Everybody Wants Some!!

Eine Filmkritik von Falk Straub

Benebelt und verwirrt

Nach seinem Publikums- und Kritikerliebling Boyhood legt Regisseur Richard Linklater eine Komödie nach, die zwar genau da anknüpft, wo der Vorgänger aufhörte – mit dem ersten Tag am College –, inhaltlich jedoch eher an eine Neuauflage von Confusion – Sommer der Ausgeflippten (1993) erinnert. Der Titel nach einem Van-Halen-Song ist auf jeden Fall Programm: Everybody Wants Some!!
Die Stimmung eines Films durch dessen Soundtrack zu vermitteln, vermag wohl keiner so gekonnt wie Quentin Tarantino. Dessen Landsmann Richard Linklater trägt deutlich dicker auf. Zu Beginn von Boyhood (2014) liegt der siebenjährige Mason (Ellar Coltrane) im Gras, den Blick in die Wolken gerichtet. Die Kamera gleitet sanft nach oben, der Coldplay-Song Yellow setzt ein. Wenige Szenen später ein abrupter Wechsel: Der Junge jagt zu den Klängen von The HivesHate to Say I Told You So mit dem Rad durch die Landschaft. Linklater hat sein Ziel dennoch erreicht. Der Rahmen ist gesetzt. Wir befinden uns am Anfang des neuen Jahrtausends und jeder, der die Zeit selbst erlebt hat und die Musik kennt, verbindet seine eigenen Erinnerungen damit.

Auch in seinem jüngsten Film vermittelt der texanische Regisseur die Stimmung einer Epoche zu großen Teilen über die Musik. Die Leinwand ist noch schwarz, als The Knack ihr hartes Gitarrenriff zum Rhythmus des Schlagzeugs ertönen lassen. Zu den Klängen von My Sharona kurvt Jake (Blake Jenner) über das Gelände seines künftigen Colleges, nur die linke Hand am Steuer, die rechte lässig über den Beifahrersitz gelegt, auf der Rückbank eine Kiste voller Platten. Jakes Blick schweift über die Miniröcke und Hotpants der Studentinnen. Dann gibt der Filmtitel das Thema vor: Everybody Wants Some!! Und auch hier sind wir direkt drin, packt uns der Beat. Selbst die Nachgeborenen, die das Jahrzehnt nicht miterlebt haben, spüren diesen heißen texanischen Sommer 1980 im Kinosaal.

Es ist die Zeit der zu kurzen Jeans und langen Sportsocken, der Schnauzbärte, Skateboards und Spielhallen. Die Siebziger sind gerade erst vorüber und ragen mit ihren Schlaghosen und dem Disco-Sound noch an allen Ecken und Enden in diesen Film. Jake ist einer der neuen Pitcher im Baseballteam der Hochschule. Auf dem Campus teilt er sich zwei heruntergekommene Häuser mit seinen Mitspielern. Dort gelten nur zwei Regeln: kein Alkohol im Haus und keine Frauen auf den Zimmern. Klar, dass sich die vor Testosteron strotzenden Jungs nicht lange daran halten. Wir sind bei ihren nächtlichen Streifzügen durch die Diskotheken, Country-Bars und Punkschuppen dabei, begleiten sie zum ersten Training, hören ihnen beim zugedröhnten Philosophieren zu und nehmen an einer Hausparty samt Schlammcatchen teil. Dazwischen streut Linklater immer wieder kleine Hahnenkämpfe. Unter den gelangweilten Sportskanonen, die größtenteils von viel zu alten Darstellern verkörpert werden, mutiert alles zum Wettbewerb – ob ein harmloses Tischtennismatch oder blutige Fingerschläge. Das ist mal mehr, meist weniger komisch und ziemlich schnell ermüdend.

Nachdem Richard Linklater uns 1993 die 1970er Jahre nahebrachte, ist nun das Folgejahrzehnt dran. Erneut zieht er einen engen zeitlichen Rahmen. Folgte er in Confusion – Sommer der Ausgeflippten (OT: Dazed and Confused nach einem Led Zeppelin-Song) einer Gruppe Teenager an ihrem letzten Schultag vor den Sommerferien 1976, begleitet er Jake und dessen Teamkollegen an einem einzigen Wochenende 1980. Inserts zählen die Zeit bis zum Semesterbeginn herunter. Mit der ersten Vorlesung endet der Film. Davor fängt Linklater das gelangweilte Nichtstun mit langen Einstellungen, elaborierten Kamerafahrten und viel Sinn für Zeitkolorit ein.

Das sieht zwar alles eine Klasse besser aus als noch bei Confusion, bietet inhaltlich jedoch keinerlei Mehrwert. Die Dinge, die die Protagonisten in beiden Filmen innerlich wie äußerlich antreiben, sind dieselben. Linklaters Protagonisten sind immer noch benebelt und ratlos. Ihre Gespräche über Gott und die Welt, über Frauen, Drogen, Musik und Sport bleiben in Everybody Wants Some!! jedoch erschreckend oberflächlich. Nach Boyhood und der Before-Trilogie (1995-2013) fühlt sich das wie ein gewaltiger Rückschritt an. Selbst Confusion wirkt in der Rückschau reifer und um Längen amüsanter. Den Übergang von den 1970er zu den 1980er Jahren und das Gefühl des Aufbruchs und der absoluten Freiheit zu Beginn des Studiums mag Linklater mit Everybody Wants Some!! zwar virtuos einfangen, uns damit über beinahe zwei Stunden zu fesseln, gelingt ihm nicht. Da hilft auch die Liebesgeschichte nicht, die sich abseits aller Männlichkeitsrituale zwischen Jake und der Kunststudentin Beverly (Zoey Deutch) geradezu zärtlich entspinnt. Am Ende überwiegen infantile Spielchen und spätpubertäre Weisheiten über das weibliche Geschlecht. Das haben andere und Linklater selbst bereits deutlich unterhaltsamer auf die Leinwand gebracht.

Everybody Wants Some!!

Nach seinem Publikums- und Kritikerliebling Boyhood legt Regisseur Richard Linklater eine Komödie nach, die zwar genau da anknüpft, wo Boyhood aufhörte – mit dem ersten Tag am College –, inhaltlich jedoch eher an eine Neuauflage von Confusion – Sommer der Ausgeflippten (1993) erinnert. Der Titel nach einem Van-Halen-Song ist auf jeden Fall Programm: Everybody Wants Some!!
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