Europa - Ein Kontinent als Beute (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Schwarzbuch Europa

Selbst wenn man versucht, es mit kühlem Kopf zu betrachten: Der derzeitige Zustand der EU ist nicht gut. Die nach wie vor verheerenden Auswirkungen der Finanzkrise haben vor allem die Länder an den südlichen Rändern der Union in ein Chaos gestürzt. Die Schuldenlast ist enorm, die Arbeitslosenquote vor allem unter jungen Leuten erdrückend. Es entsteht eine verlorene Generation, die trotz guter Ausbildung keine Zukunft mehr im eigenen Lande sieht und deshalb zum Brain drain beiträgt, indem sie die Heimat verlässt und anderswo ihr ungewisses Glück sucht. Hinzu kommen Uneinigkeit und Streitereien – beispielsweise in der Flüchtlingsfrage –, Politik- und Europaverdrossenheit, Abspaltungsbewegungen wie gerade in Großbritannien zu beobachten und eine unter der Trump-Administration noch einmal erstarkte antieuropäische Haltung. Außerdem gibt es ohne jeden Zweifel innerhalb der Führungsebene der EU erhebliche strukturelle Probleme, die von der schwachen Stellung des Europaparlaments über eine überbordende bürokratische Regulierungswut bis hin zum Einfluss der Lobbyisten in Brüssel reichen – von letzterem wusste schon der Film The Brussels Business vor einigen Jahren vieles zu berichten.

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In Europa — Ein Kontinent als Beute fassen die beiden Filmemacher Christoph Schuch und Reiner Krausz noch einmal zahlreiche Kritikpunkte zusammen, lassen einige Experten zu Wort kommen und kombinieren diese Aussagen mit eindrucksvollen Bildern von Denkmälern und Bauruinen in Portugal, Spanien und Griechenland, die den desolaten Zustand der Europäischen Union illustrieren sollen. Verstärkt wird deren Wirkung noch durch den bewusst atonal gehaltenen Soundtrack von Oliver Augst und Marcel Daemgen. Das Ergebnis ist ebenso ambivalent wie die EU selbst: Zwischen kritischer Analyse und Thesen am Rande zu Verschwörungstheorien entsteht ein derart desolates Bild eines Kontinents, dass der Film durchaus als handfestes Pamphlet gegen Europa verstanden werden kann – er ist Wasser auf den Mühlen all jener Euroskeptiker, die gerade selbst in bislang glimpflich davongekommenen Ländern wie Frankreich, den Niederlanden und Deutschland Oberwasser zu bekommen drohen.


Das liegt vor allem an den Experten, die Schuch und Krausz heranziehen: Neben dem EU-Parlamentarier Fabio De Masi bekommen unter anderem der 9/11-Skeptiker Daniele Ganser und der als „Mr. Dax“ bekannte „Börsenguru“ Dirk Müller viel Platz – und insbesondere letzterer nutzt die Bühne für einige steile Thesen, die zuvor Geäußertes in ein trübes Licht stellen. Was hingegen völlig fehlt, sind Gegenstimmen, die nicht in den Chor der Klagenden einstimmen, sondern auch das herausarbeiten, was die EU bei aller berechtigen Kritik in den vergangenen Jahren geleistet hat. Zudem fehlen neuere Entwicklungen wie etwa der Brexit und die Auswirkungen der Migrationsbewegungen der vergangenen Jahre, während vor allem der Krieg in der Ukraine einen breiten Raum einnimmt. Eindrucksvoll sind vor allem jene kurzen Einschübe, in denen die Betroffenen selbst zu Wort kommen wie etwa wie eine junge portugiesische Akademikerin oder zwei spanische Aktivisten, die anhand des nicht fertiggestellten Fußballstadions von Valencia die Logik des hemmungslosen Neoliberalismus, der Schulden sozialisiert, Gewinne aber privatisiert, bewusstmachen. Insgesamt stimmen aber auch diese Aussagen nicht gerade hoffnungsfroh, was die Zukunft der Europäischen Union anbelangt.

So wird Europa — Ein Kontinent als Beute trotz der gegenteiligen Beteuerungen der beiden Regisseure, die von der Hoffnung auf ein besseres und sozialeres Europa angetrieben werden, vor allem all diejenigen bestätigen, die meinen, dass die EU ein überholtes Modell ist. Freuen dürfte dies vor allem die Populisten und EU-Skeptiker – und all jene, die offen oder versteckt gegen ein starkes Europa arbeiten.
 

Europa - Ein Kontinent als Beute (2016)

Seit ihrer Gründung kümmert sich die EU um das Zusammenwachsen der Länder Europas und die Entwicklung eines Gefühls der Zusammengehörigkeit ihrer eigenständigen Staaten. Doch dann kommt es zur globalen Finanzkrise und jedes Land ist vorrangig um seine eigenen Bewohner besorgt. Fremdenhass und Anfeindungen finden wieder mehr Fuß und der Nationalismus wächst. Der Dokumentarfilm untersucht dieses Phänomen, u.a. in Finanzmetropolen, dem EU-Parlament und stark betroffene Regionen.

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