Ein ruhiges Leben

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Bilderbuch-Italiener mit dunkler Vergangenheit

Wie präsent die Camorra oder andere Mafia-Organisationen in Deutschland sind, erfährt man immer dann, wenn es mal wieder eine spektakuläre Schießerei gibt. Etwa bei dem Blutbad vor einem italienischen Restaurant in Duisburg 2007. Auch Claudio Cupellini hat seinen zweiten Spielfilm vor dem Hintergrund mafiöser Konflikte hierzulande angesiedelt. Aber die realistischen Hintergründe sind nicht das eigentliche Thema, sondern bilden nur die Folie für ein spannendes Vater-Sohn-Drama.
Ein ruhiges Leben handelt von Rosario Russo (Toni Servillo), der seinen Alltag nicht so beschaulich gestaltet, wie es der Filmtitel vermuten lassen könnte. Sondern eher so, wie man es als Deutscher von einem Bilderbuch-Italiener erwartet: temperamentvoll, heißblütig, chaotisch, aber mit einem starken Bedürfnis nach familiärer Harmonie, selbst wenn er seine deutsche Frau Renate (Juliane Köhler) hin und wieder betrügt. Der Mittfünfziger scheint seinen Traum vom eigenen Restaurant in einer ländlichen Gegend nahe Wiesbaden verwirklicht zu haben. Alles könnte so weitergehen, stünden nicht plötzlich sein Sohn Diego (Marco d’Amore) aus erster Ehe und dessen Freund Edoardo vor der Tür. Rosario hatte die Familie vor vielen Jahren Hals über Kopf verlassen und sich in Deutschland ein neues Leben aufgebaut. Nun holt ihn seine mafiöse Vergangenheit wieder ein.

Natürlich ist die Gefühlslage von fernem Vater und verlassenem Sohn schon in vielen Familiendramen erzählt worden: hier Enttäuschung und Wut, dort schlechtes Gewissen und der Wunsch nach Versöhnung. Aber das Besondere an der Konstellation zwischen Rosario und Diego ist, dass sie ihren Konflikt nur unter Lebensgefahr austragen können. Beide wissen, dass sie den anderen am besten komplett aus ihrem Leben streichen sollten, und beide handeln wider bessere Einsicht. Das macht die in klaren, einfachen Bildern erzählte Geschichte so spannend. Selbst die alltäglichsten Situationen laden sich mit einer latenten Bedrohung auf, ganz einfach deshalb, weil die Kontrahenten selbst nicht wissen, warum sie sich auf längst vergessen geglaubte Emotionen einlassen.

Regisseur Claudio Cupellini verzichtet klugerweise auf allzu viel Psychologie. Er überlässt es lieber seinem Kameramann Gergely Pohárnok, mit eindringlichen Großaufnahmen ein paar Höhepunkte in der ansonsten zurückhaltenden Bildästhetik zu setzen. Etwa in einer der berührendsten Szenen, wenn Rosario am Krankenbett eines befreundeten Pfarrers mit Gott hadert, der ihm einst ein zweites Leben schenkte und es ihm nun wieder wegzunehmen scheint.

Besonders gelungen ist die Verbindung aus Mafiafilm und Familiendrama immer dann, wenn die äußeren Verwicklungen die Protagonisten immer tiefer mit sich selbst verstricken. Allzu konstruiert erscheint die Handlung allerdings immer dann, wenn äußere Nebenstränge nicht in sich selbst glaubwürdig sind, wie die merkwürdig übereilte Liebesbeziehung zwischen Diegos Freund und Rosarios Angestellter. Aber im Großen und Ganzen funktioniert der Genremix. Denn er führt zu immer neuen Wendungen, die sich allein der speziellen Kombination von äußerem und innerem Drama verdanken.

Ein ruhiges Leben

Wie präsent die Camorra oder andere Mafia-Organisationen in Deutschland sind, erfährt man immer dann, wenn es mal wieder eine spektakuläre Schießerei gibt. Etwa bei dem Blutbad vor einem italienischen Restaurant in Duisburg 2007. Auch Claudio Cupellini hat seinen zweiten Spielfilm vor dem Hintergrund mafiöser Konflikte hierzulande angesiedelt. Aber die realistischen Hintergründe sind nicht das eigentliche Thema, sondern bilden nur die Folie für ein spannendes Vater-Sohn-Drama.
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