Brothers

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Bruderkrieg an der Heimatfront

Wer unvorbereitet in diesen Film geht und in den letzten Jahren öfter mal im Kino war, dem könnte unter Umständen ein Déjà-vu-Erlebnis widerfahren. Das unbestimmte Gefühl, das alles schon einmal gesehen zu haben kommt nicht von ungefähr, denn Jim Sheridans Film Brothers ist ein Remake von Susanne Biers Brothers – Zwischen Brüdern / Brødre aus dem Jahre 2004. Außer dem Handlungsort und den Schauspielern hat Sheridan nicht allzu viel an der Vorlage verändert. Am auffälligsten sind sicherlich eher die Glättungen stilistischer Art, die der Regisseur gegenüber dem vom rauen Dogma-Touch beeinflussten Original vorgenommen hat. Das Erstaunliche: Das Remake ist dennoch ein vollkommen eigenständiger und emotional sehr kraftvoller Film geworden, der vor allem am Schluss ungeheuer bewegend geraten ist und manchem Zuschauer die Tränen in die Augen treiben dürfte.   Sam Cahill (Tobey Maguire) ist Captain der US-Army und steht kurz vor seinem vierten Einsatz in Afghanistan. In knappen Szenen zeichnet Sheridan die Familienkonstellation Sams nach; er ist verheiratet mit Grace (Natalie Portman), zusammen haben die beiden zwei Töchter namens Isabelle (Bailee Madison) und Maggie (Taylor Geare). Zur Familie gehören auch Sams Vater Hank (Sam Shpehard), ein sich heute noch stets aufrecht haltender Ex-Soldat, dessen zweite Frau Elsie (Mare Winningham) und der zweite Sohn Tommy (Jake Gyllenhaal), der in diesem Clan aufrechter amerikanischer Patrioten definitiv das schwarze Schaf ist. Statt wie sein Bruder dem Land zu dienen, ist Tommy ein Tunichtgut, der in den Tag hineinlebt, sich gerne mal über die Maßen betrinkt und der gerade aus dem Knast entlassen wurde, wo er wegen eines Überfalls eingesperrt war. Kein Wunder, dass das Verhältnis zwischen ihm und dem Rest der Familie eher angespannt ist, vor allem mit Hank kommt es immer wieder zu lautstarken Streitereien. Einzig mit seinem Bruder scheint er gut auszukommen. Doch der muss nun in den Krieg ziehen. Dort, in Afghanistan, kommt es zur Katastrophe: Sams Hubschrauber wird abgeschossen. Zwar hat er Glück im Unglück und überlebt, doch er wird von Taliban-Kämpfern geschnappt und gemeinsam mit einem weiteren US-Soldaten gefangen gehalten. Es beginnt eine Zeit der psychischen und physischen Folter, an deren Ende Sam von seinen Peinigern vor eine grausame Wahl gestellt wird: Entweder er oder der andere Soldat – einer von beiden muss sterben. Und um das Perfide dieser unmenschlichen Wahl noch zu verstärken, verlangen die Gotteskrieger, dass Sam sich sein Überleben „verdient“.   Bei Sams Familie weiß man nichts um die Qualen des Sohnes – und das ist vielleicht auch besser so. Vielmehr wähnt man ihn nach einer entsprechenden Botschaft seiner Einheit tot und trauert dementsprechend heftig um den Ehemann, Vater, Sohn und Bruder. Der vermeintliche Tod Sams lässt die Familie zumindest teilweise näher zusammenrücken – plötzlich kümmert sich ausgerechnet der sonst wenig zuverlässige Tommy um seine Schwägerin und deren Töchter und versucht mit seinen bescheidenen Möglichkeiten zumindest kleine Inseln der Freude in einem Ozean von Trauer zu schaffen. Seine Bemühungen bleiben nicht ohne Folgen: Zunächst widerwillig kommen er und Grace sich näher – bis sie eines Tages die überraschende Nachricht erreicht, dass Sam lebt und nach Hause zurückkehren wird. Dennoch ist die Freude bei der Familie groß, bis alle realisieren müssen, dass Sam aufgrund seiner Erlebnisse, über die er nicht sprechen kann schwerstens traumatisiert ist.   Der Ire Jim Sheridan ist ein Spezialist für emotionales Kino, das vor allem von den Schauspielern lebt, die der Regisseur zu Höchstleistungen anzutreiben versteht. In Brothers ist es vor allem Tobey Maguire, der hier eine faszinierende Probe seines enormen Potenzials ausspielen kann. Wie er zu Beginn als treusorgender Ehemann und Vater auftritt und diese Figur nach der Rückkehr aus Afghanistan die ganze Verlorenheit und Abgründigkeit eines im tiefsten Inneren erschütterten Mannes gibt, sein Oszillieren zwischen Lethargie und ohnmächtigem (Selbst)Hass – das alles erledigt Maguire mit großer Überzeugungskraft und einer Galubwürdigkeit, die berührt und erschüttert.
Jim Sheridans Brothers geht weit darüber hinaus, nur ein Remake zu sein, das dem Original kaum etwas hinzuzufügen hat. Was unter anderem auch daran liegt, dass der Afghanistan-Krieg (denn nichts anderes ist der Konflikt dort, auch wenn sich deutsche Politiker mit dieser Definition sichtlich schwer tun) und seine Folgen wesentlich mehr zum US-amerikanischen Alltag gehört, als dies beispielsweise in Dänemark und auch Deutschland der Fall ist. Auf plastische und nachvollziehbare Weise macht Sheridan am Beispiel Sams deutlich, dass man den Fragen nach persönlicher Schuld auch an der Heimatfront nicht entkommt – auch wenn der Fall des US-Soldaten eine absolute Ausnahme darstellt. Das aber schadet dem eindringlichen Drama in keiner Weise.

Brothers

Wer unvorbereitet diesen Film sieht und in den letzten Jahren öfter mal im Kino war, dem könnte unter Umständen ein Déjà-vu-Erlebnis widerfahren. Das unbestimmte Gefühl, das alles schon einmal gesehen zu haben kommt nicht von ungefähr, denn Jim Sheridans Film „Brothers“ ist ein Remake von Susanne Biers „Brothers – Zwischen Brüdern / Brødre“ aus dem Jahre 2004. Außer dem Handlungsort und den Schauspielern hat Sheridan nicht allzu viel an der Vorlage verändert.
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Meinungen

Reiner · 27.01.2011

Ich kann nicht glauben, dass der Film jetzt erst in den deutschen Kinos anläuft.

Tom · 10.05.2010

Wann kommt den dieser Film entlich auf Deutsch? In der IMBD sieht man, das der überall schon seit Monaten raus ist. Nur die Deutsche Version ist noch nicht im Kino. In einigen Ländern steht sogar schon die BlueRay in den Regalen!