Dalida (2016)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Ciao, Amore, Ciao

„Mut ist nichts anderes als Angst, die man nicht zeigt“. Sergio Leones legendäre Worte könnten auch Pate gestanden haben für das schillernde Leben Dalidas (1933-1987), der größten französischen Sängerin der vergangenen 50 Jahre, die zeitlebens nach echter Sinnhaftigkeit, Spiritualität und letztlich auch ein bisschen Frieden in ihrem mehr als nur turbulenten Leben suchte, das nun von Lisa Azuelos (LOL — Laughing Out Loud / Ein Augenblick Liebe) als zweistündiges Biopic Dalida verfilmt worden ist.

Schon als Baby kämpfte sie mit Augenproblemen, hinzu kam der frühen Verlust ihres Vaters, der eines Tages plötzlich von den Alliierten in Ägypten, wo die italienischstämmige Chanteuse 1933 als Iolanda Gigliotti geboren worden war, unsanft abtransportiert wurde. Es tobte der Zweite Weltkrieg – und Italiener standen als Partner von Nazi-Deutschland automatisch im Fokus der Verbündeten, worauf die Regisseurin und Drehbuchautorin Lisa Azuelos allerdings deutlich zu kurz und visuell viel zu glatt (Kamera: Antoine Sanier) eingeht.

Von ihrem Vater hatte Dalida zweifelsohne ihre musikalische Ader geerbt, denn er spielte die erste Geige an der Oper Kairos und war als Geigenbauer anerkannt. Dieser Zwangsabschied prägte Dalida, auch später in ihrer Fabelkarriere kam sie in Interviews gelegentlich auf ihre Abstammung und ihr frühzeitig zerstörtes Familienleben zurück. Nur leider ist davon in Azuelos’ erstaunlich brav-gedämpftem Film herzlich wenig zu spüren.

Vieles wird hier bereits in der ersten halben Stunde thematisch angerissen: Von den Selbstzweifeln oder depressiven Phasen der Portraitierten, von dem unbändigen Ringen um ein Kind ist hier nur am Rande etwas zu spüren. Über diesen wichtigen Punkte in Dalidas Leben wird hier sehr schnell hinweggegangen.

Als junge Frau war die eigentlich oft ängstliche Dalida (im Film eine durchaus famose Besetzung als Performerin, weniger als Schauspielerin: Sveva Alviti) nämlich schon in ihrer ersten Heimat alles andere als mutlos. Zumindest dann, wenn es darauf ankam und sie unbedingt etwas wollte: Schauspielerin werden oder Mannequin. Aus diesem Grund nahm sie 1954 – gegen den Willen ihrer Eltern – schließlich an der Wahl zur „Miss Ägypten“ teil – und gewann prompt: Lediglich mit einem Bikini im Leopardenmuster bekleidet.

Das war der erste Aufreger in jenem äußerst tragisch-unruhigen Leben der heute mythenhaft verehrten Sängerin, die in den nächsten 30 Jahren mehr Preise als jede andere französische Künstlerin gewann – und im Gegenzug ein ziemlich öffentliches Leben führen musste: So sehr waren die Medien viele Jahre hinter ihr her. Nach Brigitte Bardot und Romy Schneider war sie mehrere Jahre lang die meistfotografierte Frau der Grande Nation, die zudem über beste Kontakte in die Politik verfügte und als frühzeitiger Rundfunkstar fast jede Woche im Fernsehen zu sehen war. Schade, dass auch von diesen pikanten Mosaiksteinchen aus Dalidas Leben so wenige Eingang in den nunmehr von drei auf zwei Stunden gekürzten Film gefunden haben, der jetzt in den Kinos startet.

Dabei glich Dalidas Leben doch selbst einem zart-herben Chanson: Als erster Frau überhaupt wurde ihr eine „diamantene Schallplatte“ verliehen, wodurch Dalida bereits im ersten Drittel ihrer Laufbahn europaweit bekannt und unter anderem auch in Deutschland mit Liedern wie Am Tag, als der Regen kam überaus populär war. Im Laufe ihrer ebenso langen wie ereignisreichen Ausnahmekarriere als Sängerin, Show- und Revue-Star nahm sie bis Mitte der 1980er Jahre schließlich über 2000 Lieder auf. Zuletzt hatte sie über 150 Millionen Tonträger verkauft.

Vom klassischen Lied (wie Bambino), über arabische und südamerikanische Musik (z.B. Besame Mucho) bis hin zu Neuinterpretationen internationaler Schlager (u.a. Ti amo oder La mer) und einer Reihe wahrlich unzerstörbarer Herz-Schmerz-Nummern (Ciao, Amore, Ciao/Je suis malade) reichte dabei ihr erstaunlich großes Gesangsrepertoire. Natürlich erklingen viele dieser echten Ohrwürmer zumindest passagenweise in Azuelos’ insgesamt allzu bemühtem Versuch, ein klassisches Biopic mit etwas Zeitgeschichte und merkwürdig lieblos inszenierten Melodrama-Elementen zu einem packenden Film für das große Publikum zusammenzumischen.

Allein: Es fehlt das Herzblut, von dem die echte Dalida übermäßig viel in ihren Adern hatte. Ganze drei Liebschaften Dalidas wählten den Freitod … Sie selbst hatte schon 1967 den ersten Selbstmordversuch hinter sich und lag zeitweise im Koma … Was hätte wohl ein Bertrand Bonello (Saint Laurent) aus diesem überbordenden (Lebens-)Stoff gemacht?

Noch als über Vierzigjährige erfand sie sich sogar als Disco-Queen (z.B. J’attendrai oder Laissez-moi Danser (Monday Tuesday)) abermals neu: Mit satten Beats – und nicht minder flotten Hüftbewegungen, ohne zur Lachnummer zu verkommen. Wer sich bei Helene Fischers gigantischem Aufstieg zuweilen fragt: Woher kommt das ganze Bling-Bling, warum immer dieses Show-Dings-Drumherum, all die vielen Tänzer und die ausgefeilte, häufig gewechselte Bühnengarderobe? Hier ist die Antwort! Warum wird Dalida auch in LGBT-Kreisen bis heute groß gefeiert? Genau darum.

Sie hatte eben dieses gewisse Etwas, die Aura eines Megastars wie Alain Delon: Dem schönsten Mann der 1960er Jahre – ihrem einstigen Nachbarn – mit dem sie nicht nur der Smash-Hit Paroles, Paroles verband, sondern auch eine hitzig-kurze Affäre. Nur davon hat dieser Film leider gar nichts (zu erzählen).
 

Dalida (2016)

„Mut ist nichts anderes als Angst, die man nicht zeigt“. Sergio Leones legendäre Worte könnten auch Pate gestanden haben für das schillernde Leben Dalidas (1933-1987), der größten französischen Sängerin der vergangenen 50 Jahre, die zeitlebens nach echter Sinnhaftigkeit, Spiritualität und letztlich auch ein bisschen Frieden in ihrem mehr als nur turbulenten Leben suchte.

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