Ex Machina (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Gefangen im Forschungsparadies

Vor fast genau einem Jahr trieb Johnny Depp im Science-Fiction-Thriller Transcendence zunächst als idealistischer Wissenschaftler, dann als größenwahnsinniger Supercomputer sein Unwesen auf den Leinwänden. Christopher Nolans Stammkameramann Wally Pfister versuchte sich in dieser pessimistischen Zukunftsvision an einer Auseinandersetzung mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“, verlor aber spätestens nach der Hälfte den Zugriff auf seinen Film.

Deutlich fesselnder erweist sich im Vergleich das Regiedebüt des britischen Roman- und Drehbuchautors Alex Garland (Sunshine), das ebenfalls den technischen Fortschritt und dessen Begleiterscheinungen unter die Lupe nimmt. Nur eben viel cleverer und noch dazu visuell eindrücklicher, was durchaus verwundern muss. Immerhin stand Pfister ein weitaus höheres Budget zur Verfügung.

Eher ungewöhnlich für einen futuristischen Stoff ist schon die konsequente Reduktion auf nahezu einen Handlungsort und ein äußerst überschaubares Figurenpersonal. Abgesehen von einigen imposanten Naturaufnahmen haben wir es hier mit einem waschechten Kammerspiel zu tun, das von Anfang an ein diffuses Unbehagen verströmt. Stellvertreter des Zuschauers ist der 24-jährige Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson), der für ein riesiges Internetunternehmen arbeitet und überraschend einen firmeninternen Wettbewerb gewinnt. Die Belohnung: Ein einwöchiger Aufenthalt im Anwesen seines Chefs, das weit abgeschieden in der Bergwelt Alaskas (gedreht wurde in Norwegen) liegt.

Nathan (Oscar Isaac) tritt dem eingeschüchterten Gast äußerst kumpelhaft entgegen und erklärt ihm den eigentlichen Grund für seine Anreise. Caleb soll in den folgenden Tagen die Roboterfrau Ava (Alicia Vikander), die neueste Schöpfung seines Gönners, einem Turing-Test unterziehen. Das heißt, prüfen, ob das sinnliche Maschinenwesen, wirklich denken und fühlen kann. Als der junge Programmierer rasch ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinem Forschungsobjekt aufbaut, kommt es immer häufiger zu Irritationen. Sein Auftraggeber verhält sich seltsam launisch, und Ava warnt Caleb schließlich vor Nathans Verschlagenheit.

Atemberaubend ist an Ex Machina zweifellos das befremdliche, aber ebenso beeindruckende Setting. Eine High-Tech-Villa, die in das wilde Bergpanorama hineingeworfen scheint und auf faszinierende Weise mit ihrer natürlichen Umgebung „interagiert“. So ragt ein Felsen mitten in eines der Zimmer hinein. Glas und klare Linien dominieren den hypermodernen Laborbereich, der dennoch vollkommen klaustrophobisch erscheint. Das Haus ist riesig, weit verzweigt, macht Caleb allerdings auch zu einem Gefangenen, da er mit seiner Zutrittskarte nicht in alle Räumlichkeiten gelangen kann. Überall sind Kameras installiert, die der Gastgeber dazu nutzt, die Unterhaltungen zwischen dem Besucher und Ava zu verfolgen. Ein Überwachungsszenario, das umgehend Beklemmung auslöst und zu einem späteren Zeitpunkt eine nicht unwichtige Rolle spielen wird.

