Das Glück der großen Dinge

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Kampfzone Familie

Scheidungen gehören unvermeidlich zum Familienleben dazu. Menschen, die sich einmal liebten oder zu lieben glaubten, sehen plötzlich nur noch einen Ausweg: den Ausbruch aus festgefahrenen Strukturen. Nicht selten ist eine solche Entscheidung mit schmerzlichen Auseinandersetzungen verbunden. Großes Drama also, das nicht zuletzt dem Kino immer wieder Stoff für eindringliche Geschichten geliefert hat. Auch das Regie-Duo Scott McGehee und David Siegel rückt in Das Glück der großen Dinge das brisante wie beliebte Scheidungsthema in den Mittelpunkt des Interesses.
Als Vorlage diente den beiden Filmemachern und ihren Drehbuchautoren Nancy Doyne und Carroll Cartwright der von Henry James verfasste Roman Maisie, der schon kurz nach seiner Veröffentlichung 1897 für kontroverse Diskussionen sorgte, da das Buch die damals neuartige Idee des gemeinsamen Sorgerechts offen thematisierte. Mehr als hundert Jahre später hat dieser Umstand seine Sprengkraft verloren. Und doch geht von dem bereits mehrfach adaptierten Werk eine ungebrochene Faszination aus. Ein entscheidender Grund hierfür dürfte die konsequent durchgehaltene kindliche Perspektive sein, die auch Das Glück der großen Dinge zu einer berührenden und gleichzeitig ungewöhnlichen Erfahrung macht.

Die sechsjährige Maisie (eindrucksvoll: Onata Aprile) wächst in einer nicht gerade durchschnittlichen Familie auf. Ihre Mutter Susanna (Julianne Moore) ist ein alternder Rockstar, mehr an einem großen Comeback interessiert als an ihrem familiären Dasein. Maisies Vater Beale (Steve Coogan) arbeitet als Kunsthändler, entwickelt jedoch einen zunehmend zynischeren Blick auf sein Leben. Die in den ersten Bildern suggerierte Harmonie – Mutter und Tochter liegen vertraut im Bett – wird schnell von einem elterlichen Kleinkrieg überlagert. Susanna und Beale sind an einem Punkt angelangt, an dem sie ihre früheren Träume nicht mehr mit der Realität in Einklang bringen können. Lautstarke Streitgespräche und gegenseitige Vorhaltungen beherrschen den Alltag. Die kleine Maisie scheint davon zunächst unbeeindruckt, schließlich wird sie von ihrem Kindermädchen Margo (Joanna Vanderham) liebevoll umsorgt.

Eines Tages kommt es jedoch zum großen Knall. Das Ende der Ehe ist unabwendbar. Was folgt, ist ein erbittert geführter Streit um Maisie, der auf ein gemeinsames Sorgerecht hinausläuft. Von nun an wird das kleine Mädchen hin- und hergeschoben und muss sich außerdem mit den neue Partnern ihrer Eltern arrangieren: Beale hat die hübsche Margo geheiratet und Susanna den liebenswerten, aber chaotischen Barkeeper Lincoln (Alexander Skarsgård). Ausgerechnet diese beiden Menschen bieten Maisie nach und nach die Geborgenheit, die ihre Eltern ihr nicht geben können.

Die kleine Protagonistin ist vor allem eins: eine Beobachterin – meistens passiv und abwartend. Ihr kindlich-naiver Blick bestimmt unsere Sicht auf das Auseinanderbrechen der Ehe und den anschließenden Rosenkrieg. Maisie ergreift nie Partei, vielmehr schaut sie erstaunt und skeptisch zugleich auf die tiefgreifenden Veränderungen in ihrem Leben. Obwohl der Zuschauer nur selten direkten Zugang zu den Gedanken des Mädchens erhält, gelingt es dem Film sehr wirkungsvoll, emotional zu berühren und zum Nachdenken anzuregen. Die einfachen, aber ausdrucksstarken Bilder sprechen für sich. Bedrückend sind beispielsweise die Szenen, in denen deutlich wird, dass Maisie für ihre – vielleicht etwas zu überspitzt gezeichneten – Eltern zu einem Instrument der Machtbehauptung verkommt. Zum Spielball selbstsüchtiger Erwachsener, die nicht erkennen, dass ihr Kind aufrichtige Zuneigung benötigt.

Wie ein Schwamm saugt Maisie das Treiben um sich herum auf und verliert doch nie ihre Unbekümmertheit. Womöglich ist gerade dies eine rettende Überlebensstrategie, eine kindliche Antwort auf schmerzvolle Umstände. Neben der Betroffenheit, die das rücksichtlose Verhalten der Erwachsenen erzeugt, vermittelt der Film ebenso viel Hoffnung. Schließlich werden Margo und Lincoln Schritt für Schritt zu einer Art Ersatzfamilie, die es Maisie möglich macht, aus ihrer zurückhaltenden Beobachterposition heraus einen dezent-spürbaren Wandel zu vollziehen: Das Mädchen lernt, auch einmal „Nein“ zu sagen und ihren eigenen Bedürfnissen zu folgen. Wenngleich im deutschen Verleihtitel von „großen Dingen“ die Rede ist, vermittelt das beeindruckend gespielte Drama vor allem viele kleine, aber aufrichtige Wahrheiten.

Das Glück der großen Dinge

Scheidungen gehören unvermeidlich zum Familienleben dazu. Menschen, die sich einmal liebten oder zu lieben glaubten, sehen plötzlich nur noch einen Ausweg: den Ausbruch aus festgefahrenen Strukturen. Nicht selten ist eine solche Entscheidung mit schmerzlichen Auseinandersetzungen verbunden. Großes Drama also, das nicht zuletzt dem Kino immer wieder Stoff für eindringliche Geschichten geliefert hat.
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Meinungen

chrissi · 24.07.2013

ein sehr schön anzusehender spielfilm,der kinderstar war eine augenweide,ebenso die nebenrollen darsteller.