Das brandneue Testament (2014)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Wenn Gott leidet, dann müssen alle leiden

Gott ist ein sadistisches Arschloch und wohnt in Brüssel. Er hat eine Frau, die er unterdrückt, einen Sohn namens JC, der aber leider gestorben ist und eine kleine Tochter Ea, die das Haus nicht verlassen darf. Wenn ihm langweilig ist, geht er an seinen Computer und versaut den Menschen ihr Leben. Zum Beispiel mit seinen knapp dreitausend Gesetzen der Unannehmlichkeiten, die einem das Leben schwer machen: dass Marmeladentoast immer mit der Marmeladenseite auf den Boden fällt, dass das Telefon immer dann klingelt, wenn man es sich gerade in der Badewanne bequem gemacht hat, dass es immer regnet, wenn man keinen Schirm dabei hat etc.

Das Leben ist mies, weil Gott ein mieser Arsch ist. Und wenn er leidet, dann müssen eben alle leiden. Aber darauf hat Ea keine Lust mehr. Sie schleicht in Gottes heiliges Arbeitszimmer, schickt allen Menschen auf der Erde eine SMS mit dem Tag an dem sie sterben werden, um ihren Vater zu diskreditieren, haut ab aus Brüssel und begibt sich auf die Erde, um dort sechs neue Apostel zu suchen. Denn ihr Bruder hat schon zwölf besorgt und mit ihren sechs macht das 18. Und 18 Leute macht eine Baseballmannschaft. Und ihre Mutter liebt Baseball.

Was sich hier nach ganz schönem Quatsch anhört, ist es auch. Aber eben Quatsch allerbester Qualität und nicht annähernd so sinnentleert, wie man vielleicht glauben mag. Denn in Jaco van Dormaels surrealer Götterkomödie steckt dann doch ein Haufen Wahrheit. Denn durch Eas #DeathLeak, wie man die Massen-SMSen inzwischen nennt, ändert sich eine ganze Menge. Wenn man weiß, wann man stirbt, was macht man dann mit seinem Leben, nachdem die Illusion, viel Zeit zu haben, geplatzt ist? Die Frage nach dem wahren Lebensglück tut sich auf und van Dormael weiß diese auf vielfältige, humanistische und lustige Art zu beantworten. Kriege hören schlagartig auf, weil keiner mehr Lebenszeit verschwenden will. Einige Menschen ändern ihr Leben radikal, andere machen weiter wie bisher. Als Running Gag gibt es Kevin, der noch ein paar Jahrzehnte zu leben hat und bis dahin seine Unsterblichkeit mit halsbrecherischen Stunts testet.

Ea besucht ihre Apostel, sechs Menschen, die sie zufällig ausgewählt hat und lässt diese ihre Lebensgeschichten erzählen, aus denen der Penner Vincent als Ghostwriter für sie das „tout nouveau testament“, das brandneue Testament, schreiben soll: Aurelie (Laura Verlinden) hat ihre Hand verloren und ist nun trotz ihrer sonstigen Schönheit allein, Jean-Claude (Didier De Neck) war Abenteurer, hat dann aber doch einen sicheren Job gewählt und sein Leben verpasst, Marc (Serge Larivière) ist sexbesessen, Francois (Francois Damiens) ist ein Soziopath, der noch nie Gefühle hatte und Martine (Catherine Deneuve) ist eine gelangweilte, reiche Hausfrau.

Wie in früheren Filmen borgt van Dormael großzügig Ideen und Momente aus vielen anderen Filmen und montiert diese mit viel Humor und Monty-Python-Surrealismus zusammen zu einem hochgradig erratischen, stets leicht manisch daherkommendem Gesamtwerk. Dabei bleibt van Dormaels Handschrift stets sichtbar, auch wenn Das brandneue Testament doch einen ganz anderen Ton anschlägt, als sein letzter Film Kiss & Cry und Mr. Nobody.

Seine Lebenszeit verschwendet man mit diesem Film also auf keinen Fall. Im Gegenteil, vielleicht denkt man noch einmal darüber nach, ob man seine Zeit gut nutzt. Aber selbst wenn nicht, Spaß haben wird man auf jeden Fall.
 

Das brandneue Testament (2014)

Gott ist ein sadistisches Arschloch und wohnt in Brüssel. Er hat eine Frau, die er unterdrückt, einen Sohn namens JC, der aber leider gestorben ist und eine kleine Tochter Ea, die das Haus nicht verlassen darf. Wenn ihm langweilig ist, geht er an seinen Computer und versaut den Menschen ihr Leben.

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