Nächster Halt: Fruitvale Station (2013)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Das Leben des Oscar Grant III.

Am Anfang von Ryan Cooglers aufwühlendem Film Fruitvale Station sind Amateuraufnahmen verschiedener Handy-Kameras zu sehen, die ein Handgemenge zwischen Polizisten und vier jungen Männern zeigen. Dann fällt ein Schuss und die Situation wird noch unübersichtlicher. Dazu erklingen zwei Stimmen aus dem Off, die sich über Veränderungen und neue Gewohnheiten unterhalten – denn nach Oprah dauere es 30 Tage, um sich ein neues Verhalten anzugewöhnen. Doch Oscar (Michael B. Jordan) bleiben keine 30 Tage mehr, sondern er wird in der Nacht zum 1. Januar 2009 an der titelgebenden Fruitvale Station in der Bay Arena sterben. Sein Tod wird von zahllosen Kameras aufgezeichnet werden und Unruhen sowie Proteste in Oakland auslösen.

Im Mittelpunkt von Fruitvale Station stehen jedoch nicht die Ereignisse der Schießerei an der Fruitvale Station – diese sind in USA weitaus bekannter als hier, aber durch die Aufnahmen am Anfang wird dieser Wissensvorsprung obsolet –, sondern der letzte Tag im Leben von Oscar B. Grant III. Am Morgen des 31. Dezember 2008 liegt er mit seiner Freundin Sophina (Melonie Diaz) im Bett, offenbar hat er sie vor kurzem betrogen, verspricht ihr aber ein weiteres Mal, dass er sich bessern wird und vor allem ihrer kleinen Tochter Tatiana (Ariana Neal) ein zuverlässiger Vater sein will. Es ist sicher nicht das erste Mal, dass er versucht, sein Leben zu ändern – das wird ohne Worte klar – doch dieses Mal könnte es ihm gelingen, da er sofort mit den richtigen Entscheidungen beginnt. Seine Erlebnisse und Schwierigkeiten an diesem Tag lassen indes sein gesamtes bisheriges Leben erkennen. Aufgewachsen bei einer liebevollen Mutter (Octavia Spencer) und Großmutter wurde er beim Dealen erwischt und war im Gefängnis. Nachdem er entlassen wurde, hat er einen legalen Job als Metzger gefunden, wurde aber aufgrund mehrfachen Zu-Spät-Kommens entlassen. Nun hofft er auf eine weitere Chance, jedoch ist die Miete fällig, außerdem braucht seine Schwester finanzielle Hilfe. Oscar will ihr helfen und seine Familie unterstützen, schließlich ist er ein freundlicher und charmanter junger Mann. Zugleich hat er aber eine verlorene und dunkle Seite, die ihn schon oft in Schwierigkeiten gebracht hat. Er ist ein junger Mann, der unter Frauen aufgewachsen ist und ihnen nun beistehen will, der aber aufgrund seiner Hautfarbe in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung meist als gewalttätig und straffällig dargestellt wird. Ryan Cooglers Film zeigt nun, dass hinter einem harten, wütenden und vorbestraften Schwarzen ein liebender Vater und Sohn stecken kann – und solch ein komplexes Porträt ist im amerikanischen Independentfilm weiterhin selten zu finden.

Ryan Coogler versammelt in seinem Debütfilm einen ausgezeichneten Cast, in dem insbesondere Michael B. Jordan (The Wire) beeindruckt. Er verkörpert Oscar auf natürliche Weise und wird in Sekundenschnelle von dem gefühlvollen Vater, Sohn und Freund zum knallharten, knasterfahrenen Dealer – seine Stimme, seine Mimik und Gestik ändern sich mühelos. Daneben überzeugen Octavia Spencer als Oscars Mutter und Melonie Diaz als seine Freundin. Bemerkenswert ist darüber hinaus der Schnitt (Cutter: Claudia Castello, Michael P. Shawve) des Films. Vor allem in der Schlusssequenz werden die nachgestellten Szenen mit dem Material verschiedenster Handys hervorragend montiert, so dass diese Minuten in ihrer Authentizität niemals aufgesetzt oder als Manier (wie in vielen Footagefilmen) wirken, sondern explizit zur Dramatik beitragen. Zusammen mit der natürlichen Farbgebung und den sich perfekt einfügenden Schauspielern wirkt die Inszenierung angenehm unaufgeregt – und ist zugleich spannend.

