Eldorado

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„Bugatti“ steht auf dem Ärmel der Jacke zu lesen, die der Gebrauchtwagenhändler Yvan (Bouli Lanners) trägt. Doch glamourös ist nichts an dem bulligen Mann – weder sein tristes und einsames Leben noch die heruntergekommenen US-Cars, die er an den Mann bringt. Als Yvan eines Abends nach Hause zurückkehrt, findet er unter seinem Bett den Einbrecher Elie (Fabrice Adde) vor, den er belauert – er könnte ja bewaffnet sein -, dann verprügelt und schließlich nicht mehr loswird. Elie ist pleite und will an die französische Grenze, doch keiner erbarmt sich der klapperdürren traurigen Gestalt, so dass er wie ein herrenloser Hund immer wieder Yvans Weg kreuzt. Bis der schließlich ein Einsehen hat und mit dem Junkie zu einer Tour quer durch die Wallonie aufbricht. Im Verlauf der Reise treffen die beiden Männer – jeder auf seine Weise ein Gestrandeter – auf allerlei merkwürdige Gestalten: Ein rühriger Nudist, ein medial begabter Autosammler mit ausgefallenen Vorlieben, zwei Motorradfahrer und am Ende Elies Mutter (Francoise Chichery) sind die Wegmarken dieser Odyssee, an deren Ende ein Abschied und die Erfüllung einer Prophezeiung stehen.
Bouli Lanners, der nicht nur das Drehbuch schrieb und Regie führte, sondern auch dem dicken Yvan das nötige schauspielerische „Gewicht“ verleiht, hat mit seinem tragikomischen Roadmovie bereits einige Preise errungen. So gewann der Film beispielsweise bei der „Quinzaine des Réalisateurs“ in Cannes 2008 den Hauptpreis, wurde mit dem Preis der Internationalen Filmkritiker-Jury FIPRESCI ausgezeichnet und war die belgische Nominierung für den Auslands-Oscar. Viele Vorschusslorbeeren für einen Filmemacher, der gerade erst am Anfang seiner Karriere steht – Eldorado ist nach Ultranova (2005) Lanners’ zweiter Spielfilm. Ungewöhnlich ist an seinem neuen Film übrigens auch die Geschichte, die sich hinter dem Titel verbirgt: Ursprünglich sollte ein Cadillac Eldorado das Vehikel sein, das Yvan und Elie durch Belgien kutschiert, doch solch ein Wagen war nicht aufzutreiben, so dass schließlich ein 79er Chevrolet den zentralen Part einnahm. Der durchaus auch ohne automobile Begründung passende Titel aber blieb.

Großartig sind vor allem die Landschaftsaufnahmen in Cinemascope, die die Weiten des französischsprachigen Teils von Belgien in manchen Momenten so aussehen lassen, als befinde man sich nicht in Mitteleuropa, sondern im Mittleren Westen der USA. Selten war ein Belgien so amerikanisch. Und ist doch jederzeit ohne weiteres erkennbar. Auch wenn die satten Farben, in die der Film getaucht ist, wenig mit dem grau-tristen Image Belgiens zu tun haben, wie wir es aus anderen Filmen kennen.

Es sind Seelenlandschaften voller Melancholie, Einsamkeit und heruntergekommenem Charme, die das Innenleben der zumeist recht schweigsamen Antihelden illustrieren. Alles an diesem Film atmet Vergänglichkeit, Verzweiflung und Einsamkeit, ohne dass dabei die üblichen Metaphern bemüht werden. Banales und im wahrsten Wortsinne Lächerliches mischt Lanners mit Traurigem und unter die Haut gehenden Szenen. So etwa, wenn der grobe Klotz Yvan ganz sanft die Hand von Elies Mutter hält, während deren Mann im Off mit seinem Sohn herumbrüllt. In dem herzzerreißenden Blick, mit dem Elies Mutter ihr Gegenüber in dieser Szene anschaut, liegt mehr Tiefe und Mitmenschlichkeit, als dies ein Dialog jemals auszudrücken vermocht hätte. Bei aller Skurrilität, die Lanners immer wieder einstreut und die beispielsweise die beiden Weggefährten eingehüllt in schreiend bunten Vorhängen und Kissenbezügen zeigt, nachdem sie von einem Regenguss überrascht wurden: Es sind vor allem die leisen Szenen oder der melancholische Schluss, die nach dem Film im Gedächtnis bleiben werden und die nicht von ungefähr an die melancholisch-komischen Werke von Aki Kaurismäki erinnern.

Bemerkenswert an Eldorado ist übrigens auch der sehr stimmige und wohltuend unaufdringliche Soundtrack, den Renaud Mayeur schuf und zu dem Musiker wie An Pierlé und Koen Gisen, Stefan Liberski, Jesse Sykes und The Milkshakes atmosphärische Töne und Songs beisteuerten, die die ganz eigene Stimmung des Films kongenial unterstützen.

Eldorado

„Bugatti“ steht auf dem Ärmel der Jacke zu lesen, die der Gebrauchtwagenhändler Yvan (Bouli Lanners) trägt. Doch glamourös ist nichts an dem bulligen Mann – weder sein tristes und einsames Leben noch die heruntergekommenen US-Cars, die er an den Mann bringt. Als Yvan eines Abends nach Hause zurückkehrt, findet er unter seinem Bett den Einbrecher Elie (Fabrice Adde) vor, den er belauert – er könnte ja bewaffnet sein -, dann verprügelt und schließlich nicht mehr loswird.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Der Kenner · 07.03.2011

Einfach ein klasse Film

Herr Brix · 19.07.2009

Glaube ich nicht!

Martin Hamberger · 17.05.2009

Überflüssiger Film - schade um die Zeit.