7 Göttinnen

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Frauengeschichten

In einer fulminanten Eröffnungssequenz werden sie vorgestellt, die sieben Frauen, die die Heldinnen von 7 Göttinnen sind. Schon das ist etwas Besonderes: Dass es weibliche Hauptfiguren gibt – für indische Verhältnisse kommt das einer Revolution gleich. Dies ist ein Film, der offensichtlich aus der Wut über die Unterdrückung der Frauen geboren wurde – und der diese Wut in die Energie eines fröhlichen, traurigen, dramatischen Mädchenabends verwandelt. Regisseur Pan Nalin ist stolz: „Der Film ist mittlerweile so zum Teil der indischen Gesellschaft und Kultur geworden, dass eine Frau in dem Moment, in dem sie für ihr Anliegen aufsteht, als ‚Angry Indian Goddess‘ (nach dem Originaltitel Angry Indian Goddesses) bezeichnet wird.“
Die Pre-Title-Sequenz fängt die ganze Kraft ein, die von diesen sieben Frauen ausgeht. Eine von ihnen ist in eine böse Falle böser Jungs geraten und beginnt, sich zu wehren – was der Regisseur sogleich unterbindet: Als Bollywood-Darstellerin muss sie schön sein, sich räkeln und um Hilfe flehen, sonst nichts. Eine andere wehrt sich auf ihre Weise gegen eine widerliche und sehr reale Anmache auf der Straße, die dritte zeigt ihre Kraft im Fitnessstudio, eine andere ist als Unternehmerin sowohl was Entscheidungs- als auch Durchsetzungsfähigkeit ihren männlichen Untergebenen haushoch überlegen. Hier macht der Film richtig Laune, in diesen paar Minuten steckt die Essenz der ganzen widersprüchlichen, aber stets untergeordneten Situation der indischen Frau.

Dann treffen sich die glorreichen Sieben im Haus von Frieda. Sie hat ihre Freundinnen eingeladen, da sie heiraten wird. Und der Film wird zu so etwas wie einem tagelangen Junggesellinnenabschied in Kammerspielform, in dem es mitunter sehr emotional zugeht: Fröhlichkeit und Traurigkeit sind nahe beieinander, Lachen und Weinen, ausgelassenes Feiern und tiefsinnige Gespräche wechseln einander ab. Die Lebenslust der sieben Göttinnen steckt an: Sie suchen nach der Kali in jeder von ihnen, nach der wütenden indischen Gottheit, die diese böse Welt erneuern will.

Das wirkt zunächst nicht immer ganz ausgewogen, mitunter entwickelt sich der Film zu einem fast episodischen Abhaken von Themen, die Frauen zugeschrieben werden: Die von Wut zerfressene Hausbedienstete, die seit Jahren in einem aussichtslosen Verfahren gegen die Justiz und den Mörder ihres Bruders kämpft; die schöne, hochgebildete Hausfrau, die von ihrem Mann keine Erlaubnis bekommt, wieder zu arbeiten; die Schwierigkeit, berufstätig und Mutter zu sein, insbesondere, wenn der Mann die Kinderpflege der Frau zuschiebt; die Macht der Tradition, in der alle gefangen sind, der sie weder entkommen können noch wollen; der Enkelwunsch der Schwiegermutter; die ständige sexuelle Gewalt in Worten und Taten, der sich diese Frauen ausgesetzt sehen; die gleichgeschlechtliche Ehe. Und natürlich die allgegenwärtigen Massenvergewaltigungen, die an jeder Ecke drohen und von der Polizei kaum geahndet werden, vor allem, wenn das Opfer „aufreizende“ Kleidung trug.

Dass diese massierte Problemversammlung insgesamt konstruiert wirkt, ist das eine; dass Pan Nalin daraus eine leichte, höchst unterhaltsame Komödie entwickelt, das andere. Tatsächlich überträgt sich der Spaß, den die Frauen miteinander haben, auf den Zuschauer, der sich hineinfühlt in diese Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die auch Risse kennt: So wird das Hausmädchen zwar aufgenommen, muss aber dennoch die „niederen“ Arbeiten verrichten; die Unternehmerin stößt auf die Aktivistin, die ein Bergbauprojekt verhindern möchte; und die Idee der Homoehe muss auch erstmal verdaut werden.

Pan Nalin will die ganz normalen indischen Frauen zeigen in diesem Film, in einer Art Konzentrat dessen, was für sie das Leben bedeutet. Es mag den Konventionen des indischen Kinos geschuldet sein, das sich auf irgendeine Weise von der Realität abheben muss, dass er einige Models und Miss Indias besetzte, also gerade die Ausnahmen an Schönheit und Erfolg in seinem Film zeigt; dass er auch ab und an sexualisierte Bilder, wenn auch aus weiblicher Sicht zeigt, wenn sich eine Schönheit im Garten mit dem Gartenschlauch abduscht oder der junge hübsche Nachbar mit nacktem Oberkörper sein Auto wäscht. Dass er am Ende seinen Film in einem dramatischen Finale erdet, dass er da landet, wo viele indische Frauen landen, nämlich auf dem Boden der Tatsachen, und dass er daraus keine sozialdramatische Anklage schöpft, sondern auf Hoffnung und Erneuerung setzt, rundet den Film auf sehr schöne Weise ab.

7 Göttinnen

In einer fulminanten Eröffnungssequenz werden sie vorgestellt, die sieben Frauen, die die Heldinnen von „7 Göttinnen“ sind. Schon das ist etwas Besonderes: Dass es weibliche Hauptfiguren gibt – für indische Verhältnisse kommt das einer Revolution gleich. Dies ist ein Film, der offensichtlich aus der Wut über die Unterdrückung der Frauen geboren wurde – und der diese Wut in die Energie eines fröhlichen, traurigen, dramatischen Mädchenabends verwandelt.
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