Zu keinem Zeitpunkt gibt Fruitvale Station vor, eine Dokumentation oder ein objektiver Film über die Ereignisse zu sein. Vielmehr ist er Ausdruck der Empörung eines Filmemachers, der aus seinen Gefühlen und seiner Wut heraus etwas Allgemeingültiges über die Ungerechtigkeiten und Schwierigkeiten des Lebens entwickelt hat. Und mit seiner zutiefst humanistischen Haltung überzeugt dieser großartige Film auf der ganzen Linie.
 

Nächster Halt: Fruitvale Station (2013)

Am Anfang von Ryan Cooglers aufwühlendem Film „Fruitvale Station“ sind Amateuraufnahmen verschiedener Handy-Kameras zu sehen, die ein Handgemenge zwischen Polizisten und vier jungen Männern zeigen. Dann fällt ein Schuss und die Situation wird noch unübersichtlicher. Dazu erklingen zwei Stimmen aus dem Off, die sich über Veränderungen und neue Gewohnheiten unterhalten – denn nach Oprah dauere es 30 Tage, um sich ein neues Verhalten anzugewöhnen.

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Meinungen

Stefanie Sprung · 29.04.2014

Ich habe den Film letzte Woche gesehen und kann mich leider der hier gesetzten Kritik nicht anschließen.
Was ich dem Film zu Gute halten muss, dass es eine wahre Geschichte ist und wir in Deutschland auch schon mehrere Fälle hatten, von unschuldigen Opfern, die vielleicht sogar noch helfen wollten, wie im Beispiel Dominik Brunner und dann zu Tode kamen und das ist schlicht tragisch und ungerecht.
Aber leider fand ich den Film nicht überzeugend. In meinen Augen wurde das Leben von Oscar sehr klischeehaft dargestellt, der obwohl er im Gefägnis war, Drogen nimmt und keinen Job hat, aber auf dem Weg der Besserung war und nun endlich einen (in meinen Augen - unglaubwürdigen, da noch nicht gelebten) besseren Weg einschlägt. Am Tag vor seinem Tod ändert er sein Leben, das muss man wahrscheinlich so drehen, damit der Film seine Berechtigung hat, aber gut gemeinte Vorsetze reichen mir dazu nicht aus.
Dann fand ich den Schnitt recht überdramatisch, lange nachdenkliche Szenen, die zu der Tragik beitragen sollten, aber in meinen Augen fast lächerlich wirkten.
Außerdem habe ich mir gedacht, warum müssen Leute, die von einem Polizisten mit einer Waffe zur Ruhe gerufen werden sich so dermaßen wehren und rumpoltern und können nicht einfach ihre Klappe halten. Ich will nicht sagen, dass er es provoziert hat, aber er hätte sich durchaus auch anders verhalten können in der Situation. Aber es ist natürlich trotzdem kein Grund, dass er erschossen wird und nimmt natürlich nichts an der gesamten Tragik der Gesschichte, aber leider des Filmes.
Ich fand Melonie Diaz sehr überzeugend und sie hat den Film auch aufgewertet, während ich Octavia Spencer eher unglaubwürdig und fast etwas nervig fand, da ich sie (erst letzte Woche in "How I met your mother") deutlich überzeugender und glaubwürdiger fand. Wenn ich allein an diese ewige Krankenhausszene denke, so typisch amerikanisch und ich bin nah am Wasser gebaut, aber da hat sich bei mir nichts geregt.
Es haben auch einige das Kino verlassen und gefühlt kam er mir sehr viel länger als diese 85 Minuten vor.
Es tut mir um die Tochter und die Verbliebenen sehr leid, aber man muss nicht alles verfilmen (oder außerhalb der USa zeigen)