Das kreative Universum

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Gretchenfragen zwischen Wissenschaft und Spiritualität

Sind die Naturwissenschaften und die Religion wirklich in unserer materialistischen Welt miteinander unvereinbar? Oder sind die Gegensätze zwischen Glauben und Wissen nicht letzten Endes unüberbrückbar? Es scheint beinahe so. In den ersten Szenen seines Films Das kreative Universum macht Rüdiger Sünner klar, dass die Anschläge des 11. September 2001 sich nicht nur gegen die USA wandten, sondern auch auf unser gesamtes, naturwissenschaftlich-materialistisches Weltbild abzielten. Und zugleich erleben Naturreligionen, esoterische Strömungen, fernöstliche Spiritualität und andere Formen der Sinnsuche gerade in unserer Zeit einen ungeheuren Zustrom. Beinahe scheint es so, also beflügele der wissenschaftliche Skeptizismus auf der anderen Seite die (Gut)Gläubigkeit – frei nach G.K. Chesterton, der vor etlichen Jahrzehnten bereits feststellte: „Wenn Menschen aufhören, an Gott zu glauben, dann glauben sie nicht an nichts, sondern an alles Mögliche. Das ist die Chance der Propheten – und sie kommen in Scharen.“
Propheten sind es nicht, die Sünner für seinen Thesenfilm aufbietet, dafür kommt aber eine Vielzahl verschiedenster Experten aus den Naturwissenschaften und anderen Disziplinen zu Wort – und beinahe alle dieser Interviewten würde sich wohl selbst mit dem arg in Verruf gekommenen Begriff „Querdenker“ bezeichnen. Dennoch befindet sich unter ihnen trotz unterschiedlichster Disziplinen und geistigen Differenzen niemand, der ernsthaft die Evolutionstheorie in Frage stellen würde. Kreationisten und Anhänger des so genannten „Intelligent Design“ befinden sich nicht unter ihnen. Man dürfe sich Gott eben nicht als eine Art Ingenieur vorstellen, der die Welt nach einem feststehenden Bauplan erschaffen habe, stellt der amerikanische Jesuit und Astronom George Coyne an einer Stelle des Filmes fest. Vielmehr – und darin stimmen fast alle der Befragten überein – sei in der Evolution viel Platz für Zufälle, für Prozesse, die eine kreative Eigendynamik entwickeln. Und gerade hierin liege das Wunderbare in unserem kreativen Universum.

Man merkt dem Filmemacher Rüdiger Sünner durchaus an, dass er aus der Philosophie kommt. Dennoch ist der Film durchweg gut verständlich – wenn man von den häufigen englischen und mit deutschen Untertiteln versehenen Statements einmal absieht. Dennoch erfordert der film höchste Konzentration, was vor allem an den zahlreichen „talking heads“ liegt, die wir immer wieder sehen und die dafür sorgen, dass man manchmal eine gewisse Leichtigkeit vermisst, die dem Film gerade angesichts seines Themas gut zu Gesicht gestanden hätte.

Hinzu kommen einige Holprigkeiten beim Off-Kommentar, so etwa, wenn zu Beginn des Films gesagt wird, die 9/11-Attentäter seien „irregeleitete Fanatiker“ – gerade so, als sei nicht jede Form des Fanatismus per se irregeleitet. Merkwürdig nimmt es sich auch aus, wenn die zu Worte kommenden Experten sich immer wieder auf den wissenschaftlichen Dogmatismus beziehen, den religiös-spirituellen Dogmatismus aber meist außer Acht lassen – wenn man von den eingangs erwähnten „irregeleiteten Fanatikern“ einmal absieht.

Dass das Denken abseits der fest gefügten Formen und Disziplinen ein echtes Abenteuer sein kann, dass das scheinbar Unvereinbare gerade dann besonders reizvoll ist, wenn es zusammengedacht wird, spürt man am Ende des Films zwar durchaus. Es wäre aber noch schöner gewesen, wenn man dies auch gesehen hätte.