Überhaupt findet man sich als Zuschauer schnell in einem permanenten Anspannungszustand wieder, da weder der Hausherr noch die betörende Ava vollends zu durchschauen sind. Technikgenie und Internetmilliardär Nathan tritt, übliche Darstellungsweisen unterlaufend, als bärtiges Alphamännchen in Erscheinung, das ständig Muskelshirts trägt und geradezu allergisch auf Calebs Lehrbuchvorträge zur künstlichen Intelligenz reagiert. Dass dieser virile Exzentriker eine latent bedrohliche Aura ausstrahlt, ist in besonderem Maße Shootingstar Oscar Isaac zu verdanken, der hier einmal mehr seine enorme Wandelbarkeit unter Beweis stellt. Roboterfrau Ava, die mit den ebenmäßigen Zügen der Schwedin Alicia Vikander ausgestattet ist, wirkt hingegen sanftmütig und hebt sich deutlich von dem nach Allmacht strebenden KI-Wesen ab, das Pfister in Transcendence auf die Menschheit loslässt. Die Androidin scheint ernsthaft an Calebs Zuneigung interessiert und strahlt – auch aufgrund einer aufregenden optischen Gestaltung – eine unglaubliche Faszination aus. Nichtsdestotrotz bleiben kleine Restzweifel bestehen. Schließlich ist nicht ganz klar, welche Absichten Ava verfolgt.

Auch wenn auf der Plot-Ebene lange Zeit wenig Handfestes passiert, bringt Garland das Kunststück fertig, die komplexe Dreierbeziehung – im Anwesen geistert zudem eine stumme asiatische Hausdienerin umher – in ein abgründiges Psychospiel zu verwandeln. Gekonnt bewegt sich der Film dabei zwischen romantischen Anwandlungen, beunruhigenden Horror-Bildern – das Frankenstein-Motiv lässt grüßen! – und wissenschaftlichen Überlegungen, die zumeist erfreulich unprätentiös daherkommen. Hier und da hätte der Neuregisseur vielleicht auf die Erwähnung eines großen Namens verzichten können, generell lassen die philosophischen Spitzen die Kammerspielsituation allerdings noch existenzieller erscheinen. Ex Machina wirft drängende Fragen zum Umgang mit technischen Möglichkeiten auf, nimmt den Kern des Menschseins in den Blick und macht selbst vor kritischen Geschlechterbetrachtungen nicht Halt.

Was für sich genommen schrecklich theoretisch klingt, ergibt dank vortrefflicher Darstellerleistungen, kühl-visionärer Szenenbilder, gut platzierter Wendungen und einer manchmal verstörenden Musikuntermalung einen Film, der durchaus das Zeug zum Klassiker hat. Sicher auch, weil die sorgsam aufgebaute Spannung im Finale auf kompromisslose, aber ebenso nachvollziehbare Weise explodiert. Statt nun in einen plumpen Effektmodus zu schalten, konzentriert sich Garland weiterhin auf seine Figuren und verleiht dem Showdown damit eine geradezu tragisch-melancholische Note. Wer sich für vielschichtige Zukunftsvisionen abseits lärmender Multiplex-Arbeiten begeistern kann, sollte sich dieses eindrückliche Regiedebüt nicht entgehen lassen!
 

Ex Machina (2014)

Vor fast genau einem Jahr trieb Johnny Depp im Science-Fiction-Thriller „Transcendence“ zunächst als idealistischer Wissenschaftler, dann als größenwahnsinniger Supercomputer sein Unwesen auf den Leinwänden. Christopher Nolans Stammkameramann Wally Pfister versuchte sich in dieser pessimistischen Zukunftsvision an einer Auseinandersetzung mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“, verlor aber spätestens nach der Hälfte den Zugriff auf seinen Film.

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Meinungen

Hans im Glück · 13.12.2021

Ein wirklich tolles Kammerspiel, bei dem man sich vor Spannung immer mehr aus dem Sessel in Richtung Leinwand drückt.
Ein absoluter Knaller, den jede Person gesehen haben sollte.

David R. · 26.04.2015

Volle Zustimmung zu dieser treffenden Kritik. Hab es selbst ganz ähnlich gesehen (und auf unserem Blog niedergeschrieben), will jedoch noch einmal auf die Rolle des vorzüglichen Soundtracks eingehen: Die brutal-zärtliche, undurchdringliche und mysteriöse Schönheit der Klangwelten von Mr. "Portishead" Geoff Barrow und Ben Salisbury sucht zumindest dieses Jahr bisher ihresgleichen. Toller Film, der hoffentlich im Avengers-Bombast nicht untergeht! Wie ich hörte haben einige "streikende" Kinos statt den Avengers diesen feinen Streifen programmiert - was besseres hätte wohl kaum passieren können...