Before I Wake

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Traumatisierter Träumer

Sein großes Talent bewies Jungschauspieler Jacob Tremblay bereits in der oscarnominierten Romanadaption Raum, die auf berührende Weise von einer Mutter-Sohn-Beziehung in menschenunwürdigen Verhältnissen erzählt. Dass mit dem inzwischen 10-jährigen Kanadier auch in Zukunft zu rechnen ist, untermauert das gruselige Mystery-Drama Before I Wake, das nach finanziellen Schwierigkeiten der Verleihfirma Relativity Media mehrfach verschoben wurde und nun noch vor einer Auswertung auf dem US-amerikanischen Markt hierzulande in den Kinos anläuft. Verantwortlich für die Spukgeschichte zeichneten, wie schon beim kürzlich gestarteten Okkult-Thriller Ouija: Ursprung des Bösen, Genre-Filmer Mike Flanagan und Drehbuchpartner Jeff Howard, die 2013 mit dem überraschend differenzierten Horrorstreifen Oculus auf sich aufmerksam machen konnten.
Nachdem Jessie (Kate Bosworth) und Mark (Thomas Jane) ihren Sohn Sean unter tragischen Umständen verloren haben, droht die anhaltende Trauer das Ehepaar zu zerreißen. Um ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben, beschließen die beiden, ein Kind zu adoptieren, und begrüßen schon bald den schüchternen Cody (Jacob Tremblay) in ihrem schmucken Anwesen. Während der stets höfliche Junge, der sich von einer unheimlichen Kreatur verfolgt fühlt, langsam Vertrauen zu seinen Adoptiveltern fasst, ereignen sich immer dann, wenn er schläft, unerklärliche Dinge: Eines Nachts flattern bunte Schmetterlinge durch das Haus. Und irgendwann stehen Jessie und Mark ihrem verstorbenen Sohn gegenüber.

Der Prolog, bei dem ein aufgewühlter Mann den schlafenden Cody erschießen will, und der recht schnelle Einzug des Jungen in sein neues Zuhause lassen vermuten, dass Flanagan und Howard keine Zeit verschwenden möchten, um zum Kern ihrer Erzählung vorzudringen. Tatsächlich schlägt das eingespielte Duo aber, ähnlich wie im Horror-Prequel Ouija: Ursprung des Bösen, einen betont ruhigen Erzählrhythmus an und nimmt, anders als es im Genre üblich ist, seine Figuren und deren Sorgen ernst. Seans Tod überschattet das Geschehen auch dann noch, als mit Cody neue Hoffnung in die Welt des Paares einzieht. Vor allem Jessie, die eine Selbsthilfegruppe besucht, kann die Gedanken an den Verlust nicht beiseiteschieben und ist überglücklich, ihren Sohn plötzlich im Wohnzimmer in die Arme schließen zu dürfen. Verknüpft ist dieses wundersame Ereignis mit der besonderen Gabe des Adoptivkindes, dessen Träume und Albträume sich in der Realität manifestieren. Dank Jacob Tremblays nuancierter Darbietung wird die Angst des Jungen vor dem Einschlafen jederzeit greifbar, weshalb der Zuschauer von Anfang an mit Cody mitfühlt.

Psychologisch reizvoll ist Before I Wake auch deshalb, weil Flanagan und Howard Jessies Freude über Seans Auftauchen in eine gefährlich-düstere Richtung treiben. Immerhin setzt die junge Frau alles daran, die schönen Begegnungen zu wiederholen, die jedes Mal mit dem Aufwachen ihres Adoptivsohnes enden. Videos von vergangenen Weihnachtsfesten und Schlafmittel sollen dafür sorgen, dass ihr leibliches Kind regelmäßig in Codys Träumen erscheint. Jessies Absichten sind sicherlich nachvollziehbar. Bei Licht betrachtet missbraucht sie den nach Geborgenheit suchenden Waisenjungen jedoch, um besser mit ihrer Trauer klarzukommen, und beschwört so weiteres Unheil herauf. Schließlich drängt sich das Monster, von dem Cody berichtet, mehr und mehr in das Leben der Kleinfamilie.

Knapp eine Stunde lang funktioniert der Film als emotional packendes Mystery-Drama mit wenigen, gut gesetzten Schockmomenten und starken Darstellerleistungen. Dann begehen die Macher allerdings denselben Fehler, der auch Ouija: Ursprung des Bösen um eine noch positivere Bewertung bringt. Statt die bisherige Marschroute konsequent weiterzuverfolgen, nimmt auf der Zielgeraden eine Effektlastigkeit überhand, die sich mit der bis dahin stimmungsvollen Handlung nur bedingt verträgt. Dürftige Computer-Effekte, die wahrscheinlich einem begrenzten Budget geschuldet sind, nehmen der eigentlich tieftraurigen Auflösung rund um Codys Gabe einiges von ihrer Wucht, selbst wenn die Schauspieler nach wie vor glaubwürdig und feinfühlig agieren. Flanagan und Howard haben zweifelsohne ein ausgeprägtes Gespür für psychologisch grundierten Horror im Familienumfeld. Bei Folgeprojekten sollten sie den letzten Akt aber mit etwas mehr Sorgfalt als in diesem Fall angehen.

Before I Wake

Sein großes Talent bewies Jungschauspieler Jacob Tremblay bereits in der oscarnominierten Romanadaption „Raum“, die auf berührende Weise von einer Mutter-Sohn-Beziehung in menschenunwürdigen Verhältnissen erzählt. Dass mit dem inzwischen 10-jährigen Kanadier auch in Zukunft zu rechnen ist, untermauert das gruselige Mystery-Drama „Before I Wake“, das nach finanziellen Schwierigkeiten der Verleihfirma Relativity Media mehrfach verschoben wurde und nun noch vor einer Auswertung auf dem US-amerikanischen Markt hierzulande in den Kinos anläuft.
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