Clash (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Gefangen im rollenden Käfig

Seit dem arabischen Frühling hat sich viel verändert in Ägypten. Von den hoffnungsvollen Szenen am Tahrir-Platz zum Fundamentalismus der Muslimbruderschaft unter dem gewählten Präsidentin Mohammed Mursi bis hin zum Verbot der Partei und der Machtübernahme durch die Militärs hat das Land nach der Vertreibung des langjährigen Präsidenten Hosni Mubarak zahlreiche politische Wechsel erfahren.

In seinem Film Eshtebak erzählt der ägyptische Regisseur Mohamed Diab von einem Tag im Jahre 2013, kurz nachdem Präsident Mursi vom Militär aus dem Amt gejagt worden war und die Zukunft des Landes auf der Kippe stand. In dieser Zeit kam es tagtäglich zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Parteigängern der Muslimbruderschaft und Unterstützern der Armee, die in Ägypten schon immer (mindestens) die zweite Macht im Staate war. Der Handlungsort von Eshtebak ist eine Closed-Room-Situation der extremen Art: Ein Gefängniswagen der Polizei, die bei verschiedenen Gelegenheiten eingriffen, Menschen verhaftet und in einem engen eisernen Käfig zusammenpfercht hat. Es folgt eine Tour de force durch Staub, Hitze und Chaos, denn natürlich finden sich dort in der rollenden Arrestzelle Anhänger beider Lager wieder – und die gemeinsame Gefangenschaft schweißt diese Schicksalsgenossen nicht zusammen, sondern lässt die Unterschiede noch extremer aufeinanderprallen. Und so hocken sie alle zusammen auf dem Pulverfass, das sie selbst sind: Die Unterstützer der Generäle und die fundamentalistischen Fanatiker, die zukünftigen IS-Kämpfer und der Möchtegern-DJ, der eine heimliche Liebesgeschichte mit der Schwester seines besten Freundes begonnen hat, die Mitläufer der Muslimbrüder und deren Mitglieder, die sich gegenüber ihren Sympathisanten als etwas Besseres fühlen, die braven Familienväter beider Seiten und die ideologischen Scharfmacher, die selbstbewusste Mutter und die verschleierte Tochter – kurzum: ein Querschnitt durch die gesamte ägyptische Gesellschaft.

Natürlich erinnert diese Konstellation, die Mohamed Diab als Ausgangspunkt seines Dramas gewählt hat, an Kairo 678, den Vorgängerfilm des Regisseurs. Hier wie dort wird ein Fahrzeug zum Symbol all der Missstände im Land, zum Brennpunkt politischer und gesellschaftlicher Verwerfungen. In Eshtebak freilich hat Diab dieses Konzept noch einmal weiter und auf die Spitze getrieben. Der Zuschauer befindet sich ausschließlich mit den Gefangenen in dem Gefängniswagen, die klaustrophobische Enge, der Lärm, die erregten Diskussionen und handgreiflichen Zusammenstöße treffen ihn ebenso ungefiltert wie die anderen Anwesenden. Gerät das Fahrzeug einmal mehr in eine Demonstration, deren Zielrichtung sich nur von den Schlachtrufen ableiten lässt, ist das Chaos, sind die Steinwürfe gegen die begleitende Polizei und deren Einsatzfahrzeuge, sind die irritierenden Lichter der als Waffe eingesetzten Laserpointer unmittelbar zu spüren. Der Terror, die allgegenwärtige Gewalt, die Todesangst – all dies lässt Eshtebak zu einem ungemein intensiven Film werden.

Am Ende verkehrt sich die ganze Situation in das genaue Gegenteil: Galt vorher das ganze Bestreben der Gefangenen einem Entkommen aus dem engen Eisenkäfig auf Rädern, erweist sich dieser schließlich als einzig sicherer Ort. Und kaum ist die Tür endlich aufgebrochen, beeilen sich die Insassen – endlich mit vereinten Kräften – diese schnellstmöglich wieder zu schließen. Welch Bitternis in diesem Schlussbild doch liegt.
 

Clash (2016)

Seit dem arabischen Frühling hat sich viel verändert in Ägypten. Von den hoffnungsvollen Szenen am Tahrir-Platz zum Fundamentalismus der Muslimbruderschaft unter dem gewählten Präsidentin Mohammed Mursi bis hin zum Verbot der Partei und der Machtübernahme durch die Militärs hat das Land nach der Vertreibung des langjährigen Präsidenten Hosni Mubarak zahlreiche politische Wechsel erfahren.

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Meinungen

Hans · 05.11.2017

Das waren bestimmt die intensivsten 30 min Film, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Naja, Handkamera .... macht bei der gewählten Erzählperspektive natürlich extrem viel Sinn, leider ist mir nach 1/2 Stunde und vielen Kameraschwenks so schwindelig geworden (in echt!), dass ich lieber den Kinosaal verlassen habe. Bestimmt werde ich den Rest des Filmes auf DVD + meinem kleinen Röhrenfernseher nachholen.