Das kreative Universum

Sind die Naturwissenschaften und die Religion wirklich in unserer materialistischen Welt miteinander unvereinbar? Oder sind die Gegensätze zwischen Glauben und Wissen nicht letzten Endes unüberbrückbar? Es scheint beinahe so.
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Meinungen

Anett · 01.05.2020

Kommentar zum Film :Das kreative Universum"Diesen Film habe ich erst jetzt entdeckt, Corona sei Dank, nun hab ich Zeit für Filme. Was ich schmerzlich vermisse, die Kirche kommt zu Wort,die Physik, die Biologie..., nur nicht die Frauen.
Wieder nur alte Männer mit ihren ach so weisen Meinungen... Auch ich bin aus Sternenstaub!
Der Kommentar zum kleinen Hirsch hat mir am besten gefallen, ich hab das bei meinem Hund auch festgestelt!!! Trotz allem sehenswert und fortsetzungswürdig.

wignanek-hp · 27.06.2011

Ich habe den Film nun gesehen – auf DVD – und finde ihn spannend. Er hebt sich wohltuend von solchen Produktionen wie „What the Bleep Do We (K)now“ ab, der mit seiner unerträglichen Beliebigkeit ein Selbstbedienungsladen für Sinnsuchende ist. Sünner versucht sachlich die einzelnen Disziplinen zu Wort kommen zu lassen, mit einem Fokus auf die Biologie. Das ist wohltuend. Denn, wie schon Sheldrake im Film sagt, die Schönheit und die wundervolle Vielfalt der Schöpfung kann man nicht in Zahlen fassen. Die Welt ist kein Selbstbedienungsladen, den wir beliebig leerkaufen können. Eine Nachlieferung ist nicht möglich. Ehrfucht vor der Schöpfung, ein Staunen über die Schönheit und Vielfalt, ein Innehalten, bevor wir ans Werk gehen, das ist notwendig, um unsere Erde und letztlich uns selbst zu erhalten. Vielleicht ist diese Einsicht der Einstieg ins Wassermann-Zeitalter. Es wäre uns allen zu wünschen.

wignanek-hp · 28.01.2011

Der Film lässt hoffen, dass es auch möglich ist, mehr über "Nebenwege" der Forschung zu erfahren, die ja so oft als nicht wissenschaftlich in die Ecke gestellt werden - sehr zu unrecht. Naturwissenschaft tendiert also oft dazu alles, was nicht in ihr Weltbild zu passen scheint, erst mal wegzubeißen. Dabei gibt es so wunderbare Erkenntniswege, die erstmal begangen werden müssen, um überhaupt ein Urteil darüber fällen zu können.
Ich hoffe nur, dass man den Film auch zu sehen bekommt. Ich bin heute - eineinhalb Monate nach seinem Start - durch Zufall auf diesen Film gestoßen und ich laufe wahrhaftig nicht blind durch die Filmwelt. Das lässt nicht auf eine nachhaltige Vermarktung schließen. Schade eigentlich!

G.Hild · 04.01.2011

Lieber Herr Han Solo! Möglicherweise habe Sie sich nie ernsthaft mit neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beschäftigt, sonst könnten Sie sich nicht so herablassend über die Wissenschaft äußern. Wissenschaft und Religion sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich wunderbar. In diesem Sinne geben wissenschaftliche Erkenntnisse einen phantasitischen Einstieg in einen begründeten Glauben. Vielleicht sollten gerade Sie sich diesen Film anschauen. Er könnte zur Erweiterung Ihres Horizontes beitragen.
Viel Spaß!

Han Solo · 22.10.2010

Der Text da oben ist, Verzeihung, Bullshit. Was ist denn "Wissensautorität"? Und was hat Meditationmit Religion zu tun? Und wie soll mir Wissenschaft denn einen besseren "Sinnhorizont" geben als Religionen? Kann Wissenschaft Sinn geben? Und heißt das, dass diejenigen, der voll der Wissenschaft vertrauen, auf einmal nicht mehr auf der Sinnsuche sind? Selten so einen erkenntnistheoretischen Schwachsinn gehört. Wenn der ganze Film so philosophischen Schmarrn enthält, dann viel Spaß.