Familiengrab

Hitchcock vom Feinsten

Die angebliche Hellseherin Blanche Tyler (Barbara Harris) erhält von einer offensichtlich betuchten älteren Dame den Auftrag, deren Neffen ausfindig zu machen, auf den ein Millionenerbe wartet. Für Blanche die Chance ihres Lebens, endgültig aus den anhaltenden finanziellen Kalamitäten herauszukommen. Gemeinsam mit ihrem Freund George (Bruce Dern), einem Taxifahrer und Möchtegernschauspieler, setzt sie sich auf die Spur des verschwundenen Erben und stößt auf Dinge, die sie nicht im Entferntesten ahnte. .Denn der gesuchte Erbe Adam Adamson (William Devane) hat eine falsche Identität angenommen und benutzt seine Tarnung als hochanständiger Juwelier dazu, um mit seiner Komplizin Fran (Karen Black) wohlbetuchte Geschäftsleute zu entführen. Unversehens sehen sich die beiden „Detektive“ Blanche und George anderen, schrecklicheren Gangstern gegenüber, denen sie kaum das Wasser reichen können. Denn Adamson hat gerade einen leibhaftigen Bischof entführt und kann keine Mitwisser gebrauchen.

Familiengrab ist der letzte der mehr als 50 Filme von Alfred Hitchcock. Das Projekt The Short Night, an dem er zuletzt arbeitete, konnte Alfred Hitchcock nicht mehr fertig stellen, er starb 1980, so dass Familiengrab auch so etwas wie sein filmisches Vermächtnis wurde. Ein bitterböses, düsteres und zugleich augenzwinkernd komisches Vermächtnis freilich, wie es „Hitch“ würdig ist. Ein makaberes und virtuoses Spiel der Identitäten, ein Film, in dem niemand gut, aber alle herrlich durchtrieben und böse sind. Schon der englische Filmtitel Family Plot gibt einen Eindruck von den Grundzügen der Handlung, denn „Plot“ bedeutet „Intrige“, aber auch „Grab“ und „Handlung“. Ein Film, der so frisch und unverbraucht wirkte, dass niemand ahnen konnte, dass dies Hitchcocks letzter Film sein würde. Doch einen kleinen Hinweis gab es bereits: Denn Hitchs obligatorischer Cameo-Auftritt in Familiengrab scheint den Tod des Meisters des Suspense bereits wie ein düsteres Orakel vorherzusagen — der Regisseur taucht lediglich als Schatten auf, gespiegelt durch die Scheibe der „Registratur für Geburten und Todesfälle“.

Familiengrab

Die angebliche Hellseherin Blanche Tyler (Barbara Harris) erhält von einer offensichtlich betuchten älteren Dame den Auftrag, deren Neffen ausfindig zu machen, auf den ein Millionenerbe wartet.

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Meinungen

Martin Zopick · 05.11.2019

Es ist Alfred Hitchcocks letzter Film. Der deutsche Titel kommt also schon etwas visionär daher. Im Original heißt es schlicht und ergreifend eine ‘Familiengeschichte‘. Beide Bezeichnungen passen zum Film wie Kakao zum Kaktus. Alf muss schon 1976 sehr krank gewesen sein. (Tabletten, Alkohol) So hat man den Eindruck, er habe den Streifen mit letzter Kraft runtergekurbelt, ohne Witz und ohne Spannung. Die vier Darsteller agieren lustlos, die Handlung quält sich zäh dahin. Lediglich die Talabfahrt von Bruce Dern und Barbara Harris mit defekten Bremsen wirkt etwas flotter, ist aber auch nicht gerade innovativ. Ihre Kontrahenten Karen Black und William Devane sollten eigentlich etwas furchteinflößende Spannung erzeugen, scheinen aber eher zum Kaffeeklatsch aufgelegt. Keiner der vier ist ein echter Charakter. Besondern Barbara Harris fällt negativ aus dem Rahmen. Bei ihr wird es am deutlichsten, wie sehr der Spagat zwischen Komödie und Krimi in die Hose gegangen ist. Oft witzlos mit logischen Knacks wird’s durch eine Séance auch noch kryptischer. Der Anfang stiftet also gleich Verwirrung. Doch da ist man noch guter Hoffnung, dass es irgendwann eine Aufklärung geben wird. Reicht da ein Grabstein, gegen den Mal getreten wird aus? Oder das Augenzwinkern von Barbara Harris in die Kamera als letzte Einstellung? Selbst Alfs legendärer Cameo ist fast nicht erkennbar. R.I.P. lieber Alf. Du hast Besseres gemacht.