Eine Dame verschwindet

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Samstag, 27. November 2010, Bayerisches Fernsehen, 23:10 Uhr

Zu den letzten Filmen, die der legendäre Meister-Regisseur Alfred Hitchcock noch in seiner britischen Heimat drehte, bevor er Ende der 1930er Jahre in die USA emigrierte, zählt auch die rasante Krimi-Komödie Eine Dame verschwindet von 1938, die mit dem Preis des New York Film Critics Circle ausgezeichnet wurde. Der ebenso spannend wie humorig angelegte Schwarzweißfilm, der seinerzeit überaus erfolgreich in den Kinos lief, präsentiert ein üppiges, schräges Protagonistenvolk, das dem Zuschauer ein äußerst vergnügliches bis satirisches Schauspiel bietet.
Nachdem eine Schneelawine die Gleise blockiert hat, müssen die Reisenden des Zuges von Budapest nach Basel im – fiktiven – Balkanstaat Bandrika eine nächtliche Zwangspause einlegen. Der örtliche Gasthof ist mit dem unverhofften Gästeansturm deutlich überfordert, so dass die improvisierte Aufteilung der verfügbaren Zimmer das Haus in ein turbulentes Chaos stürzt. Während die britische Gouvernante Miss Froy (Dame May Whitty) in der Nacht offenbar entzückt einem Liedchen lauscht, das unter ihrem Fenster von einem unglückseligen Sänger dargeboten wird, der anschließend eliminiert wird, beschwert sich ihre junge, vermögende Landsmännin Iris Henderson (Margaret Lockwood) über die lauten Eskapaden des frechen, im Zimmer über ihr untergebrachten Volksliederenthusiasten Gilbert Redman (Michael Redgrave).

Kurz vor der Abreise am nächsten Morgen wird die hübsche Iris beinahe von einem herabstürzenden Blumentopf erschlagen und nach einem Schwindelanfall im Zug auf ihren Platz gebracht, wobei sich die freundliche Miss Froy rührend um sie kümmert. Die beiden Damen geraten ins Plaudern, nehmen im Speisewagen einen Tee zu sich und kehren in ihr Abteil zurück, wo die noch reichlich angeschlagene Iris ein Schläfchen hält. Als sie erwacht und ihre Mitreisenden nach der nunmehr abwesenden Miss Froy fragt, will zu ihrer Verwunderung niemand die britische Gouvernante je gesehen haben, und man bezweifelt allgemein ihre Existenz – ausgenommen der zuvor lästige Gilbert Redman. Der mitreisende Arzt Dr. Hartz (Paul Lukas) legt ihr sogar nahe, dass sie auf Grund ihres „Unfalls“ möglicherweise unter Halluzinationen leide, doch Iris lässt nicht nach, sich mit Redman im Schlepptau um ihre verschwundene Reisegefährtin zu sorgen …

Die Handlung von Eine Dame verschwindet ereignet sich nach der anfänglichen Gasthof-Episode beinahe ausschließlich im Zug, wobei nahezu sämtliche Dreharbeiten in einem einzigen Eisenbahnwaggon im Studio stattfanden und Meister Hitchcock sich ansonsten reichlich aus der technischen Trickkiste bedient hat. Von den beiden gnadenlosen Cricket-Fans Caldicott (Naunton Wayne) und Charters (Basil Radford) über den Zauberer Signor Doppo (Philip Leaver) bis zur seltsamen Nonne in Stöckelschuhen (Catherine Lacey) beherrschen die illustren Figuren die lebhafte Stimmung des Films, der sich nach dem komödiantischen Auftakt zunehmend zu einem mysteriösen Krimi entwickelt. Das Drehbuch von Sidney Gilliat und Frank Launder, die gemeinsam mit Alfred Hitchcock die letzte Szene der finalen Aufklärung ergänzt haben, basiert auf dem Roman The Wheel Spins der britischen Autorin Ethel Lina White, wobei die rasanten Dialoge dieser Kooperation ganz wesentlich zum auch aus heutiger Perspektive enormem Charme dieser mitreißenden Krimi-Komödie beitragen.

Eine Dame verschwindet

Zu den letzten Filmen, die der legendäre Meister-Regisseur Alfred Hitchcock noch in seiner britischen Heimat drehte, bevor er Ende der 1930er Jahre in die USA emigrierte, zählt auch die rasante Krimi-Komödie „Eine Dame verschwindet“ von 1938, die mit dem Preis des New York Film Critics Circle ausgezeichnet wurde.
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