Das Pferd auf dem Balkon

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Leben mit Asperger - kein Kinderspiel

Asperger ist „in“. Nach Mary und Max – oder: Schrumpfen Schafe, wenn es regnet und Extrem laut und unglaublich nah steht diese Entwicklungsstörung einmal mehr im Zentrum einer Geschichte. Doch trotz thematischer Verwandtschaft ist Das Pferd auf dem Balkon ganz anders als die genannten Vorgänger, denn hierbei handelt es sich um einen Kinderfilm, der auch den kleinsten Zuschauern die Lebenswelt der Hauptfigur nahebringen möchte.
Mika (Enzo Gaier) ist anders als andere Kinder. Er schaut seinem Gegenüber beim Reden nicht so gerne in die Augen und wenn es laut und chaotisch wird, fühlt er sich überfordert. Mittagessen muss es immer um 14:17 Uhr geben und keine Minute später. Weil die anderen Kinder nicht verstehen, dass Mika diese Dinge wirklich wichtig sind, muss er meist alleine spielen. Lediglich das Nachbarsmädchen Dana (Nataša Paunović) schenkt ihm in letzter Zeit etwas Aufmerksamkeit. Obwohl er Überraschungen abgrundtief hasst, nimmt Mikas Leben eine unerwartete Wendung, als er durch Zufall entdeckt, dass sein Nachbar Sascha (Andreas Kiendl) ein Pferd in seiner Wohnung hält. Ausgerechnet bei diesem respekteinflößenden Tier findet Mika endlich die Ruhe, nach der er sich so lange gesehnt hat. Doch Sascha will das Pferd an einen Schlachter verkaufen, um seine Spielschulden zu begleichen. Können Mika und Dana dies rechtzeitig verhindern?

Das Pferd auf dem Balkon ist ein Kinderfilm durch und durch. Die schnörkellose Geschichte ist auch für ein junges Publikum nachvollziehbar, gestaltet sich spannend und doch nicht haarsträubend aufregend. Die beiden Bösewichte Bert (Murathan Muslu) und Toni (Alexander Fennon) sind zwar grimmige Gesellen, die Sascha mit dem Leben drohen, doch ihre bösartigste Tag besteht darin, dass sie ihrem Schuldner im wahrsten Sinne des Wortes kräftig auf die Füße treten. Zudem benehmen sie sich zuweilen so tollpatschig, dass sie eher komisch als unheimlich wirken. Trotz dieser komödiantischen Figuren vermeidet Regisseur Hüseyin Tabak platten Slapstickhumor und bis auf einen kräftigen Pferdepups verzichtet er auch darauf, Lacher durch Fäkalwitze zu generieren. Das Pferd auf dem Balkon nimmt seine kleinen Zuschauer ernst und möchte ihnen etwas mit auf den Weg geben. In dem Tabak die Welt immer wieder aus den Augen Mikas filmt, hilft er seinem Publikum altersunabhängig, die Welt des kleinen Jungen besser zu verstehen. Wenn Geräusche verstärkt werden und die Konturen verschwimmen, dann finden auch wir das ganz schön unangenehm.

Nachwuchsschauspieler Enzo Gaier gibt sein Bestes und auch wenn er nicht an die Leistung amerikanischer Altersgenossen anknüpfen kann wirkt seine Darstellung des kleinen Mikas weitgehend überzeugend. Selbiges lässt sich von Nataša Paunović leider nur bedingt behaupten. Das Herz des Films ist jedoch Andreas Kiendl als Sascha, der für einen akut Spielsüchtigen vielleicht ein wenig zu harmlos daherkommt, dafür aber umgehend alle Sympathien gewinnt. Es ist schade, dass sich der Film insgesamt zu oberflächlich mit Saschas Problemen auseinandersetzt, zumal ein Automatengewinn im Happy End eine dominante Rolle spielt. In einer Zeit, in der Kinder und Jugendliche durch das Internet Glücksspielen besonders stark ausgesetzt sind, wäre eine kritischere Annäherung an dieses Thema löblich gewesen. Auf der anderen Seite strukturiert der klare Fokus auf Mikas Erleben die Geschichte und macht sie somit auch für jüngere Grundschulkinder zugänglich.

Auch Eltern hat Das Pferd auf dem Balkon etwas zu bieten. „Mein Kind braucht keine Therapie“, entrüstet sich Mikas Mutter Lara (Nora Tschirner) an einer Stelle. Als alleinerziehende Mutter ist sie den Stimmungsschwankungen ihres Sohnes schonungslos ausgesetzt. Ihr eigener Frust und Schmerz wird dabei nur angedeutet, ist für das erwachsene Auge jedoch deutlich wahrnehmbar. Im Laufe der Geschichte wird die Frage immer brennender, ob die Resignation seines Umfelds, „das Kind ist eben so“, an Mikas Zustand eine Teilschuld trägt. Es muss erst jemand von außen kommen, in diesem Fall Sascha, um in der Pferdetherapie neue Handlungsoptionen aufzuzeigen. Wenn Mika vollkommen gelöst auf dem Pferderücken sitzt, rührt das nicht nur Mutter Lara, sondern auch das Kinopublikum.

Das Pferd auf dem Balkon hat vielleicht nicht das Zeug zum Kinderfilmklassiker, bietet aber pädagogisch wertvolle Unterhaltung für die ganze Familie und kann kleinen wie großen Zuschauern ein bisschen dabei helfen, die Welt eines Kindes mit Asperger-Syndrom besser zu verstehen.

Das Pferd auf dem Balkon

Asperger ist „in“. Nach „Mary und Max – oder: Schrumpfen Schafe, wenn es regnet“ und „Extrem laut und unglaublich nah“ steht diese Entwicklungsstörung einmal mehr im Zentrum einer Geschichte. Doch trotz thematischer Verwandtschaft ist „Das Pferd auf dem Balkon“ ganz anders als die genannten Vorgänger, denn hierbei handelt es sich um einen Kinderfilm, der auch den kleinsten Zuschauern die Lebenswelt der Hauptfigur nahebringen möchte.
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Meinungen

Andrea · 10.04.2013

Ein märchenhafter Film aus Österreich!