Forever And A Day

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die unendliche Geschichte

Nach beinahe 50 Jahren ist Schluss. 2010 beginnen die Scorpions ihre Abschiedstournee, die fast drei Jahre und über 200 Auftritte umfasst. Doch dann kommt alles anders. Katja von Garnier hat die mit mehr als 100 Millionen verkaufter Tonträger erfolgreichste deutsche Rockband dabei begleitet und gewährt vor, auf und hinter der Bühne Einblicke in ihre Geschichte(n).
Eigentlich, ja eigentlich sollte das Konzert im Dezember 2012 in München das letzte in ihrer langen Karriere sein. Doch der Abschied fällt schwer. Als die Scorpions kurz darauf ein Angebot des Musiksenders MTV erhalten, unplugged in Athen zu spielen, packt die fünf Rocker erneut das „Jagdfieber“, wie es Sänger Klaus Meine formuliert. Die Gruppe um Meine und die Gitarristen Rudolf Schenker und Matthias Jabs geht in die Verlängerung – und mit ihr Katja von Garniers Dokumentarfilm. Mittlerweile ist längst eine Tour zum 50-jährigen Bandjubiläum angekündigt. Am 1. Mai 2015 fällt der Startschuss. Forever And A Day klinkt sich bereits 2014 aus. Die Dreharbeiten endeten mit einem Konzert vor über 200.000 Fans auf dem Heldenplatz in Budapest.

Dass es einen Rücktritt vom Rücktritt geben könnte, kündigt sich in Forever And A Day mehrfach an. Am deutlichsten äußert Lead-Gitarrist Jabs seine Abneigung gegen das Aus. Für ihn ist klar: Solange die Musiker fit sind und die Fans begeistern, gibt es nichts Schöneres, als auf der Bühne zu stehen. Doch der Grat zwischen überzeugender Performance und Peinlichkeit ist schmal. Peter Amend, der 2014 verstorbene Manager der Band, bringt es auf den Punkt: „Es ist für einen Rockstar unmöglich, in Würde zu altern. Es sei denn, er hört rechtzeitig auf. Und jetzt ist die Frage: Was heißt rechtzeitig?“ Musikalisch wahren die Scorpions ihre Würde, was die Gesten und das Outfit betrifft, agieren jedoch einige – allen voran Schenker – wie Berufsjugendliche. Und so ist Katja von Garnier in erster Linie ein Film über die Schwierigkeiten des Älterwerdens, über das Loslassen und über den Kick im Showbusiness gelungen.

Die (vermeintliche) Abschiedstournee bildet das erzählerische Grundgerüst. Die Dreharbeiten beginnen im Februar 2011 in Bangkok. Eine Art Countdown informiert die Zuschauer, wie viele Monate die Band noch vom letzten Konzert entfernt ist. Vom Touralltag stößt die Regisseurin mittels Gesprächen und Archivmaterial tief in die Vergangenheit vor. Dabei handelt sie die Geschichte der Rockmusiker nicht streng chronologisch ab, sondern orientiert sich an aktuellen Spielorten und Ereignissen. Führen die Konzerte in die USA, beleuchtet die Filmemacherin die Erfolgsgeschichte der Scorpions jenseits des Großen Teichs, treten sie in Russland auf, rücken die Zeit um den Mauerfall samt ihrem Besuch bei Michail Gorbatschow und der Welthit „Wind of Change“ in den Mittelpunkt. Internationale Journalisten, Musiker und andere Weggefährten ordnen den Werdegang der Band ein. Auch Gorbatschow kommt zu Wort, der sein Verhältnis zu Klaus Meine und dessen Frau als freundschaftlich bezeichnet.

Für die Regisseurin haben die Scorpions ihr privates Archiv geöffnet, zeigen einige bisher unveröffentlichte Aufnahmen. Und doch beschleicht einen das Gefühl, das alles schon einmal gesehen zu haben. Wer die Fernsehdokumentation Die Scorpions-Story: 40 Jahre Weltstars kennt, die Ende 2013 bei Vox über den Äther ging, wird bis auf die Abschiedstour wenig Neues entdecken. Zumal die Fernsehproduktion einige unangenehme Kapitel der Bandgeschichte beleuchtet, die Katja von Garniers Dokumentarfilm ausspart.

Und so punktet Forever And A Day in zweiter Linie vor allem als Konzertfilm. Wenn die Regisseurin in den ersten Minuten „Big City Nights“ in Szene setzt, von Archivaufnahmen des Songs zur Darbietung während der Abschiedstour, von Schwarzweiß zu Farbe wechselt und mit mehreren Kameras auf und neben der Bühne das Geschehen einfängt, verströmen der brachiale Sound und die Energie der Fans auch im Kinosaal Stadionatmosphäre. Dass das Anpeitschen vor der Bühne auf die Musiker wie eine Droge wirkt, von der sie auch nach fünf Jahrzehnten nicht die Finger lassen können, erschließt sich hier auch jedem Nichtmusiker.

Forever And A Day

Nach beinahe 50 Jahren ist Schluss. 2010 beginnen die Scorpions ihre Abschiedstournee, die fast drei Jahre und über 200 Auftritte umfasst. Doch dann kommt alles anders. Katja von Garnier hat die mit mehr als 100 Millionen verkaufter Tonträger erfolgreichste deutsche Rockband dabei begleitet und gewährt vor, auf und hinter der Bühne Einblicke in ihre Geschichte(n).
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