Elling

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Donnerstag, 24. August 2006, 3sat, 22:25 Uhr

Eigentlich ist das Leben gar nicht so schlecht in der anheimelnden psychiatrischen Anstalt, die Elling (Per Christian Ellefsen) und Kjell (Sven Nordin) beherbergt. Das Essen steht stets pünktlich auf dem Tisch, und auch die anderen Sorgen des Alltags dringen nicht durch den Schutzpanzer der staatlichen Fürsorge. Doch dann beschließt die Klinikleitung, einige Patienten langsam wieder an das normale Leben heranzuführen. Und auch Elling und Kjell sind unter den Auserwählten, die – gemeinsam mit dem Sozialarbeiter Frank Asli (Jørgen Langhelle) – eine Wohnung mitten in Oslo beziehen dürfen und die sich nun den Widrigkeiten des Alltags stellen müssen. Dass das gar nicht so einfach ist, spüren die beiden Helden schnell: Für den schüchternen und gehemmten Elling, der nach dem Tod seiner Mutter wie weiland Kaspar Hauser einsam und verwahrlost aufgegriffen wurde, gerät jeder Einkauf im Supermarkt zu einem regelrechten Abenteuer, von Restaurantbesuchen oder Telefongesprächen ganz zu schweigen. Schließlich aber findet Elling heraus, dass er dazu berufen ist, seine lyrischen Versuche in Sauerkraut-Packungen unter die Menschen zu bringen. Und Kjell entdeckt, dass es noch etwas anderes gibt als ungehemmte Fresslust – nämlich Sex. Dumm nur, dass er selbiges mit 40 Jahren noch niemals praktiziert hat. Und tatsächlich gelingen den beiden Freunden nach anfänglichen Schwierigkeiten kleine Schritte in Richtung eines „normalen“ Lebens…

Lakonisch, witzig und ohne falsches Mitleid erzählt der Regisseur Petter Næss die wohl bekannte Geschichte vom schwierigen Weg zurück in die Normalität, gewürzt mit kräftigen Seitenhieben auf die liberale norwegische Gesellschaft. Basierend auf den vier Romanen von Ingvar Ambjørnsen und dem Theaterstück, das Næss bereits mit der gleichen Darstellerriege erfolgreich inszenierte, gelang ein ebenso überraschender wie gelungener Kinoerfolg, der in Skandinavien sämtliche Kassenrekorde brach. In Norwegen, das 4,2 Millionen Einwohner hat, sahen 800.000 Zuschauer Elling im Kino, ein Quote, von der deutsche Kinohits nur träumen können. Doch auch hierzulande konnten sich der Ritter mit der traurigen Gestalt und sein baumlanger Sancho Pansa eine treue Fangemeinde erspielen. Und als Schmankerl obendrauf gab es sogar eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film. Der Erfolg geriet so überwältigend, dass mit Elling — Nicht ohne meine Mutter sogar eine Fortsetzung ins Kino kam, die freilich nicht an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen konnte. Ein im wahrsten Wortsinne irre guter Film, den man nicht verpassen sollte und dem man sich – Hand aufs Herz – dann und wann wieder erkennen kann, wenn man den Mut hat sich einzugestehen, dass „normal“ eine sehr relative Kategorisierung ist.
 

Elling

Eigentlich ist das Leben gar nicht so schlecht in der anheimelnden psychiatrischen Anstalt, die Elling (Per Christian Ellefsen) und Kjell (Sven Nordin) beherbergt.

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Meinungen

· 22.08.2006

Ein sehr schöner Film, der genau das transportiert, was die Kritik aussagt.