Es ist selten alles nur schwarz und weiß. Das wissen wir vom Kino wie vom Leben selbst. Gerade das Kino interessiert sich gern für die Grautöne und Schattierungen, für die Facetten und die Abweichungen von der Norm. So verhält es sich auch mit Erwin Wagenhofers Spielfilmdebüt Black Brown White, das schon im Titel ankündigt, dass es noch etwas anderes gibt in der Welt zwischen Gut und Böse, Freund und Feind. Wagenhofer, bekannt durch seine globalisierungskritischen Dokumentarfilme We Feed the World (2006) und Let’s Make Money (2008), hat sich in die Welt der Truckerfahrer und Flüchtlinge begeben und ein spannendes Roadmovie zwischen Nordafrika und Europa gedreht.
Es ist die Geschichte von dem österreichischen Fernfahrer Don Pedro (Fritz Karl), der regelmäßig ukrainischen Knoblauch nach Marokko fährt und auf dem Rückweg afrikanische Flüchtlinge in einem fensterlosen Hohlraum seines LKWs nach Europa schmuggelt. Ein riskantes, aber lukratives Geschäft, bei dem bislang alles gut gegangen ist. Doch alles kommt anders, als sich eine junge afrikanische Frau mit ihrem Kind in die Fahrerkabine seines Trucks setzt. Es handelt sich um Jackie (Clare-Hope Ashitey), die in Genf den Vater ihres fünfjährigen Sohnes Emanuel (Theo Caleb Chapman), einen UN-Beamten, aufsuchen und mit seiner Verantwortung konfrontieren will. Sie besteht darauf, während der ganzen Fahrt neben Don Pedro sitzen zu bleiben.

Kein guter Auftakt für eine ohnehin schon riskante Tour in den Schengenraum. Doch Don Pedro willigt ein und nimmt die Mutter mit ihrem Kind mit. Schon hier zeigt sich, dass er eben nicht nur ein berechnender Schieber ist, sondern anderen tatsächlich bei der Flucht in eine vermeintlich bessere Zukunft helfen will. Nein, Don Pedro ist kein Schwerverbrecher, kein Schmuggler und auch kein Mafiosi. Er handelt illegal, aber er hat das Herz am rechten Fleck. Er entscheidet mit dem Herzen, als er Jackie und Theo mitnimmt, wohl wissend, dass er damit unwiderruflich sein Schicksal besiegelt und eine Fahrt antritt, die sein Leben wahrscheinlich für immer verändern wird.

Der ganze Film wird aus der Perspektive von Don Pedro erzählt, einem intelligenten Mann mit bürgerlichen Hintergrund, den es irgendwann zum Abenteuerberuf Truckerfahrer hingezogen hat und dessen Ausübung längst zur Routine geworden ist. Er ist ein Mann, der mitten im Leben steht und sich nach etwas anderem sehnt als dem Leben auf der Straße, der vielleicht eine Familie gründen will, etwas Solideres aufbauen möchte. Er weiß mit seinen Feinden (Polizei, Schlaf, Grenzer, Spediteure) genauso gut umzugehen wie mit seinen Freunden. Er ist offen und kontaktfreudig, weiß sich die Menschen zu Nutze zu machen ohne sie dabei auszubeuten. Gleich am Anfang des Film lernt er den deutschen Arzt kennen (Wotan Wilke Möhring), der ihm später noch unbewusst behilflich sein wird.

Es sind viele Themen, an denen sich Wagenhofer abarbeitet. Er schafft es, genau das richtige Maß dafür zu finden. Der Film wirkt an keiner einzigen Stellen überfrachtet oder gar konstruiert, was sicher auch darauf zurückzuführen ist, dass sich Wagenhofer als Dokumentarfilmer hervorragend gut in den Themen seines Films auskennt: Menschenschmuggel, grenzüberschreitender Transport, illegale Beschäftigung, Lastwagenfahrer. All das hat er unglaublich gut recherchiert. Trotz seines harten Stoffes gelingt Wagenhofer ein sehr feinfühliger, leichter und stellenweise sehr humorvoller Film. Er führt uns die Absurdität der Globalisierung vor Augen, zum Beispiel wenn Knoblauch offizielle tausende Kilometer ganz legal durch Europa gekarrt wird, während Menschen sich illegal zusammenpferchen und zittern müssen, dass sie es auf die andere Seite schaffen.

Und was erwartet sie in Europa? Was bleibt übrig vom Traum, der Arbeit, ein Einkommen, ein bessere Zukunft hoffen lässt? Nicht viel. Zumindest bei Wagenhofer. Da landen die Flüchtlinge in den Gemüseplantagen von Almería, wo sie, wer weiß, wie lange noch fest sitzen und Tomaten plücken. Spätestens hier macht sich Desillusionierung breit. Der Film erzählt sich über einfache, klare Bilder. Die Kamera von Martin Gschlacht (Lourdes, Immer nie am Meer, Slumming) blickt über die Schulter der Truckerfahrer und inspiziert das Schicksal der Flüchtlinge – ganz neutral, ohne es zu bewerten. Er zeigt eben nicht die zehn vor sich hinsiechenden Flüchtlinge im Innenraum des Lasters. Das Grauen können wir uns selbst ausmalen.

„Was nicht mit Geld geht, geht mit viel Geld – so ist das bei uns“, sagt Don Pedro zu Jackie, als sie in einem Haus übernachten, das als Spekulationsobjekt gebaut wurde, nie bewohnt und irgendwann weiterverkauft wird. Überhaupt ist so einiges anders in Europa, muss Jackie feststellen. Ein dicker Hintern sei ja in Afrika „beautiful“. „Bei uns nicht, leider“, muss Don Pedro kontern. Er erklärt Jackie wie einem Kind die Kultur Europas – mit diesem zynischen Unterton, dass eben die Welt auf der Seite auch nicht besser sei.

Es steckt viel Kritik am System Europa und der Globalisierung in dem Film, die Wagenhofer sehr subtil und geschickt in seine Geschichte verpackt. Der Film ist von der ersten bis zur letzten Minute spannend, großartig gespielt und feinfühlig inszeniert. Wagenhofer ist nicht nur ein brillanter Dokumentarfilmregisseur, sondern weiß sich auch mit Spielfilmen bestens auszudrücken. Wir dürfen gespannt sein, was er als nächstes auf die Leinwand bringt.

Black Brown White

Es ist selten alles nur schwarz und weiß. Das wissen wir vom Kino wie vom Leben selbst. Gerade das Kino interessiert sich gern für die Grautöne und Schattierungen, für die Facetten und die Abweichungen von der Norm. So verhält es sich auch mit Erwin Wagenhofers Spielfilmdebüt „Black Brown White“, das schon im Titel ankündigt, dass es noch etwas anderes gibt in der Welt zwischen Gut und Böse, Freund und Feind.
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