Belle & Sebastian (2013)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Eine Freundschaft in den Bergen

Am Filmset sind Kinder und Tiere eine zweischneidige Angelegenheit. Denn beide lassen sich oft nur schwer kontrollieren und können zeitlich keineswegs unbegrenzt eingesetzt werden. Nichtsdestotrotz gehört eben diese Kombination zum Standardrepertoire des Familienfilms, in dem die Freundschaft zwischen Kind und Tier Ausgangspunkt unzähliger herzergreifender Geschichten ist. Belle & Sebastian, der auf einer französischen Kinderbuchreihe bzw. der gleichnamigen Fernsehserie aus den 1960er Jahren basiert, steht zweifellos in dieser Tradition, will durch seine thematische Ausdifferenzierung gleichzeitig aber auch mehr sein als ein gewöhnlicher Genrebeitrag.

Ein französisches Alpendorf während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg: Die Menschen sind sichtlich beunruhigt. Nicht nur wegen der fremden Soldaten. Sondern auch, weil ein wilder Hund in der Gegend sein Unwesen treiben und Schafe reißen soll. Bislang haben die Suchaktionen der Männer allerdings keinen Erfolg gebracht. All das beobachtet der kleine Sebastian (Félix Bossuet) mit großem Interesse, während er seinen großväterlichen Freund César (Tchéky Karyo) immer wieder in die Berge begleitet. Eines Tages trifft der Junge dort auf eine riesige Hündin, deren Vertrauen er schnell gewinnen kann. Er tauft sie auf den Namen Belle und verbringt fortan viel Zeit mit ihr. Seiner Pflegemutter Angélina (Margaux Châtelier) und dem alten César erzählt Sebastian allerdings nichts von seiner neuen Spielgefährtin. Zu groß ist die Angst, dass die anderen Belle für die Bestie halten könnten.

Es ist eine raue, schöne, aber auch unwirtliche Welt, voller Entbehrungen und Unwägbarkeiten, in die der Abenteurer und Dokumentarfilmer Nicolas Vanier den Zuschauer hier entführt. Die Uhren ticken anders in dieser entlegenen Alpenregion. Das machen schon die ersten Szenen deutlich, wenn César hoch oben im Gebirge eine kleine Ziege entdeckt, die ängstlich auf einem Felsvorsprung kauert, und kurzerhand Sebastian an einem Seil hinunterlässt, damit er das Tier bergen kann. Eine waghalsige Rettungsaktion, die Kameramann Éric Guichard in atemberaubenden Bildern einfängt. Überhaupt strahlt der Film eine enorme visuelle Kraft aus. Wohl auch, weil sich die Erzählung gleich über drei Jahreszeiten erstreckt, Landschaft und Wetter damit immer wieder eine handlungstragende Rolle bekommen.

So außergewöhnlich die Freundschaft zwischen Sebastian und der schönen Hündin auch anmuten mag, verläuft sie doch in recht vorhersehbaren Bahnen. Gilt es zunächst, das zutrauliche Tier vor den Augen anderer Menschen zu verbergen, kann der Junge später einige Erwachsene von Belles Liebenswürdigkeit überzeugen. Nachwuchsdarsteller Félix Bossuet hinterlässt dabei nicht nur im Zusammenspiel mit der tierischen Gefährtin einen positiven Eindruck. Insgesamt wirken seine kindliche Unbekümmertheit und seine unverstellte Neugier ansteckend und sorgen zudem für einige wirklich witzige Momente. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass Bossuet mit Belle & Sebastian sein Kinodebüt abliefert.

Inhaltlich angereichert wird der Film durch den historisch-politischen Kontext der deutschen Besatzung. Genauer gesagt: die Widrigkeiten und Gefahren, die die Präsenz der fremden Soldaten mit sich bringt. So vermutet der befehlshabende Leutnant (Andreas Pietschmann), dass die Dorfbewohner jüdische Familien bei ihrer Flucht in die neutrale Schweiz unterstützen, und stattet dem Ort daher immer wieder Besuche ab. Ausgerechnet Angélinas Freund Guillaume (Dimitri Storoge) ist solch ein tatkräftiger Helfer, der verfolgte Menschen über geheime Bergpässe in Sicherheit bringt. Dass der deutsche Soldat sich außerdem für Sebastians hübsche Pflegemutter zu interessieren scheint, macht die Angelegenheit nicht gerade einfacher.

Fraglos soll dieser Strang die ansonsten recht geradlinig strukturierte Geschichte mit einem thematischen Anspruch versehen, der so weder in der Kinderbuchreihe noch in der Fernsehserie zu finden ist. Wirklich harmonisch will sich die Ausweitung aber nicht in das Gesamtbild des Films einfügen. Je mehr der Flüchtlingsplot in den Mittelpunkt rückt, desto holpriger gerät die Dramaturgie. Und desto überfrachteter wirkt das Geschehen. Ein Eindruck, der sich weiter verfestigt, selbst wenn zum Ende hin alle Unebenheiten abrupt geglättet werden. Letztlich bleibt Belle & Sebastian ein eindrucksvoll bebilderter und überzeugend gespielter Familienfilm, der die Genregrenzen austesten will, dabei aber nicht immer eine allzu überzeugende Figur macht.
 

Belle & Sebastian (2013)

Am Filmset sind Kinder und Tiere eine zweischneidige Angelegenheit. Denn beide lassen sich oft nur schwer kontrollieren und können zeitlich keineswegs unbegrenzt eingesetzt werden. Nichtsdestotrotz gehört eben diese Kombination zum Standardrepertoire des Familienfilms, in dem die Freundschaft zwischen Kind und Tier Ausgangspunkt unzähliger herzergreifender Geschichten ist.

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