Eden - Lost in Music

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Das Leben als endlose Party

In ihrem vierten Spielfilm beschäftigt sich Mia Hansen-Løve über einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten mit der Chronik der Pariser Club- und Technoszene, gesehen durch die Augen des aufstrebenden DJs Paul (Félix de Givry). Wie bei ihren früheren Filmen handelt es sich bei Eden um eine sehr persönliche Arbeit. Wo sich die Ex-Aktrice etwa bei Der Vater meiner Kinder vom Selbstmord ihres Förderers Humbert Balsan inspirieren ließ, kam sie mit der House-Szenerie durch ihren Bruder Sven, ein Ex-DJ, in Kontakt, der bei Eden als Co-Autor beteiligt war.
Als weiterer Auslöser diente das meisterliche Ensembleporträt Die wilde Zeit ihres Mannes Olivier Assayas. Beide Filme zielen auf unerfüllte und verwirklichte Träume, das Lebensgefühl einer Generation, (zerbrechende) Freundschaften und eine bestimmte Aufbruchstimmung ab. Während Die wilde Zeit jedoch von der Widerstandsbewegung der Post-68er Generation erzählt, dreht sich Eden um Hedonismus, das Leben als endlose Party sowie die Suche nach den perfekten Tracks und Locations.

Hansen-Løves Streifzug durch die Clubszene setzt zu Beginn der Neunziger ein, als sich der Boom um „French House“ entwickelte. Als DJs interessieren sich Paul und sein Freund Quentin (Hugo Conzelmann), ein Comiczeichner, weniger für die Techno-Strömung denn für „Garage“, eine Verbindung aus US-Soul und Elektronik. Zeitweise treffen sie damit genau den richtigen Nerv, doch wirkt im Laufe der Zeit ihre Set-Auswahl etwas anachronistisch, was zum Problem wird. Seinen Stil beschreibt Paul als Mischung aus Euphorie und Melancholie, was ebenfalls auf Hansen-Løves Inszenierung zutrifft.

Schon als Schüler schleicht sich Paul, unbemerkt von seiner Mutter (Arsinée Khanjian), zu Underground-Partys, wo er Gleichgesinnten wie Thomas (Vincent Lacoste) und Guy-Man (Arnaud Azoulay), aber auch Veranstaltern wie Arnaud (Vincent Macaigne) begegnet. Als DJ kommen ihm diese Kontakte zugute, da Arnaud die erfolgreichen „Respect“-Nächte lanciert, Während sich Paul und Quentin als Duo „Cheers“ etablieren, mischen Thomas und Guy-Man als „Daft Punk“ die Szene auf. Für Paul wird es allerdings immer schwieriger, seine zunehmende Drogenabhängigkeit vor seiner Mutter geheim zu halten. Nachdem der depressive Quentin den Freitod wählt, brechen für seinen gefragten Partner gleichfalls härtere Zeiten an.

Bei den Hauptrollen setzt Hansen-Løve auf unbekannte Gesichter. Dagegen tauchen bei Pauls wechselnden Liebschaften etablierte Darstellerinnen wie Greta Gerwig, Golshifteh Farahani, Pauline Etienne (Die Nonne) oder Johnny Hallydays Tochter Laura Smet als verwöhntes Disco-Girl auf. Neben Verweisen auf reale Labels wie die Manchester-„Factory“, „Rough Trade“-T-Shirts oder Diskussionen über die Bedeutung von Nile Rodgers treten reale Künstler wie Latin Pop Queen La India, House-Sänger Arnold Jarvis oder DJ Terry Hunter auf. Als Gag fungiert der Umstand, dass das stets maskierte „Daft Punk“-Duo von den Diskotheken-Türstehern regelmäßig abgewiesen wird.

Nicht nur dank amüsanter Details und einer kenntnisreichen Musikauswahl gelingt der Ex-Schauspielerin ein authentischer Blick auf die Atmosphäre der Rave-Epoche und die Begeisterung für tanzbare, euphorisierende Musik. Wenn mit der Zeit eine gewisse Monotonie auftritt, was sich ebenfalls im Leben des Protagonisten niederschlägt, ist dies zugleich Hansen-Løves Erzählstruktur geschuldet. Wie in ihren früheren Arbeiten pflegt sie einen elliptischen Stil, bei dem eingeführte Charaktere aus der Handlung verschwinden und manche Fäden nicht zu Ende geführt werden. Allerdings wiesen ihre früheren Filme keine Überlänge auf. Doch insgesamt funktioniert ihr versiertes Werk sowohl als subtiles Coming-of-Age-Porträt als auch melancholische Rückschau auf die Entwicklung der internationalen Clubkultur.

Eden - Lost in Music

In ihrem vierten Spielfilm beschäftigt sich Mia Hansen-Løve über einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten mit der Chronik der Pariser Club- und Technoszene, gesehen durch die Augen des aufstrebenden DJs Paul (Félix de Givry). Wie bei ihren früheren Filmen handelt es sich bei „Eden“ um eine sehr persönliche Arbeit. Wo sich die Ex-Aktrice etwa bei „Der Vater meiner Kinder“ vom Selbstmord ihres Förderers Humbert Balsan inspirieren ließ, kam sie mit der House-Szenerie durch ihren Bruder Sven, ein Ex-DJ, in Kontakt, der bei „Eden“ als Co-Autor beteiligt war.
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