Freeheld

Eine Filmkritik von Stephan Langer

Viel Liebe, ein wenig Tod und zu viel Agitprop

Freeheld meint es ernst. Regisseur Peter Sollett greift die reale Thematik um die Polizistin Laurel Hester auf, die 2004 nach einer Krebsdiagnose ihre Pensionsansprüche nach über 20 Jahren Polizeidienst auf ihre Partnerin übertragen wollte. Die zuständigen Behörden lehnten das Gesuch wiederholt ab. Hester allerdings blieb in ihrem Ansinnen trotz voranschreitender Schwächung durch die Krankheit hartnäckig. Die nationalen US-Medien entdeckten das Thema bald für sich. Im Jahr 2007 wurde der Stoff von Cynthia Wade in dem Kurzdokumentarfilm Freeheld verarbeitet, der dem nun folgenden gleichnamigen Langfilm als Basis dient. Julianne Moore spielt Laurel Hester, Ellen Page ihre Lebensgefährtin Stacie Andree.
Dramaturgisch ist Freeheld leider etwas holzschnittartig geraten: Laurel Hester wird als Charakter kurz eingeführt – sie ist eine gewissenhafte und prinzipientreue Polizistin und Kollegin. Dann geht alles sehr schnell: sie lernt beim Sport ihre Zukünftige kennen, sie treffen sich, verlieben sich, wollen zusammenziehen, kaufen sich ein eigenes Haus, Stacie bekommt einen neuen Job, dann kommt eine Routineuntersuchung mit der überraschenden Krebsdiagnose, gefolgt vom Alltag strukturell-bürokratischer Diskriminierung homosexueller Paare und unbeugsames, zivilgesellschaftliches Engagement von Hester. Das Stakkato dieser Sätze ist hierbei angelehnt an das Stakkato der zügigen, etwas rumpeligen Handlungsabfolge. Der Schwerpunkt bei alledem liegt im letzten Punkt: das Auflehnen gegen die absurde juristische Vorschrift, ein Rentenanspruch stehe nur heterosexuellen Paaren zu. Die Krankheitsthematik wird erfrischenderweise nicht permanent im Vordergrund ausgestellt, trotzdem ist sie als ständiger Schatten in allen Bildern präsent.

Unterstützt durch den Score rührt Freeheld doch schon sehr (an vielen Stellen auch zu sehr) die Tränendrüse. Natürlich sind die Zuschauenden keine emotionslosen Steine und es gibt sie, die Gänsehaut-Momente. Die Art und Weise jedoch, mit der der Film einen mit seiner Haltung unterdrückt, ist etwas anstrengend. Ja, es ist schwer den Film nicht als „Schnulze“ zu bezeichnen, wobei das englische Wort dafür in diesem Fall noch passender ist: weepie. Wir sollen weinen – unbedingt und ohne Zweifel. Mehr noch: Alles, was einem scheinbar bleibt, ist passiv ja und amen zu den Geschehnissen auf der Leinwand zu sagen. Diesbezüglich sei betont: zu vielem würden die Zuschauenden vielleicht sowieso ja und amen sagen, aber wenn alle in einer penetrant emotionalisierenden, durch den Score unterstützen Dauerschleife ständig dazu aufgefordert werden, reichen die Reaktionen wohl eher von freundlicher Neutralität bis hin zu verärgerter Distanzierung. Daran kann auch Julianne Moore nicht viel ändern: sie gibt Laurel Hester zurückhaltend und minimal.

Die Beziehung der beiden Frauen, die hier porträtiert wird, passt sehr gut in einen tolerant-gesinnten, politisch korrekten, im Kern sehr konservativen Hollywood-Zeitgeist. Sie sind so sehr in ihrem Verhalten und ihren Wünschen an gesellschaftliche Normen angepasst (Reihenhaus, sozialversicherte Arbeit, Hund), dass ihre andere Form von Begehren fast ausgelöscht wird. Moore sagt an einer Stelle, dass es nicht um die Durchsetzung einer homosexuellen Heirat ginge (wie es die Aktivisten im Film wollen und die ja seit Kurzem in den USA möglich ist), sondern um die Anerkennung einer generellen Gleichheit. Das ist zunächst ein guter Punkt, nur wird damit die Unterschiedlichkeit der Lebensansätze so sehr verwischt, dass sie fast verschluckt wird. Sie lieben nur anders, sind aber ja gar nicht anders – das Private wird dabei akzeptiert, solange es privat bleibt.

Dahingehend ist es schade, dass es in Freeheld die Charaktere innerhalb ihrer eigenen Schablonenhaftigkeit und der formelhaften Konstruktion des Drehbuchs sowie der TV-Ästhetik nicht schaffen, plastisch zu werden. Im Film geht es ja um wirkliche Menschen und ein wirkliches Schicksal. Das kann beim Schauen allzu leicht vergessen werden, da die Figuren eher stromlinienförmige Motive beziehungsweise Fälle bleiben. Am Ende des Films sehen wir ein Bild der realen Lauren Hester zusammen mit Stacie Andree eingeblendet. Neben dem Umstand, dass der Geschichte damit eben jene Wirklichkeitsrelevanz verpasst wird, birgt dieses Bild eine große emotionale Kraft. Eine Kraft, die es Freeheld leider an keiner Stelle umzusetzen schafft. Vielleicht weil er sich in seiner gesamten Haltung etwas zu sehr selbst zur eigenen Leistung und zum eigenen Sieg gratuliert.

Freeheld

„Freeheld“ meint es ernst. Regisseur Peter Sollett greift die reale Thematik um die Polizistin Laurel Hester auf, die 2004 nach einer Krebsdiagnose ihre Pensionsansprüche nach über 20 Jahren Polizeidienst auf ihre Partnerin übertragen wollte. Die zuständigen Behörden lehnten das Gesuch wiederholt ab. Hester allerdings blieb in ihrem Ansinnen trotz voranschreitender Schwächung durch die Krankheit hartnäckig. Die nationalen US-Medien entdeckten das Thema bald für sich. Im Jahr 2007 wurde der Stoff von Cynthia Wade in dem Kurzdokumentarfilm „Freeheld“ verarbeitet, der dem nun folgenden gleichnamigen Langfilm als Basis dient.
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