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Sie sind absolut begeistert von Gott. Sie sind Kämpfer für das Seelenheil. Sie sind erfüllt von dem Glück, das sie erleben dürfen in ihrem Leben mit und für Jesus.

Die Temperatur des Willens (2017)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Zeigen, nicht verurteilen

Sie sind absolut begeistert von Gott. Sie sind Kämpfer für das Seelenheil. Sie sind erfüllt von dem Glück, das sie erleben dürfen in ihrem Leben mit und für Jesus. Sie sind Christen mit Leib und Seele, und sie rufen das hinaus in die Welt: Sie sind die „Legionäre Christi“, eine Ordensgemeinschaft der ganz, ganz konservativen Katholiken. In Die Temperatur des Willens gibt Peter Baranowski Einblicke in diese Gemeinschaft der ultimativ Gläubigen, er tut das von innen heraus, als „embedded journalist“. Und das große Plus seines Films ist es, dass er nicht verurteilt, sondern zeigt. Denn für den Glauben kann man nicht verurteilt werden.

Vor allem Pater Martin folgen wir. Er ist ein wirklich charismatischer Mensch, der mit Leidenschaft für seine Sache brennt. Jugendcamps, Bildungsveranstaltungen, Vorlesungen hält er, er will die Menschen überzeugen. Arbeit der Legionäre Christi: Für das Seelenheil der Menschen zu sorgen. Das geht über Feste, über Reden, über PowerPoint, über feiern, spielen, singen, Lagerfeuer. Und auch über Hausbesuche; denn das Missionieren kann man nicht nur den Sekten überlassen.

Als Otto Normalverbraucher ist man es gewöhnt, Werbeanrufe zu bekommen. Doch schon wenn man die leiernden, gelangweilten Stimmen hört, die einem Stromtarife andrehen wollen, wird man aggressiv. Die Werbestrategie der Legionäre Christi läuft eigentlich ganz ähnlich – mit dem großen Unterschied, dass die Priester und Laien, die hier engagiert sind, mit unglaublicher innerer Begeisterung bei der Sache sind. Und allein dafür, diese Begeisterung greif- und spürbar zu machen, gebührt Baranowski großes Lob. Denn auch das wird bewusst: Wie Spiritualität mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Sagen wir: Die östlichen Religionen mit ihrer Innerlichkeit werden stets Fans haben und kaum Feinde. Der Katholizismus, der sich rein an Gottes Wort ausrichtet, erfährt allenthalben Anfeindungen.

Sie sind ultrakonservativ und stolz darauf. Sind das alles Irre, sind das alles reaktionäre Querköpfe? Oder vielleicht doch vor allem welche, die Halt suchen in einer unübersichtlichen Welt, die ihre Spiritualität ausrichten wollen und dabei zum Hardcore-Jesus-Jünger wurden? Die Bibel ist Maß aller Dinge, Homosexualität und Abtreibungen sind Teufelszeug, die Familie heilig, Jesus Vorbild in allem. Darüber kann, darüber muss man diskutieren – und natürlich hat der Zuschauer diese Diskurse im Hinterkopf, wenn er diesen Film sieht. Ein Film, der die harte Linie der Legionäre Christi voll ausspielt, der auch zeigt, wie nervig die Ultragläubigen sein können, welch verschobenes, welch verschrobenes Weltbild sie haben. Der sich diese Meinungen nicht zu eigen macht; der sie aber zeigt, aus sich heraus, ausgesprochen von denen, die nach ihnen leben.

Ein paar Jugendliche diskutieren im christlichen Landheim Fragen der Liebe. Was tun, wenn man in eine verknallt ist, die nicht „richtig“ glaubt? Die Laiengläubigen der Legionäre Christi diskutieren, wie sie sich im Kirchengemeinderat verhalten sollen: Die harte Linie durchziehen, wenn alle anderen der verweichlichten Gruppierung „Wir sind Kirche“ angehören? Aber all das verblasst unter der tiefen Verunsicherung der Legionäre Christi, ausgelöst um 2010 durch den enormen Skandal um den mexikanischen Ordensgründer Marcial Maciel: Nicht nur hat er trotz Zölibat diverse Kinder, nein: Er hat auch viele Jungen in den diversen Seminaren des Ordens sexuell missbraucht.

Wie gehen die Legionäre Christi mit diesen Verbrechen in den eigenen Reihen, an der Spitze des Ordens, um? Auch das ist eine der Fragen, die diesen Dokumentarfilm so spannend machen. Wie die Legionäre nichts schönreden, aber interpretieren: Das geistliche Erbe des Gründers und dessen böses Doppelleben, der göttliche Glaube und die menschliche Verwerflichkeit …

Die Temperatur des Willens bietet unglaubliche, unheimliche Einblicke in eine reaktionäre Religionsgemeinschaft, die die harte Linie zum Alleinstellungsmerkmal erhoben hat. „Ich weiß deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde“, heißt es in der Offenbarung 2, 15+16: Darauf bezieht sich der Filmtitel, darauf beziehen sich die Legionäre, die heiß sein wollen für Gott.

Und im Abspann erkennen wir, mit welchem Impuls dieser Film entstanden ist, der sich nahe an die Legionäre heranbegibt, ohne sich mit ihnen gemeinzumachen, der stets den Gestus des Verstehenwollens innehat: Pater Martin trägt den gleichen Nachnamen wie der Regisseur …
 

Die Temperatur des Willens (2017)

Sie sind absolut begeistert von Gott. Sie sind Kämpfer für das Seelenheil. Sie sind erfüllt von dem Glück, das sie erleben dürfen in ihrem Leben mit und für Jesus. Sie sind Christen mit Leib und Seele, und sie rufen das hinaus in die Welt: Sie sind die „Legionäre Christi“, eine Ordensgemeinschaft der ganz, ganz konservativen Katholiken.

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