Footnote

Eine Filmkritik von Festivalkritik von Joachim Kurz

Ein akademischer Kleinkrieg

Professor Ezekiel Shkolnik (Shlomo Bar Aba) ist ein bienenfleißiger Arbeiter im Garten der Wissenschaften — und wartet nach vielen Jahren immer noch auf die ihm gebührende Anerkennung seiner Verdienste. Doch die einzige nennenswerte Erwähnung, zu der es Ezekiel wirklich gebracht hat, ist eine Fußnote im Werk eines anerkannten Forschers. Dennoch ist der Talmud-Gelehrte immer wieder aufs Neue für den „Preis des Staates Israel“ nominiert — die höchste akademische Auszeichnung des Landes — und geht mit schöner Regelmäßigkeit leer aus. Dafür sorgt schon sein Rivale Professor Yehuda Grossmann (Micah Lewesohn), der der Vergabekommission des Preises vorsteht.
Das alles wäre vielleicht noch einigermaßen zu ertragen, wenn in diesem Jahr nicht ausgerechnet Ezekiels Sohn Uriel (Lior Ashkenazy), gleichfalls Talmud-Forscher an der Universität von Jerusalem, aber akademisch eher modern in seiner Methodik, mit dem Preis bedacht würde. Und es kommt noch schlimmer: Durch eine Namensverwechslung wird zunächst dem Vater mitgeteilt, dass er der Preisträger sei. Als das überaus peinliche Versehen herauskommt, sind die Offiziellen derart berührt, dass sie Uriel in das Missgeschick einweihen. Er soll mit ihnen einen Weg finden, die Meldung, die sich bereits in der Presse wiederfindet zu revidieren, ohne dass man das Gesicht verliere. Doch Uriel ahnt ganz genau, dass die Enthüllung des wahren Preisträgers seinen Vater vermutlich ins Grab brächte. Und so versucht er zu retten, was noch zu retten ist, erreicht, dass sein Vater doch den Preis bekommen darf. Weil er aber auch die Begründung für den Preis schreiben muss, fliegt der Deal am Ende doch auf — schließlich ist Ezekiel ein versierter Komparatist, der selbst in modernen Schriften verräterische Spuren entdecken kann.

Ezekiel ist ein Kauz, dem man die Spuren der jahrezehntelange Missachtung im Wissenschaftsbetrieb anmerkt. Am liebsten vergräbt er sich in Archiven oder in seinem Studierzimmer, wo er sich klobige gelbe Lärmschutz-Kopfhörer aufsetzt, um seine Ruhe zu haben. Dies ist insofern eine zentrale Szene des Films, weil man sich nach spätestens einer halben Stunde genau solch einen Gehörschutz dringlichst wünscht. Der Grund dafür liegt in der permanent donnernden, sehr aufdringlichen Musik, die dem Spiel der Darsteller kaum einen Moment der Ruhe gönnt und andauernd im sinfonischen Gewande Dramatik und oder heitere Ironie simuliert. Die besitzt der Film zwar im durchaus bescheidenen Maße.

Zugleich aber schafft es Footnote niemals, seinen Blick von den akademischen Streitereien und deren Auswirkungen auf familiäre Konstellationen abzuwenden und den Konflikt zwischen Traditionalisten und Reformern als (in Israel sehr präsentes) gesellschaftliches Problem zu betrachten. Joseph Cedar (Beaufort) bleibt ganz eng im akademischen Milieu, imitiert dies mit erzählerischen Exkursen, die die wissenschaftliche Praxis der Fußnoten imitieren, und benutzt Schnitte, die das Lesen am Mikrofiche-Lesegerät nachahmen. Gut möglich, dass der Film für Uni-Angestellte, Professoren und andere Akademiker durchaus seine erheiternden Momente hat, für ein größeres Publikum aber fehlt es dem Film schlicht an Relevanz und einer Botschaft. Ein „summa cum laude“ am Ende des Wettbewerbs dürfte daher ungefähr so wahrscheinlich sein wie die Wiederherstellung der akademischen Reputation eines früheren deutschen Verteidigungsministers, dessen Name mir gerade entfallen ist.

(Festivalkritik von Joachim Kurz)

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Professor Ezekiel Shkolnik (Shlomo Bar Aba) ist ein bienenfleißiger Arbeiter im Garten der Wissenschaften — und wartet nach vielen Jahren immer noch auf die ihm gebührende Anerkennung seiner Verdienste. Doch die einzige nennenswerte Erwähnung, zu der es Ezekiel wirklich gebracht hat, ist eine Fußnote im Werk eines anerkannten Forschers.
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Meinungen

feicie rosenberg · 26.04.2012

genialer film, super gespielt, einfach sehenswert!!!!!!!!!!!!!!!!