Dem Himmel so fern

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Samstag, 27. Dezember 2014, 3sat, 20:15 Uhr

Zu keiner Zeit strotzt das Fernsehprogramm hierzulande und auch Anderswo derart vor einer schier unüberschaubaren Fülle an illustren Spielfilmen wie an den Weihnachtsfeiertagen, auch wenn auf Grund des Vormarsches zahlreicher weiterer elektronischer Unterhaltungsmedien in den letzten Jahrzehnten die Abhängigkeit von festen Sendeterminen rapide abgenommen hat. Dennoch werden auch zu diesen Zeiten kollektiver Familienfeste mit ihrem sozialen Habitus möglichst harmonisch gemeinsam verbrachter Stunden die TV-Vorschläge in der Regel reichlich frequentiert, was je nach Maß des weihnachtlichen Fernsehkonsums nicht gerade für eine konzentrierte Konfrontation mit der komprimierten Familiensituation spricht. Trotz des reichhaltigen Angebots der Palette von nostalgischen Klassikern über sentimentale Komödien und berühmte Krimis bis hin zu kryptischen Horrorschockern lautet die konkrete Empfehlung für das kommende Weihnachtsfest, den Fernseher doch mal stillzulegen und sich schlichtweg der simpelsten Form der Unterhaltung durch den intensiven verbalen Austausch mit den Liebsten zu widmen – auch nach den Feiertagen gibt es immer wieder einmal ein sehenswertes TV-Programm.
Gleich am Samstag nach Weihnachten strahlt 3sat mit Dem Himmel so fern von Todd Haynes einen Familienfilm der besonders krassen Sorte aus, der das scheinbare Idyll der angesehenen Familie Whitaker, die mit ihren beiden Kindern Janice (Lindsay Andretta) und David (Ryan Ward) im luxuriösem Ambiente eines US-amerikanischen Vororts in Connecticut lebt, ganz allmählich bis zum finalen Desaster demontiert. Seinerzeit der erfolgreichste Independent-Film des Jahres 2002 wurde das dichte, ganz im Stil der 1950er Jahre artifiziell inszenierte Drama um Rassismus und verborgene Homosexualität, das bei den Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt und dort vierfach ausgezeichnet wurde, mit über einhundert Filmpreisen prämiert und erhielt unter zahlreichen anderen auch vier Nominierungen für den Academy Award.

Cathy (Julianne Moore) und Frank Whitaker (Dennis Quaid) stellen ein wohlhabendes, gesellschaftlich höchst respektiertes Bilderbuch-Ehepaar dar, das in den klassischen Geschlechterrollen brilliert und augenscheinlich ein erfülltes, von farbigen Dienstboten umsorgtes Leben führt. Eines Abends jedoch stürzt für Cathy das hübsche Kartenhaus ihrer angepassten Existenz schlagartig zusammen, als sie ihrem vielbeschäftigten Gatten das Essen in die Firma bringt und diesen bei einem innigen Kuss mit einem Mann erwischt. Frank gesteht später seine selbst als unschicklich empfundenen „Schwierigkeiten“ ein und begibt sich deshalb sogar in Therapie, doch die ohnehin im Stillen schwelende Kluft zwischen ihm und seiner Frau zeigt nun deutliche Risse, während sich Cathy durch ihren näheren Umgang mit ihrem Gärtner Raymond (Dennis Haysbert) und dessen Tochter Sarah (Jordan Puryear) über die Absurdität des vorherrschenden Rassismus sowie über ihre Sehnsucht nach aufrichtiger Liebe und auch deren erotischer Komponente bewusst wird. Die von den Whitakers anberaumte Paar-Reise zu Silvester nach Miami, die zur Verbesserung ihrer Beziehung beitragen soll, bringt nicht das gewünschte Resultat – Frank neigt immer stärker dem Alkohol zu, was auch berufliche und damit finanzielle Probleme mit sich bringt, und Cathy macht anschließend die bittere Erfahrung, dass ihre vermeintlich beste Freundin Eleanor (Patricia Clarkson) ihr kaltblütig den Rücken kehrt, als sie von ihren familiären Schwierigkeiten und vor allem von ihrer Verbindung zum schwarzen Gärtner Raymond erfährt.

In den Zeiten der großen Kino-Melodramen angesiedelt und mit sichtbarer Reminiszenz an den deutschstämmigen, US-amerikanischen Regisseur Douglas Sirk (1897-1987) und insbesondere an dessen Drama Was der Himmel erlaubt / All That Heaven Allows (1955) beschwört Dem Himmel so fern mit so sensibler wie schwelender Intensität den unterschwellig gärenden Abgrund einer Familienhölle herauf, deren schöner Schein einer letztlich zumindest für Cathy – eindrucksvoll von Julianne Moore gespielt – befreienden Revolution einer späten Vermenschlichung weicht, die mit den realistisch dargestellten Vorurteilen von „Rasse“ und gesellschaftlicher Position aufräumt, die auch heute noch durch die verrotteten Räume postkolonialer Ressentiments geistern. Mit diesem postweihnachtlichen TV-Tipp ergehen auch die Empfehlung für ein fröhliches, kommunikatives und möglichst streitarmes Weihnachtsfest und die besten Wünsche für das neue Jahr mit reichlich bewegenden Filmen wie diesen, nicht nur im Fernsehen.

Dem Himmel so fern

Zu keiner Zeit strotzt das Fernsehprogramm hierzulande und auch Anderswo derart vor einer schier unüberschaubaren Fülle an illustren Spielfilmen wie an den Weihnachtsfeiertagen, auch wenn auf Grund des Vormarsches zahlreicher weiterer elektronischer Unterhaltungsmedien in den letzten Jahrzehnten die Abhängigkeit von festen Sendeterminen rapide abgenommen hat.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen