Akt

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Blicke, die den Körper berühren

Die vier Menschen, um die es in dem Dokumentarfilm Akt geht, ziehen sich aus, um betrachtet zu werden. Nicht nur von der Kamera, sondern in erster Linie von Leipziger Kunststudenten und anderen Aktzeichnern. Reglos verharren sie in den gewünschten Positionen, wie klassische Statuen, lediglich ihr Lidschlag verrät ihre Lebendigkeit. Doch wer sind diese Menschen wirklich, was haben sie zu erzählen? Der Regisseur, Autor und Filmkomponist Mario Schneider (MansFeld, Heinz und Fred) hört ihnen zu. Wie die Kamera die nackten Körper der Aktmodelle forschend umkreist, tastet er sich inhaltlich an die Frage heran, die auch die Studentin Anette in ihrer Arbeit beschäftigt: „Wie funktioniert eigentlich Nähe, was ist das?“
Anette übernimmt im Film eine Vermittlerrolle, denn sie steht selbst Modell für Aktzeichner und malt an der Hochschule Bilder, in denen es um Berührung geht. Wenn sie beispielsweise erklärt, dass es beim Modellstehen nicht auf den perfekten Körper, sondern eher auf seine Besonderheit ankommt, dann gibt sie eine Interpretationslinie für die Erzählungen der anderen drei Modelle vor. Uta, Gabriela und Max müssen im Film nicht groß reflektieren, warum sie sich für die Kunst ausziehen. Obwohl diese Frage eine zentrale Rolle spielt, steht sie unbeantwortet im Hintergrund, um die Zuschauer zum Nachdenken anzuregen.

Weder Uta, noch Max und Gabriela haben viel Geld. Die 66-jährige Uta, die kaum noch sehen kann und sich mit dem Akkordeon auf die Straße stellt, um ihre sozialkritischen Lieder zu singen, könnte man sogar als Lebenskünstlerin bezeichnen. Alle drei mussten sich mit körperlicher Versehrtheit auseinandersetzen. Uta kam von einem medizinischen Fehler beeinträchtigt auf die Welt, Max wurde über seine gesamte Kindheit und Jugend hinweg an der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte operiert. Gabrielas langjähriger Lebensgefährte ist taub und seit einem schweren Motorradunfall gehbehindert. Alle leben selbstbestimmt, Larmoyanz ist ihnen fremd. Im Laufe des Films öffnen sie sich innerlich ein Stück weit mehr und reflektieren ihr Verhältnis zu Nähe und Berührung, das in der Kindheit wurzelt. Da ist dann auf einmal von sexuellem Missbrauch die Rede, von trügerischer oder fehlender elterlicher Liebe, von unbewältigter Geschwisterrivalität.

Wenn die Modelle nackt vor der Runde der Zeichner sitzen, nähert sich ihnen die Kamera behutsam, andächtig, sogar zärtlich. Sie beginnt ihre Erkundung wiederholt entlang des oberen Rückens, kreist dann langsam um das Gesicht vom Profil bis zur Vorderansicht. Klassische und jazzige Musikstücke erklingen dazu und folgen den Betrachteten hinaus auf die Straße und in ihr Privatleben. Die Porträtierten erzählen sowohl in Voice-Over als auch vor der Kamera und lassen sich im Dialog mit ihrem Umfeld filmen. Das letzte Bild gehört einer antiken Statue, die die Schönheit des Menschen feiert. Die Aktmodelle in diesem Film sind auf ihre individuelle Weise auch schön. Der Betrachter nimmt sie mit ihrem Aussehen an, und vielleicht spüren sie in seinem Blick sogar eine heilsame Wärme.

Akt

Die vier Menschen, um die es in dem Dokumentarfilm Akt geht, ziehen sich aus, um betrachtet zu werden. Nicht nur von der Kamera, sondern in erster Linie von Leipziger Kunststudenten und anderen Aktzeichnern. Reglos verharren sie in den gewünschten Positionen, wie klassische Statuen, lediglich ihr Lidschlag verrät ihre Lebendigkeit. Doch wer sind diese Menschen wirklich, was haben sie zu erzählen? Der Regisseur, Autor und Filmkomponist Mario Schneider („MansFeld“, „Heinz und Fred“) hört ihnen zu.
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