Die Mörder sind unter uns

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

In den Trümmern der Geschichte

Berlin im Jahre 1945: Als die Fotografin Susanne Wallner (Hildegard Knef) nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in ihre Heimatstadt zurückkehrt, findet die ehemalige KZ-Insassin diese fast vollständig zerstört vor. In ihrer Wohnung hat sich in der Zwischenzeit der frühere Militärarzt Dr. Hans Mertens (Ernst Wilhelm Borchert) eingerichtet, der aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im Krieg seinen Kummer im Alkohol ersäuft. Obgleich sich beide nicht auf Anhieb sympathisch sind, werden sie doch Wohnungsgenossen; Wohnraum ist in jenen Tagen Mangelware. So entsteht eine Schicksalsgemeinschaft wie viele andere in jener Zeit.
Doch dann erfährt Mertens, dass sein ehemaliger Hauptmann Ferdinand Brückner (Arno Paulsen) den Krieg überlebt hat und mittlerweile durch findige Geschäfte (er lässt aus Stahlhelmen Kochtöpfe herstellen) zu einem erfolgreichen und angesehenen Bürger geworden ist. Was außer Mertens kaum jemand weiß: Brückner befahl im Jahre 1942 eine Geiselerschießung von Zivilisten in Polen und sollte wegen seiner Kriegsverbrechen eigentlich vor ein Gericht gestellt werden. Mertens aber hat den Glauben an die Gerechtigkeit längst verloren. So beschließt er, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen…

Wolfgang Staudtes Spielfilm Die Mörder sind unter uns mit der jungen Hildegard Knef in einer der Hauptrollen ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter Film. Zum einen deshalb, weil er der erste deutsche Spielfilm ist, der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gedreht wurde. Zum zweiten aber, und das wiegt noch viel schwerer, ist es vor allem der Umgang mit den Schrecken des Nationalsozialismus als Thema dieses Film, das ihn so bemerkenswert macht und ihn dazu prädestiniert, seinen festen Platz in der Edition Deutscher Film einzunehmen.

Ursprünglich sollte der Film, der auch heute noch durch seine starken Kontraste, die gespenstischen Trümmerlandschaften und an den filmischen Expressionismus erinnernde Bildgestaltung beeindruckt, Der Mann, den ich töten werde heißen und ein anderes Ende haben. Die Alliierten wollten aber auf jeden Fall vermeiden, dass der Film als Aufruf zur Selbstjustiz verstanden werden könnte, und erzwangen so einen versöhnlicheren Schluss.

Für Staudte selbst war dieser Film so etwas wie eine Wiedergutmachung: Während der NS-Zeit wat er als Schauspieler unter anderem an dem berüchtigten Propagandastreifen Jud Süß von Veit Harlan beteiligt. In den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Staudte, der bis 1955 vorwiegend für die DEFA in der DDR drehte, zu einem beständigen Mahner vor den Gefahren von totalitärem Denken und jenem Untertanengeist, der die Schrecken der NS-Zeit überhaupt erst möglich gemacht hatte. Nachdem Brecht und Helene Weigel durch ihre Angriffe Staudtes Filmprojekt Mutter Courage und ihre Kinder torpediert hatten, verließ Staudte die DDR. Doch auch in der BRD, wo Staudte ab 1955 wohnte und arbeitete, galt er „Nestbeschmutzer“ und „verwirrter Pazifist“ – dabei war er stets einfach nur unbequem, wie sein 1959 erschienener Film Rosen für den Staatsanwalt verdeutlicht.

Wie sehr der Film einen wunden Punkt der deutschen Kriegs- und Nachkriegsgeschichte berührte, lässt sich auch an der Fernsehausstrahlung ablesen: Während Die Mörder sind unter uns in der DDR im Jahre 1955 ausgestrahlt wurde, dauerte es in der Bundesrepublik bis zum 18. Dezember 1971, bis der Film auf der Mattscheibe zu sehen war.

Die Mörder sind unter uns

Berlin im Jahre 1945: Als die Fotografin Susanne Wallner (Hildegard Knef) nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in ihre Heimatstadt zurückkehrt, findet die ehemalige KZ-Insassin diese fast vollständig zerstört vor. In ihrer Wohnung hat sich in der Zwischenzeit der frühere Militärarzt Dr. Hans Mertens (Ernst Wilhelm Borchert) eingerichtet, der aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im Krieg seinen Kummer im Alkohol ersäuft.
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Meinungen

Martin Zopick · 01.07.2020

Der Titel ist Programm. Der erste deutsche Trümmerfilm von 1946. Die Menschen lebten in Trümmern, suchten die Überreste ihrer Behausungen. Die Fensterscheiben sind zerschossenen und das Dach ist undicht und überall sind Ratten. Hier trifft Susanne (Hildegard Knef), die gerade aus einem befreiten KZ entlassen worden ist, den Heimkehrer Hans (E.W. Borchert). Anfangs glaubt sie der Zyniker ist ein Säufer. Später erfährt sie, er war Militärarzt und ist von einem Kriegsereignis traumatisiert. In einer Notoperation in einem Keller rettet er einem Jungen da Leben. Ein Brief und eine Pistole führen Hans zu seinem ehemaligen Hauptmann Ferdinand Brückner (Arno Paulsen), der inzwischen ein wohlhabender Fabrikant geworden ist. (Töpfe aus Stahlhelmen). Hans stellt ihn zur Rede und erkennt, dass dem selbstgefälligen Schwätzer jegliches Schuldbewusstsein fehlt. Selbst als er auf ihn anlegt, ruft Brückner immer noch ‘Ich bin doch unschuldig!‘ Susanne kommt dazu und…In sein Gekreische sagt Hans ‘Wir haben die Pflicht Anklage zu erheben und Sühne zu fordern im Namen von Millionen unschuldig Ermordeter.‘
Eine Bestandaufnahme, die nur den Vertretern der Schlussstrich-Hypothese nicht gefällt.