Bad o meh - Wind und Nebel

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine iranische Kindheit

In diesem Jahr stand die Berlinale ganz unter dem Eindruck der schwierigen Lage der Opposition im Iran. Das sichtbarste Zeichen dieses Fokus war ein leerer Stuhl, auf dem eigentlich das designierte Jury-Mitglied Jafar Panahi hätte Platz nehmen sollen. Doch der konnte die Einladung des Filmfestivals aufgrund seiner Internierung im Iran und seiner Verurteilung zu sechs Jahren Haft, verbunden mit einem 20-jährigen Berufsverbot nicht wahrnehmen. Als Zeichen der Solidarität blieb der Stuhl leer, stattdessen rückten andere Filme aus der Heimat Panahis in den Mittelpunkt – so etwa Asghar Farhadis späterer Berlinale-Gewinner Nader und Simin – Eine Trennung. Oder Mohammad Ali Talebis Bad o Meh – Wind und Nebel, der in der Reihe Generation Kplus zu sehen war und mit dem Sonderpreis „Cinema Fairbindet“ ausgezeichnet wurde.
Der Film beginnt mit einer Fahrt durch eine neblige Landschaft irgendwo im Norden des Iran, die an eine Szene aus Rafi Pitts‘ Film Zeit des Zorns erinnert, der ein Jahr zuvor ebenfalls auf der Berlinale zu sehen war. Hier wie dort steuert ein hellblauer Pick-up amerikanischer Bauart durch eine düstere Landschaft, sind die Insassen auf der Flucht vor den Schrecknissen ihres Lebens. Bei Talebi sind es ein Vater (Arasto Safinedjad) und seine beiden Kinder, die zwölfjährige Shooka (Masume Shakori) und ihr siebenjähriger Bruder Shahand (Payam Eris), die hierher gebracht werden, um bei ihrem Großvater (Asadolah Asadnia) zu leben, während der Vater zurück muss in den Süden, um dort auf den Ölfeldern für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Doch es ist nicht allein die Abwesenheit des Vaters, wegen der die Kinder in den Norden gebracht werden, sondern auch jene der Mutter, die bei einem Bombenangriff ums Leben kam. Der kleine Shahand, der Zeuge des Todes seiner Mutter wurde, ist von diesem Erlebnis schwer traumatisiert und hat es offensichtlich verdrängt, bis der Tod einer Wildgans die Erinnerung wieder zurückbringt. Weil das stille Kind aufgrund seiner Zurückgezogenheit zum Opfer der Hänseleien seiner neuen Mitschüler wird, zieht sich der Junge immer mehr zurück in die Einsamkeit der geheimnisvollen Natur, in der er überall nach Spuren seiner schmerzlich vermissten Mutter sucht.

Sucht man nach einem Film, der vom Inhalt und der Erzählweise her am ehesten mit Bad o meh – Wind und Nebel zu vergleichen ist, fällt einem als erstes Semih Kaplanoglus Bal – Honig ein. Der langsame Rhythmus, die Natur als Rückzugsort eines Kindes, das verzweifelt versucht, mit dem Verlust eines Elternteils zurechtzukommen, die Anfeindungen, denen es ausgesetzt ist – all das ist von Talebi in ähnlicher Weise in Bilder gefasst, wie dies bei Kaplanoglu der Fall war. Zudem ist Bad o meh trotz seiner eindeutigen zeitlichen wie räumlichen Verortung im Iran während des Krieges mit dem Nachbarland Irak in den 1980er Jahren ein Film, dessen Einfühlsamkeit gegenüber den Kindern als wehrloseste Opfer von Krieg, Gewalt und Grausamkeit sich durchaus als universell verstehen lässt – zumal der Film so allgemein gehalten ist, dass eine konkrete Kritik an den politischen Zuständen im Iran unterbleibt.

Neben den Bildern ist es vor allem die Tonspur des Films, die dessen Charakter ausmacht – an die Stelle von Dialogen treten die allgegenwärtigen Laute der Natur oder die Töne, die von Gegenständen ausgehen, deren Präsenz mindestens ebenso wichtig sind wie die spärlichen Dialoge, die gerade mal das Wichtigste verraten. Insofern ist Bad o meh – Wind und Nebel ein Werk, auf das man sich mit allen Sinnen einlassen und für das man Geduld aufbringen muss – gelingt dies, so wird man mit einem eindrucksvollen und lange nachwirkenden Film belohnt, dessen stille Kraft lange nachwirkt.

Bad o meh - Wind und Nebel

In diesem Jahr stand die Berlinale ganz unter dem Eindruck der schwierigen Lage der Opposition im Iran. Das sichtbarste Zeichen dieses Fokus war ein leerer Stuhl, auf dem eigentlich das designierte Jury-Mitglied Jafar Panahi hätte Platz nehmen sollen. Doch der konnte die Einladung des Filmfestivals aufgrund seiner Internierung im Iran und seiner Verurteilung zu sechs Jahren Haft, verbunden mit einem 20-jährigen Berufsverbot nicht wahrnehmen.
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