Abattoir

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Neo-Noir-Spuk ohne Tiefe

Der Titel Abattoir (zu Deutsch ‚Schlachthaus‘) lässt vermuten, dass Darren Lynn Bousman – der Regisseur von Saw 2, 3 und 4 – auch mit seinem neuen Werk harte Splatter-Kost liefert. Die Adaption seiner eigenen Graphic-Novel-Reihe ist jedoch ein Mix aus Gruselmärchen und Elementen des Film noir. Leider übersieht Bousman, dass es sowohl im Horrorgenre als auch im Film noir nicht zuletzt darum geht, eine innere und äußere Spannung zu erzeugen und bei aller Übersinnlichkeit beziehungsweise allem Artifiziellen einen Bezug zur gesellschaftlichen Realität herzustellen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Journalistin Julia (Jessica Lowndes), die eines Tages mit dem rätselhaften Mord an ihrer Schwester Amanda (Jackie Tuttle) und deren Kleinfamilie konfrontiert wird. Schon kurze Zeit später ist Amandas Haus verkauft; das Zimmer, in dem die Tat stattgefunden hat, wurde seltsamerweise herausgerissen. Im Zuge einer Recherche erfährt Julia, dass sich in der Gegend zahlreiche ähnliche Vorfälle zugetragen haben – stets wurden Häuser, in denen es zu blutigen Geschehnissen kam, von einem alten Mann erworben und die Tatorte entfernt. Eine Videokassette führt die junge Frau an den abgelegenen Ort New English, an dem bald auch Julias Ex-Freund – der Polizist Grady (Joe Anderson) – auftaucht. Von der alteingesessenen Allie (Lin Shaye) erhalten die beiden Informationen über den diabolischen Demagogen Jebediah Crone (Dayton Callie), der sich als ganz spezieller Sammler entpuppt.

Bousman und sein Kameramann Michael Fimognari finden in Abattoir durchgängig berückende, stilvolle Bilder: Sowohl Julias Lebens- und Arbeitswelt als auch die ländliche Gemeinde, in die es Julia und Grady verschlägt, werden atmosphärisch eingefangen. Zum optischen Highlight wird schließlich eine originelle Variante des haunted house – ein ‚Haus der tausend Tragödien‘, mitten im nebelverhangenen Wald. Weniger kunstvoll gerät indes die Schilderung der Ereignisse: Umständlich und ohne Tempo wird der dritte Akt, der im titelgebenden Haus spielt, vorbereitet; die finale Schlusswendung verfügt bei Weitem nicht über die Wucht, über die sie verfügen könnte und sollte.

Ein Film, der von einer engen Bindung zur Familie sowie von Verlust, Trauer und kühnen, gar wahnsinnigen Taten aus Liebe erzählt, benötigt Figuren mit Tiefe sowie ausdrucksstarkes Schauspiel. In dieser Hinsicht ist Abattoir jedoch äußerst schwach. Jessica Lowndes – die als problembeladene Highschool-Schülerin in der Serie 90210 über fünf Staffeln hinweg den eindrücklichsten Part hatte – agiert als tragische Heldin völlig blass. Das Drehbuch von Christopher Monfette stattet ihre Figur mit keinerlei Charaktereigenschaften aus; auch die Beziehungen zur Schwester und zum kleinen Neffen (Aiden Flowers), die als Antrieb für Julias Handeln dienen, werden nur in wenigen Momenten eingefangen, weshalb sich beim Publikum kaum Anteilnahme aufbauen kann. Die angeblich so komplizierte Liebe zwischen Julia und Grady bleibt weitgehend eine Behauptung des Skripts; sie ist im Zusammenspiel von Lowndes und Joe Anderson zu keiner Sekunde spürbar und zeigt sich allein in Gradys, nicht aber in Julias Verhalten. Dayton Callie (Sons of Anarchy) wäre mit seiner theatralischen Performance gewiss ein hinreißender Schurke in einem Schauerstück für Kinder; als Antagonist in einem Horrorfilm kann er mit seiner pathetischen Sprechweise und seinen ausladenden Gesten indes nicht überzeugen. Einzig Lin Shaye vermag als verschrobene Bewohnerin von New English, die bei ihrem ersten Auftritt an Bette Davis in Was geschah wirklich mit Baby Jane? erinnert, zu glänzen – allerdings fallen Shayes gelungene Interpretationen von absonderlichen Gestalten nach Werken wie der Insidious-Reihe oder dem Science-Fiction-Thriller The Signal inzwischen eher unter die Kategorie ‚gut funktionierende Routine‘ und sind daher längst keine große Überraschung mehr. So ist Abattoir zwar eine visuell reizvolle, insgesamt aber allenfalls durchschnittliche Arbeit.

Abattoir

Der Titel „Abattoir“ (zu Deutsch ‚Schlachthaus‘) lässt vermuten, dass Darren Lynn Bousman – der Regisseur von „Saw 2“, „3“ und „4“ – auch mit seinem neuen Werk harte Splatter-Kost liefert. Die Adaption seiner eigenen Graphic-Novel-Reihe ist jedoch ein Mix aus Gruselmärchen und Elementen des Film noir. Leider übersieht Bousman, dass es sowohl im Horrorgenre als auch im Film noir nicht zuletzt darum geht, eine innere und äußere Spannung zu erzeugen und bei aller Übersinnlichkeit beziehungsweise allem Artifiziellen einen Bezug zur gesellschaftlichen Realität herzustellen.
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