Die neue Wildnis - Große Natur in einem kleinen Land

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

You should never take more than you give - in the circle of life

Die lustige Welt der Tiere – so lautet der deutsche Verleihtitel von Jamie Uys‘ 1974 entstandenem Wüstentierfilm, der im Original ein bisschen einfallsreicher Animals Are Beautiful People heißt. Bis heute neigen viele dokumentarische und fiktionale Werke dazu, das Dasein von Tieren zu romantisieren, um es den Zuschauer_innen unterhaltsam präsentieren zu können. Der Naturfilm Die neue Wildnis von Mark Verkerk und Ruben Smit vermeidet diese Verniedlichung weitgehend – ohne dabei in die (nicht minder gefährliche) Falle der überzogenen Dramatik zu tappen. Die Balance stimmt: Verkerk und Smit zeigen das blühende Leben und den unvermeidlichen Tod, der wiederum das Überleben anderer Tiere ermöglicht.
Schauplatz des circle of life ist das 5.600 Hektar große, niederländische Naturentwicklungsgebiet Oostvaardersplassen zwischen Lelystad und Almere, circa 30 Kilometer nordöstlich von Amsterdam. In dem von Menschenhand (durch die Trockenlegung des südlichen IJsselmeeres) geschaffenen Areal, das ursprünglich für die Öl- und Schwerindustrie gedacht war, hat sich ein Sumpfgebiet mit Mooren, Dünen und Weideland entwickelt – der Lebensraum von zahlreichen Vogelarten sowie von Füchsen, Konikpferden, Rothirschen und vielen weiteren Tieren. Während der Ort in den Frühlings- und Sommermonaten paradiesisch anmutet, ist der Winter in dem Gebiet erbarmungslos-hart. Die immer wieder geäußerte Kritik an den mangelnden Pflegemaßnahmen lässt der Film allerdings gänzlich unberücksichtigt.

Die neue Wildnis ist die Langzeitbeobachtung eines 30-köpfigen Teams: In 600 Drehtagen kamen 350 Stunden Bild-, und mehr als 100 Stunden Geräuschmaterial zusammen. Es gibt eindrückliche Luft-, Boden- und Unterwasseraufnahmen, die (in der deutschen Version) von Hannes Jaenicke kommentiert werden. Dabei gelingt es, die Sozialstruktur, das Verhalten und die Kommunikation der höchst unterschiedlichen Tiere audiovisuell zu vermitteln – und zu demonstrieren, wie all diese Lebewesen, von der Dungfliege bis zum Wildpferd, miteinander verbunden sind. Der Film widmet sich der Partnerwahl und Paarung, den Wagnissen der Nahrungsbeschaffung sowie den Kämpfen untereinander und gegen die natürlichen Feinde – denn sobald man auf der Welt ist, muss man auch schon kämpfen.

Neben den bereits erwähnten Tieren sind beispielsweise noch Graugänse, Seeadler, Eisvögel, Silberreiher, Biber, Frühlings-Seidenbienen, Erdhummeln, Karpfen, Kaulquappen, Stabwanzen und Aasfliegen zu sehen – wobei allen Lebewesen die gleiche Sympathie entgegengebracht wird, da es allen gleichermaßen um das eigene Überleben (beziehungsweise das der Nachkommen) geht. Selten wurde in einem Dokumentarfilm die Funktionsweise eines ökologischen Systems so schlüssig vor Augen geführt wie hier. Die neue Wildnis ist ein überzeugendes Werk über den Reichtum, die Schönheit und Härte der Natur.

Die neue Wildnis - Große Natur in einem kleinen Land

„Die lustige Welt der Tiere“ – so lautet der deutsche Verleihtitel von Jamie Uys‘ 1974 entstandenem Wüstentierfilm, der im Original ein bisschen einfallsreicher „Animals Are Beautiful People“ heißt. Bis heute neigen viele dokumentarische und fiktionale Werke dazu, das Dasein von Tieren zu romantisieren, um es den Zuschauer_innen unterhaltsam präsentieren zu können.
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