Changeling - Cannes 2008

Eine Filmkritik von Red.

Clint Eastwoods neuer Film mit großer Besetzung

Cannes, das ist neben großer Filmkunst auch immer ein Ort für die Stars gewesen: Auf kaum einem Festival der Welt steht anspruchsvolles Autorenkino so unmittelbar neben dem System Hollywood wie hier – und oft genug auch im Schatten. Umso schöner, wenn große Filmkunst und große Stars sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern eine Verbindung eingehen. Insofern waren die Erwartungen an Clint Eastwoods neuen Film Changeling riesig – schließlich verdankten es die Journalisten diesem Werk, dass Angelina Jolie den roten Teppich in Cannes mit ihrer Anwesenheit beglückte.
In Changeling erzählt Eastwood, basierend auf realen Ereignissen aus den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, den so genannten „Winewville Chicken Murders“, die Geschichte einer allein stehenden Frau, die unerschrocken den Kampf um ihren verschwundenen Sohn und gegen ein korruptes System aufnimmt. Die Telefonistin Christine Collins (Angelina Jolie) ist eine allein erziehende Mutter in einem Arbeiterviertel der Metropole Los Angeles, deren neunjähriger Sohn Walter eines Tages spurlos verschwindet. Zunächst ist die Suche nach dem Jungen erfolglos, doch nach fünf Monaten der Ungewissheit und des Wartens geschieht das Wunder, an das Christine nicht mehr zu glauben wagte: Die Polizei hat Walter gefunden und inszeniert eine medienwirksame Familienzusammenführung. Schnell merkt Christine allerdings, dass der Bursche Walter ähnlich sieht, aber nicht ihr Sohn ist. Als sich die Beweise häufen, verlangt sie Aufklärung, doch die Polizei unter Leitung des korrupten und abgrundtief bösen Chief Davis erklärt den Fall für erledigt und lässt die scheinbare Querulantin in die Psychiatrie einweisen. Erst als die Öffentlichkeit auf den skandalösen Fall aufmerksam wird, kommt Christine wieder frei und nimmt wieder den Kampf um ihren Sohn auf – bis die entsetzliche Wahrheit ans Licht kommt…

Andreas Borcholte bei Spiegel Online bezeichnet Eastwoods Werk als „ein vielschichtiges Tableau unterschiedlichster Ebenen“ und findet, dass der Film sich „in die erste Riege aufwändig ausgestatteter Sittengemälde wie Chinatown, L.A. Confidential und Black Dahlia“ einreihe. Rüdiger Suchsland fühlt sich bei Telepolis an James Ellroy erinnert und zieht Parallelen zur amerikanischen Gegenwart: „Einer empörend handelnden und abgrundtief korrupten Obrigkeit steht in Changeling eine funktionierende Zivilgesellschaft gegenüber, die mit Hilfe sozial engagierter „Populisten“, kostenlos arbeitenden Staranwälten, einer an Aufklärung und Systemkritik interessierten Medien-Öffentlichkeit und eines völlig unabhängigen Justizapparats den Fall aufklärt, die Schuldigen bestraft und den Opfern Genugtuung gibt.“ Allerdings, so Suchsland weiter, sei dies „das durch und durch idealisierte Wunschbild eines „guten Amerika“, das schon historisch nicht den Tatsachen entspricht, aber als Gegenentwurf zum Bush-Country taugt.“ Wenig begeistert hingegen ist Dominik Kamalzadeh vom östereichischen Standard, der vor allem die Stars wie Angelina Jolie und John Malkovich dafür verantwortlich macht, „dass der Film bisweilen wie eine Parodie seiner selbst erscheint.“ Florian Keller vom Schweizer Tagesanzeiger stößt ins gleiche Horn und findet den Film „furchtbar umständlich und betulich“.

Beinahe durchgehend positiv hingegen wird der Film von der englischsprachigen Presse aufgenommen. Der Filmkritiker Emmanuel Levy findet, dass Clint Eastwood einem guten französischen Wein gleiche: „Je reifer er wird an Alter und Erfahrung, desto besser, tiefer und voller ist er.“ Kirk Honeycutt vom Hollywood Reporter findet, dass sich „selten ein Film dieser Länge so kurz angefühlt“ habe und hebt die Leistung Angelina Jolies hervor, die „ihr Image als Filmstar“ komplett vermeidet.“ Todd McCarthy von Variety lobt den Film als „emotional kraftvolles und stilistisch sicheres Drama“ und bescheinigt Angelina Jolie „eine erstklassige schauspielerische Leistung“.

Der Film startet in Deutschland am 12. März 2009 im Verleih der Universal Pictures Germany.

Changeling - Cannes 2008

Cannes, das ist neben großer Filmkunst auch immer ein Ort für die Stars gewesen: Auf kaum einem Festival der Welt steht anspruchsvolles Autorenkino so unmittelbar neben dem System Hollywood wie hier – und oft genug auch im Schatten.
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Meinungen

Günter Münzloher · 20.09.2010

Solche Filme sind wichtig - es ist nicht so sehr die Frage, ob die Stars brilliant spielen, nein. Es ist nur von Bedeutung dass sie produziert werden und gezeigt und gesehen werden. Von vielen, vielen Menschen. Zu sehen, was ein Psychiater gemacht hat, was in dem LAPD passiert ist usw. Wieso, werden vielleicht einige fragen? Nun, ich denke, um zu erkennen, dass Personen eingewiesen werden und von Psychiatern in eben dieser - für den Durchschnittsbürger unvorstellbaren Weise - behandelt werden. Aber wichtig ist ebenfalls, zu sehen, dass es - eben auch wie in der Wirklichkeit - andererseit einige mutige, große Menschen gibt, Menschen mit Rückrat, Menschen mit Mut (trotz der Gefahren, die sie mit ihrem Mut heraufbeschwören), dass es also - vielleicht nur sehr wenige - Menschen gibt, die diesen Namen verdienen, die kämpfen, kämpfen für nicht nur sich selbst, für andere, für Gerechtigkeit..Ja, für die Hoffnung, für die Hoffnung, dass wir Menschen eine Zukunft haben. DENN: Wenn die "Schlechten", die Korrupten ein bißchen ZU viele werden und andererseits die "Guten" und Mutigen ein bißchen zu wenig. Oder wenn, die Waffen und Mittel (und der Psychiater ist nichts weiter als ein Mittel genauso wie die Spritze oder die Zwangsjacke derer er sich bedient), wenn diese Mittel zu mächtig werden, ja dann gehen vielleicht für uns alle die Lichter wirklich aus. In der hellerleichteten Welt der hypermodernen Elektronik, der Welt des technischen Fortschritts. Ja, wir haben da keine Garantie. Nur eine Hoffnung und die Hoffnung besteht einzig aus - solchen - Menschen. Gut auch, dass es Regisseure gibt wie Clint Eastwood. Leise wie durchdringend! Ein harter Film, ein durch Mark und Bein gehender Film, nachdenklich machend und düster sicherlich auch. Nun, wer ihn aushält soll ihn anschauen. Ich hoffe, es sind zahlreiche.