Ai Weiwei - The Fake Case

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der "Fall" Ai Weiwei

Dass Ai Weiwei im Westen um einiges bekannter ist als in seiner Heimat China ist, liegt auch daran, dass er, seine Prominenz klug nutzend, immer deutlich Stellung bezogen hat gegen das Regime. Nimmt man allein die Berichterstattung über den Mann als Maßstab, könnte man mitunter fast meinen, dieser sei von Beruf Dissident und nicht Künstler. Sein unermüdliches Eintreten für die Menschenrechte hat ihn zu einem Geächteten gemacht, der sich immer wieder Zwangsmaßnahmen seitens der Behörden ausgesetzt sieht. Erst in diesen Tagen wurde sein Anwalt Pu Zhiqiang festgenommen, der mit anderen Aktivisten an den 25. Jahrestag des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 erinnern wollte. Ai Weiwei selbst steht seit 2011 nach einer 81 Tage währenden Inhaftierung unter Hausarrest, sein Pass wurde konfisziert, seine Gastprofessur in Berlin konnte er nicht antreten. Auch die Ausstellung Evidence im Gropius-Bau, die am 3. April eröffnet wurde, muss ohne die Anwesenheit des Künstlers auskommen, die chinesischen Behörden erteilten Ai Weiwei keine Ausreisegenehmigung.
Andreas Johnsens Ai Weiwei – The Fake Case ist nach Alison Klaymans Ai Weiwei: Never Sorry der zweite Dokumentarfilm binnen kurzer Zeit, der sich mit dem Künstler und seinen besonderen Lebensumständen befasst. Dies mag vor allem dem enormen Interesse an der schillernden Persönlichkeit geschuldet sein (und nutzt nebenbei die öffentliche Aufmerksamkeit anlässlich der Berliner Ausstellung), birgt aber auch so manche Redundanzen und Wiederholungen von bereits Gesehenem in sich.

Das liegt unter anderem daran, dass sich beide Filme weniger mit dem künstlerischen Schaffen als mit dessen persönlicher Situation befassen. Und die ist im Wesentlichen von den Einschränkungen geprägt, unter denen der Künstler seit seiner dreimonatigen Inhaftierung im Jahre 2011 und den Vorwürfen wegen angeblicher Steuervergehen leidet. Ai Weiwei selbst nennt das Verfahren in aller Offenheit einen „Fake Case“, zumal er während all der Verhöre niemals Beweise für seine angeblich begangenen Straftaten vorgelegt bekam.

Andreas Johnsens Film begleitet den Künstler rund ein Jahr lang nach seiner Freilassung und bleibt stets nah dran an dem Porträtierten, weicht ihm quasi niemals von der Seite und wird so zum beredten und intimen Zeugnis eines Mannes, der sich nicht beugt und der nicht anders kann, als ein Mahner zu sein. Trotz aller Drohungen seitens der Staatsmacht und der Gefahr, jederzeit wieder hinter Gittern zu landen. Dabei kommt es immer wieder zu berührenden Szenen, wenn etwa Ai Weiwei Geld über die Mauer seines Hauses geworfen bekommt, denen Botschaften beigefügt sind, in denen ihm die Menschen Mut zusprechen und darum bitten, seinen Kampf nicht aufzugeben. Oder wenn die Kamera die Mutter des Künstlers filmt, die schon einmal die Erfahrung machen musste, einen Mann infolge von dessen politischer Bestätigung zu verlieren: Weiweis Vater, der Dichter Ai Qing, verbrachte 20 Jahre in Verbannung – ein einschneidendes Erlebnis, das die Familie nachhaltig verändert hat. Gerade vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass sich der „einflussreichste Mann der Kunstwelt“ (so die Zeitschrift Art Review im Jahre 2011) nicht beirren lässt.

Andererseits aber – und auch das zeigt der Film eindrucksvoll – ist es gerade die Prominenz und das Interesse westlicher Medien, die Ai Weiwei trotz aller Drohungen und Überwachungen einen größeren Freiraum einräumt als anderen chinesischen Künstlern oder dem ganz normalen chinesischen Bürger auf der Straße. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass der sympathische und stets zuvorkommende leise Mann ständig auf einem schmalen Grat balanciert. Besonders deutlich wird dies, als er einmal die Nerven verliert und wutentbrannt auf einen der Polizisten zustürmt, die sein Haus beobachten.

Der „Fall Ai Weiwei“, soviel steht fest, wird weitergehen – bis am Ende hoffentlich die Meinungsfreiheit und das Pochen auf die Menschenrechte Erfolg haben werden. Bis dahin ist es aber noch ein langer, steiniger und gefährlicher Weg.

Ai Weiwei - The Fake Case

Dass Ai Weiwei im Westen um einiges bekannter ist als in seiner Heimat China ist, liegt auch daran, dass er, seine Prominenz klug nutzend, immer deutlich Stellung bezogen hat gegen das Regime. Nimmt man allein die Berichterstattung über den Mann als Maßstab, könnte man mitunter fast meinen, dieser sei von Beruf Dissident und nicht Künstler.
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