Die Ökonomie der Liebe (2016)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Vom Ende einer Beziehung

Eigentlich haben Marie (Bérénice Bejo) und Boris (Cédric Kahn) alles, was für ein glückliches Leben notwendig wäre: Sie sind Eltern zweier Zwillingsmädchen, Marie arbeitet an der Universität, Boris ist Zimmermann und sie haben eine wundervolle Wohnung mit Garten. Doch zwischen Marie und Boris ist die Liebe abhanden gekommen. Auf die Gründe wird in Die Ökonomie der Liebe nicht näher eingegangen, vielmehr beginnt der Film des belgischen Regisseurs Joachim Lafosse, als alles schon vorbei ist. Nur bedeutet das Ende einer Liebe eben noch lange nicht, dass man einander einfach verlassen kann, schon gar nicht, wenn man miteinander 15 Jahre lang ein gemeinsames Leben aufgebaut hat.

Joachim Lafosse, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, exerziert in diesem Film den Weg bis zur endgültigen Trennung durch. Die Handlung spielt sich dabei (fast) ausschließlich in den Räumen der gemeinsamen Wohnung ab. In deren Einrichtung sieht man Maries ästhetische Handschrift und Boris‘ Geschick beim Handwerk: warme Farben an den Wänden, ein gelber Designsessel, viele Bücher, kuschelige Decken auf dem Sofa, Parkett im Wohnzimmer, ein Garten, um Freunde einzuladen – man möchte in diese Wohnung sofort einziehen. Und doch ist genau dieses Traumappartement der Anlass für den größten Streit zwischen Marie und Boris: Er will seinen Anteil mit 50 Prozent ausgezahlt haben, sie bietet ihm ein Drittel an. Er sieht seine handwerklichen Reparaturen an Wänden, Decke und Boden nicht berücksichtigt, sie hat ihr gesamtes Erbe und Erspartes damals in den Kauf gesteckt und lässt sich ihr Angebot von Anwälten bestätigen. Ihre Diskussionen darüber nehmen an Intensität zu, drehen sich im Kreis, irgendwann schreit er sie an, dass er so viel mehr in die Wohnung gesteckt habe als sie anrechnen könne, nämlich: „Liebe“.

Und damit ist dann auch zum ersten Mal das eigentliche Problem angesprochen: Boris hat sie noch nicht aufgegeben, die Idee, mit dieser Frau und seinen Kindern alt und glücklich zu werden, und er kämpft darum, dass alles wieder so werden könnte wie früher. Marie hingegen will, dass er auszieht, so schnell wie möglich. Dass sich der Rosenkrieg kammerspielartig in den Räumen des Appartements abspielt, zeigt einmal mehr, wie gefangen das Paar in dieser Beziehung ist. Erst gegen Ende des Films findet ein Ortswechsel statt, und er markiert den endgültigen Bruch.

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Bérénice Bejo spielt Marie mit einer Intensität, die den Zuschauer gefangen nimmt. Die Angespanntheit überträgt sich, macht beklommen, erinnert daran, wie es war bei eigenen Trennungen, wenn nur noch totaler Abstand zur vormals geliebten Person alles entschärfen konnte. Man ertappt sich dabei, wie man mal Maries, mal Boris’ Partei ergreifen möchte. Hätte er sich vor ihren Freunden wirklich so paranoid und verletzend aufführen müssen? Könnte sie ihm nicht bei einem Job am Haus ihrer Mutter entgegenkommen? Dass einen die Streitereien nicht irgendwann gewaltig nerven, liegt neben den hervorragenden Darstellern aber auch an Lafosses exzellentem Drehbuch. Die Ökonomie der Liebe schafft es, emotional zu bewegen, ohne den Zuschauer einfach platt gefangen zu nehmen.
 

Die Ökonomie der Liebe (2016)

Eigentlich haben Marie (Bérénice Bejo) und Boris (Cédric Kahn) alles, was für ein glückliches Leben notwendig wäre: Sie sind Eltern zweier Zwillingsmädchen, Marie arbeitet an der Universität, Boris ist Zimmermann und sie haben eine wundervolle Wohnung mit Garten. Doch zwischen Marie und Boris ist die Liebe abhanden gekommen.

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Meinungen

Christa Feldorean-Arns · 20.11.2016

Die Schauspieler sind genial! In Bezug auf das Drehbuch fehlt das Salz in der Suppe.