Everyday Rebellion

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein Loblied auf gewaltfreien Aktivismus

In Syrien oder im Iran können die Menschen nicht einfach so auf die Straße gehen, um gegen das totalitäre Regime zu protestieren. Aber manchmal kullern Tischtennisbälle mit Widerstandsparolen eine öffentliche Treppe hinab. Über Nacht entstehen an Wänden Graffitis, mitten am Tag steigen Luftballons auf, die platzen und Flugblätter freigeben. Auch die Protestbewegungen in der westlichen Welt sind erfinderisch in ihren Mitteln, wie der Dokumentarfilm Everyday Rebellion unter anderem am Beispiel von Occupy Wall Street in New York zeigt. Die Brüder Arash T. und Arman T. Riahi stellen in ihrem mit dem Cinema for Peace Award 2014 ausgezeichneten Film fest, dass sich die Strategien gewaltfreier Aktivisten aus aller Welt gleichen. Denn viele Gruppierungen mit inhaltlich unterschiedlichen Zielen tauschen sich über ihre Methoden aus und lernen voneinander.
Als Teil eines gleichnamigen Crossmedia-Projekts, zu dem auch eine Web-Plattform und interaktive Tools für Aktivisten gehören, beschränkt sich der Dokumentarfilm nicht auf eine unbeteiligte Beobachtung der Widerstandsgruppen. Er versteht sich vielmehr als Hommage an den gewaltlosen Protest, mit dem Bürger verschiedenster Länder für ihre Rechte eintreten. So sieht sich auch das Publikum dazu ermuntert, für eine bessere Gesellschaft auf die Straße zu gehen. Die Riahi-Brüder kennen ihr Thema aus dem eigenen Leben: Sie mussten in den 1980er Jahren als Kinder mit ihren Eltern aus dem Iran fliehen, nachdem diese gegen die Regierung demonstriert hatten.

Für diesen Film reisten sie nicht nur nach Teheran und in Länder aus dem arabischen Raum, sondern besuchten auch Protestgruppen in New York und Europa. Sie begleiten über einen längeren Zeitraum die Femen-Aktivistin Inna Shevchenko, die sich 2012 aus Kiew absetzen musste und nach Paris ging. Die Kamera fängt medienwirksame Überraschungsauftritte der Frauen mit den auf den nackten Oberkörper gemalten Parolen ein und lässt Shevchenko selbst erzählen. Indem sie einzelne Aktivisten zu Gesprächen auch im privaten Bereich aufsuchen, liefern die Riahi-Brüder interessante Einblicke in die Hintergründe der Proteste, die man sonst lediglich aus den flüchtigen Bildern der Nachrichtensendungen kennt.

In Madrid sprechen die Filmemacher mit Menschen, die sich gegen Zwangsräumungen bei verschuldeten Einwohnern wehren. In New York verfolgen sie das Strategietraining von Occupy-Gruppen. Die lauten Rufe und Happenings, die im Herbst 2012 an der Wall Street die gewohnte Ordnung stören, sind das Ergebnis minutiöser Planung. Das häufige Springen des Films von einem Schauplatz zum anderen erweckt den Eindruck einer globalen Gemeinschaft zivilen Widerstands. Diese Collage bleibt aber auch notgedrungen oberflächlich und wirkt manchmal verwirrend. Im letzten Abschnitt scheinen sich die Impressionen dann sogar zu wiederholen, ohne die Spannung oder die Erkenntnis weiter zu vertiefen.

Manchmal ist das konspirative Flüstern von Stimmen aus dem Off zu hören, die Visionen einer besseren, freieren Welt beschwören. Weil das Internet globale Wachsamkeit erzeugt, ist es für die meisten Gruppen ein wichtiges Hilfsmittel. Auch der Film spiegelt seine Bedeutung, indem er gelegentlich Nachrichten und Reaktionen aus Social-Media-Plattformen einblendet. Aber die Theoretiker der Szene betonen mehrmals, dass es unerlässlich sei, sich im realen Raum zu zeigen und Gehör zu beanspruchen. Indem Everyday Rebellion die bunte Vielfalt und den Einfallsreichtum der Protestgruppen mit so viel Sympathie spiegelt, setzt er dem globalen Phänomen des politischen Aktivismus ein beseeltes Denkmal.

Everyday Rebellion

In Syrien oder im Iran können die Menschen nicht einfach so auf die Straße gehen, um gegen das totalitäre Regime zu protestieren. Aber manchmal kullern Tischtennisbälle mit Widerstandsparolen eine öffentliche Treppe hinab. Über Nacht entstehen an Wänden Graffitis, mitten am Tag steigen Luftballons auf, die platzen und Flugblätter freigeben. Auch die Protestbewegungen in der westlichen Welt sind erfinderisch in ihren Mitteln, wie der Dokumentarfilm „Everyday Rebellion“ unter anderem am Beispiel von Occupy Wall Street in New York zeigt.
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